Als die ING-Bank im Mai „ein neues, standardmäßig eingestelltes Überweisungslimit von 2.000 Euro pro Tag“ einführte, bekam ich Zuschriften von besorgten und misstrauischen Lesern. Die Kunden können das Limit anheben, müssen aber ausnahmslos vier Stunden warten, bis die Limiterhöhung wirksam wird. Das soll laut ING dem Schutz der Kunden dienen, indem es sie „vor unüberlegten Überweisungen unter Druck“ bewahrt.
Das Misstrauen bezog sich darauf, dass das Vorgehen der Bank eine weitere Einschränkung der Verfügungsgewalt über unser Geld darstellt. Durch Barzahlung darüber zu verfügen, wird immer weniger möglich. Sorge bereiten auch die Kontenkündigungen und -verweigerungen gegenüber missliebigen Publikationsorganen, Parteien, Gruppen und Einzelpersonen. Und in letzter Zeit zwingen europaweit immer mehr Banken ihre Kunden, ihnen Auskunft über ihre Vermögensverhältnisse zu geben. Und nun auch noch Beschränkungen für den Überweisungsverkehr?
Targobank zieht nach
Meine Leser hatten einen guten Riecher, denn die ING bleibt kein Einzelfall. In den letzten Tagen hat nun auch die Targobank Schreiben an ihre Kunden versandt, mit denen sie diese über die Einführung eines nur wenig höheren Standard-Überweisungslimits von 2.500 Euro ab Oktober informiert. Dieses gilt auch für Geschäftskunden, bei denen höhere Überweisungen zur Tagesordnung gehören dürften. Die Kunden können das Limit anheben. Anders als bei der ING gibt es keine Wartezeit, bis die Anhebung greift. Zumindest teilt die Targobank nichts darüber mit.
Jede Menge Ungereimtheiten beim Vorgehen der Bank und bei der Begründung wecken Misstrauen. Diese Ungereimtheiten findet man bei näherer Betrachtung auch beim Vorgehen der ING.
Wie die ING begründet die Targobank die Neuerung mit der Sorge um die Sicherheit des Gelds ihrer Kunden. Neu ist allerdings im Vergleich zur Aktion der ING, dass sich die Targobank ausdrücklich auf rechtliche Vorgaben beruft. Sie schreibt:
„Damit setzen wir neue allgemeingültige Vorgaben im europäischen Recht um. (…) Da wir unsere Bedingungen an die aktuelle Rechtslage anpassen, benötigen wir dafür keine aktive Zustimmung von Ihnen.“
Neue EU-Verordnung als Vorwand
Im April 2024 trat die EU-Verordnung 2024/886 zu Echtzeitüberweisungen in Kraft. Sie verlangt nach einer Übergangsfrist von 18 Monaten, also ab Oktober 2025, unter anderem, dass die Banken den Kunden die Möglichkeit geben, einen Höchstbetrag für Echtzeitüberweisungen pro Tag oder pro Überweisung festzulegen (Art. 5a, Abs. 6).
Die Targobank geht mit ihren Änderungen jedoch sehr weit über diese Vorschrift hinaus. Die Verordnung bezieht sich nur auf Sofortüberweisungen, bei denen der Überweisungsbetrag binnen Sekunden beim Empfänger gutgeschrieben wird. Vom Setzen einer Höchstgrenze durch die Bank ist nicht die Rede. Die Targobank setzt jedoch selbst eine Höchstgrenze und zwar gleich auch für Standard-Überweisungen, für die es keine (veröffentlichten) neuen Vorschriften dieser Art gibt.
Jede Menge Ungereimtheiten
Festzustellen ist also erst einmal:
- Die Behauptung der Targobank, dass sie nur neue Vorgaben aus europäischem Recht umsetze und deshalb keine Einwilligung brauche, ist falsch.
- Die ING, die mutmaßlich aus gleichen oder ähnlichen Gründen ihre Regeln geändert hat, verschweigt in ihrer Begründung die EU-Verordnung, mit der das offenkundig zusammenhängt.
