Wichtige Abstimmungen im Bundestag zu Bargeld, digitalem Euro und quelloffener IT

2. 07. 2024 | Am Donnerstag, den 4. Juli, finden im Bundestag wichtige Abstimmungen und Beratungen statt, die wegen der EM-Viertelfinalspiele am Freitag gänzlich unbeachtet zu bleiben drohen. Beraten wird über Anträge von Union und AfD zum digitalen Euro und abgestimmt über den der AfD zur Förderung von quelloffener Software. Alle Anträge sind aus meiner Sicht richtig und wichtig, aber alle könnten nach derzeitigem Stand aus schlechten Gründen abgelehnt werden. Vielleicht helfen ja Wählerrückmeldungen, den um ihre Mandate zitternden Abgeordneten, sich auf ihre Aufgabe zu besinnen.

Damit die wichtigen Beratungen im Parlament nicht in der Fußballbegeisterung untergehen, will ich hier eine Zusammenfassung geben, was in den Anträgen steht und wie die Fraktionen und Gruppen im Bundestag sich in den Ausschüssen positioniert haben.

Einsatz quelloffener IT-Lösungen

Die AfD-Fraktion im Bundestag hat einen Antrag zur „Förderung quelloffener KI-Lösungen“ mit folgender Kernforderung gestellt:

„Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, (…) zu prüfen, wo Open-Source-Produkte in der öffentlichen Verwaltung über den bestehenden Rahmen hinaus eingesetzt werden können, mit den primären Zielen der Kostenersparnis, der Reduzierung der Abhängigkeit von einzelnen monopolartig auftretenden Unternehmen sowie der digitalen Souveränität. Parallel hierzu muss der Einsatz von Open-Source-Produkten einem kontinuierlichen Evaluierungs- und Verbesserungsprozess unterliegen, hierfür sind in der öffentlichen Verwaltung die erforderlichen personellen und organisatorischen Voraussetzungen zu schaffen; (…)“

Der Antrag und seine Begründung sind aus meiner Sicht ohne Einschränkung richtig und wichtig. Union, Ampel, und Linke lehnen ihn jedoch ausweislich der Diskussion und Abstimmung in den Ausschüssen ab. BSW ist im federführenden Digitalausschuss nicht vertreten. Sahra Wagenknecht (BSW) antwortete auf Anfrage, dass sie den Antrag richtig und unterstützenswert findet. Die Abstimmung ist für 4. Juli angesetzt.

Bargeld und digitaler Euro

Von Union und AfD stehen Anträge zur Einführung eines digitalen Euro zur Beratung an, wobei der Antrag der AfD der deutlich weitergehende ist.

Die Union möchte mit dem Antrag „Abstimmung über den digitalen Euro im Bundestag bindend machen“ erreichen, dass sich die Bundesregierung verpflichtet, ihr Abstimmungsverhalten in Sachen Ausgestaltung und Einführung eines digitaler Euro danach auszurichten, wie eine vorher abzuhaltende Diskussion und Abstimmung im Bundestag ausgeht. Außerdem soll sie sich für den Erhalt des Bargelds einsetzen. Zur Begründung heißt es im Antrag:

„Die Digitalisierung des Euro wäre der weitreichendste Eingriff in unser Währungssystem seit der Einführung des Euro. Dennoch sollen nach dem Willen der Europäischen Kommission nationale Parlamente kein Mitspracherecht bei der Entscheidung über die Einführung und etwaige Ausgestaltung des digitalen Euro haben. Die Bundesregierung scheint sich die Position der Kommission zu eigen zu machen.“

Die Forderungen der Union lauten (ungekürzt):

„Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung daher auf,
1. sich im Rahmen einer freiwilligen Selbstverpflichtung dazu zu bekennen, der Einführung eines digitalen Euro im Rat der Europäischen Union nur dann zuzustimmen, wenn sich der Deutsche Bundestag zuvor für dessen Einführung ausgesprochen hat;
2. sich gegenüber der Europäischen Kommission, dem Europäischen Parlament und den EU-Mitgliedstaaten für eine Zustimmungspflicht der nationalen Parlamente der EU-Mitgliedstaaten einzusetzen;
3. jeglichen Initiativen der Europäischen Kommission oder im Rat, die eine Schwächung des Bargelds zum Ziel haben könnten, entschieden entgegenzutreten und insbesondere dafür Sorge zu tragen, dass der Status des Bargelds als gesetzliches Zahlungsmittel unangetastet bleibt;
4. zu einer breiten gesellschaftlichen Debatte zum digitalen Euro in Deutschland beizutragen.“

Diese Forderungen sind aus meiner Sicht uneingeschränkt richtig und wichtig. Dennoch wollen die Ampelparteien sie laut Beschlussempfehlung des Finanzausschusses ablehnen, bei Enthaltung der Linken, während die AfD für den Unionsantrag stimmen will. Aus der BSW-Gruppe ist zu hören, dass man dem Antrag der Union wohl zustimmen werde.