- Die ING hat keine Einwilligung ihrer Kunden in die neuen Überweisungsregeln eingeholt.
Wenn man in die Geschäftsbedingungen der beiden Banken schaut, findet man noch mehr Ungereimtheiten. Anders als die ING passt die Targobank die ihren an die neuen Überweisungsprozeduren an. Sie hat ihren Kunden eine hilfreiche Zusammenstellung der Änderungen in den Geschäftsbedingungen und im Preis- und Leistungsverzeichnis zukommen lassen. Sie sollen ab Oktober automatisch gelten, wenn die Kunden nicht widersprechen. Wenn sie widersprechen, wird das als Kontokündigung behandelt.
In ihre Geschäftsbedingungen hat die Targobank nur die Neuerung aufgenommen, die von der EU-Verordnung tatsächlich verlangt wird: die Überweisungslimits bei Sofortüberweisungen. Unter Punkt 1.6. „Ausführung eines Überweisungsauftrags“ und 1.7 „Ablehnung eines Überweisungsauftrags“ fügt sie als zusätzliche Bedingungen für die Ausführung eines Echtzeit-Überweisungsauftrags ein, dass „das vom Kunden festgelegte Beitragslimit“ eingehalten ist, und kündigt an, dass sie die Ausführung des Auftrags andernfalls ablehnen werde.
Das von der Bank selbst festgelegte Betragslimit (das die EU-Verordnung nicht vorschreibt), wird nicht als Ausführungsbedingung erwähnt. Die von der Bank eingeführte Höchstgrenze auch für Standard-Überweisungen wird in diesen Abschnitten über Ausführung und Ablehnung eines Überweisungsauftrags ebenfalls nicht erwähnt. Das legt den Schluss nahe, dass die Bank eigentlich keine rechtliche Grundlage hat, ein selbst festgelegtes Betragslimit für Echtzeitüberweisungen und Höchstgrenzen für Standardüberweisungen durchzusetzen, indem es die Ausführung verweigert.
Überraschenderweise finden sich die neuen Höchstgrenzen für Überweisungen dann im Preis- und Leistungsverzeichnis, das ebenfalls geändert wird. Dort wird unter dem neuen Punkt 1b eine Höchstgrenze pro Überweisung oder Dauerauftrag von 2.500 Euro eingeführt, auch für Geschäftskunden.
Während aber im Informationsschreiben der Bank steht, dass man diesen neuen standardmäßigen Höchstbetrag für Überweisung oder Dauerauftrag „jederzeit in der Banking-App, im Online-Banking oder auch in der Filiale anpassen“ könne, hat das in die Geschäftsbedingungen nur für Echtzeit-Überweisungen Eingang gefunden. Bei Standard-Überweisungen sichert die Bank lediglich in Bezug auf ein unverändert geltendes Tages-Limit von 25.000 Euro in Punkt 1a des Preis- und Leistungsverzeichnisses die Änderungsmöglichkeit zu. Bei der Höchstgrenze für den einzelnen Auftrag unter Punkt 1b von 2.500 Euro fehlt diese Zusicherung.
Ich wollte von der Targobank wissen, warum nur die neue Höchstgrenze für Echtzeit-Überweisungen in den Geschäftsbedingungen erwähnt wird, während diejenige für Standardüberweisungen – scheinbar sachwidrig – im Preis- und Leistungsverzeichnis eingeführt wird. Die Bank hat offenkundig keine überzeugende Antwort. Sie wich der Beantwortung dieser Frage in ihrer Stellungnahme aus.
Ebensowenig antwortete die Targobank auf die Frage, wie sie das von ihr eingeführte Standard-Überweisungslimit von 2.500 Euro umzusetzen plane, wenn diese Höchstgrenzen unter den Ausführungsvoraussetzungen für Überweisungen in den Geschäftsbedingungen nicht enthalten sind? Sie verwies als Rechtsgrundlage lediglich auf den oben erwähnten §5a der EU-Verordnung zu Echtzeit-Überweisungen, der verlangt, dass Kunden selbst eine Höchstgrenze für Echtzeit-Überweisungen festlegen können.