Der Antrag der AfD geht weiter. Er zielt auf Ablehnung und Verhinderung des digitalen Euro ab, verlangt die Abhaltung einer Volksabstimmung vor dessen Einführung und ist in Sachen Maßnnahmen zur Sicherung des Bargelds konkreter. Der Antrag heißt: „Bargeld als einziges gesetzliches Zahlungsmittel bewahren und Überwachung der Bürger durch digitales Zentralbankgeld verhindern“.

Die Begründung ist es wert, etwas ausführlicher zitiert zu werden (sie könnte von mir sein, ich habe aber nichts damit zu tun):

„Zwar wird vonseiten der Europäischen Kommission und der Europäische Zentralbank (EZB) immer wieder betont, dass es sich beim digitalen Euro nur um eine Ergänzung und nicht um einen Ersatz zum Bargeld handele. Die politisch-regulatorische Praxis spricht jedoch eine andere Sprache: Auf EU-Ebene werden seit Jahren Einschränkungen des Zahlungsverkehrs mit Bargeld vorbereitet und verfügt. Exemplarisch seien der Beschluss der EZB zur Abschaffung der 500-Euro-Banknote 2016, die Verschärfung der Ausweispflicht bei Barzahlungen per EU-Richtlinie 2017 und die Obergrenze von 10.000 Euro für Bargeldzahlungen seit 2022 genannt. Auch internationale Regulierer fordern und fördern seit Jahren den bargeldlosen elektronischen Zahlungsverkehr zulasten des Bargelds.
Vor diesem Hintergrund wachsen die Befürchtungen, dass sich der geplante digitale Euro zunehmend zum einzigen Zahlungsmittel entwickeln und das Bargeld sukzessive ganz abgeschafft werden könnte. Dies würde nicht nur Teilen der Bevölkerung – insbesondere älteren Menschen – eine unzumutbare Anpassungsleistung aufbürden und gesellschaftliche Teilhabe erschweren, sondern auch mit einem Verlust der Privatsphäre einhergehen. (…) Denn eine Gesellschaft, in der jede Zahlung nur noch in digitaler Form stattfindet, kommt dem totalen Überwachungsstaat erschreckend nahe.“

In der Begründung wird detailliert dargelegt, auf welche Weisen, trotz gegenteiliger Versicherungen, aktiv an einer Verdrängung des Bargelds gearbeitet wird, und kritisiert, dass die Richtlinienvorschläge der EU zwar eine Annahmepflicht für den digitalen Euro aber nicht für Bargeld vorsehen.

Die ersten vier von acht Forderungen des AfD-Antrags lauten:

„Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung dazu auf,
1. die Finanzierung von Organisationen, die sich für die Abschaffung des Bargelds einsetzen, einzustellen. Dies gilt insbesondere für die Better Than Cash Alliance;
2. sicherzustellen, dass die EZB und die nationalen Zentralbanken (NZBs) des Eurosystems keine digitalen Zentralbankwährungen ausgeben dürfen;
3. sich auf europäischer Ebene gegen die Einführung einer digitalen Zentralbankwährung einzusetzen;
4. sicherzustellen, dass Bargeld „als das einzige unbeschränkte gesetzliche Zahlungsmittel“, wie bisher gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BBankG geregelt, erhalten bleibt und als solches auch akzeptiert werden muss (…)“

Ich finde den Antrag, abgesehen vom der einen oder anderen Formulierung, richtig und wichtig. Aber laut Beschlussempfehlung wollen Union, Ampel und Linke gegen den AfD-Antrag stimmen. In der BSW-Gruppe findet der Teil zur Sicherung des Bargelds Unterstützung, während man den digitalen Euro nicht so radikal ablehnt wie die AfD.

Handlungsvorschlag

Solche Abstimmungen und Aussprachen im Bundestag sollten nicht unter dem Radar der Öffentlichkeit laufen. Lassen sie die Abgeordneten gern wissen, dass sie auf dem Radar sind und ihr Abstimmungsverhalten rechtfertigen und die Konseqenzen am Wahlabend tragen müssen. Über Abgeordnetenwatch können Sie Abgeordnete einfach und öffentlich befragen und leicht herausfinden, wer von den verschiedenen Parteien in den relevanten Ausschüssen sitzt.

Änderungshinweis (13 Uhr): Der Text wurde an verschiedenen Stellen dahingehend geändert, dass über die Anträge zum digitalen Euro am Donnerstag zwar beraten, aber wohl noch nicht, wie zunächst geschrieben, abgestimmt wird. Die Informationen zur Haltung des BSW zu den verschiedenen Anträgen wurden ebenfalls nachträglich eingefügt.

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