Man kann vermuten, dass die Bank die nicht gesetzlich vorgeschriebenen Neuerungen statt in die Geschäftsbedingungen in das Preis- und Leistungsverzeichnis gepackt hat, um der Pflicht zur Einholung der Zustimmung der Kunden zu entgehen. Ob das rechtskonform ist, müssen Juristen beurteilen. Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass eine Bank für Änderungen der Geschäftsbedingungen und für Gebührenerhöhungen die ausdrückliche Zustimmung der Kunden braucht. Hier handelt es sich nicht um eine Gebührenerhöhung. Fraglich ist allerdings, ob es sich bei den Höchstgrenzen für Überweisungen nicht um Regelungen handelt, die in die (zustimmungspflichtigen) Geschäftsbedingungen gehören. Dass die Targobank die Höchstgrenzen für Echtzeit-Überweisungen dort geregelt hat, spricht dafür.
Bei der ING sieht es nicht besser aus. In den online veröffentlichten Geschäftsbedingungen (Stand 15.6.2025) gibt es kein Anzeichen der seit Mai geltenden neuen Höchstgrenze für Überweisungen. In den „Bedingungen für den Überweisungsverkehr“ heißt es in Nr. 1.6 zu „Ausführung des Überweisungsauftrags“:
„Die ING führt den Überweisungsauftrag des Kunden aus, wenn die zur Ausführung erforderlichen Angaben in der vereinbarten Art und Weise vorliegen, dieser vom Kunden autorisiert ist und ein zur Ausführung der Überweisung ausreichendes Guthaben in der Auftragswährung vorhanden oder eine ausreichende eingeräumte Kontoüberziehung vereinbart ist.“
Kein Wort von einer Höchstgrenze.
In den „Vereinbarungen zum Internetbanking“ heißt es in Nr. 7 Absatz 2 lediglich allgemein zur Auftragsausführung, die Bank werde einen Auftrag ausführen, wenn unter anderem das gesondert vereinbarte Online-Banking–Verfügungslimit nicht überschritten ist. Ob diese allgemeine Höchstgrenze für das Online-Banking einschlägig ist, ist zweifelhaft. Auf jeden Fall ist eine nachträglich von der Bank einseitig ohne Zustimmung des Kunden eingeführte Höchstgrenze für Überweisungen von 2.000 Euro kein „vereinbartes Verfügungslimit“. Unter Punkt 1.8. räumt sich die ING selbst das Recht ein, „im Rahmen des Telebanking betragliche Begrenzungen festzulegen, die bei den ING Kundenbetreuern erfragt werden können bzw. unter www.ing.de ersichtlich sind.“ Klickt und scrollt man sich zu den „Entgeltregelungen und Höchstbeträge bei Überweisungen“ durch, liest man dort zum Thema Höchstgrenze nur, dass Überweisungen im Telefon-Banking oder schriftlich auf 50.000 begrenzt seien. Eine Obergrenze für Online-Überweisungen wird nicht genannt. Dasselbe gilt für das Preis- und Leistungsverzeichnis der Bank, Stand 15.6.2025 (Seite 4).
Zusammenfassung
Erst die ING, dann die Targobank haben Standard-Überweisungslimits von 2.000 bzw. 2.500 Euro eingeführt, welche die Kunden ändern können. Die ING hat diese, soweit ich erkennen kann, nicht in ihre Geschäftsbedingungen und ihr Preis- und Leistungsverzeichnis aufgenommen und entsprechend auch kein Einverständnis ihrer Kunden eingeholt. Die Targobank hat ihren Kunden fälschlich mitgeteilt, ein Einverständnis einzuholen, sei nicht nötig, weil man nur neue rechtliche Vorgaben umsetze.
Die Targobank lässt erkennen, dass der Anlass der Neuerung eine EU-Verordnung ist, wonach Bankkunden ab Oktober die Möglichkeit bekommen müssen, ein Betragslimit für Echtzeit-Überweisungen festzulegen. Eine Erklärung dafür, dass sie viel weitergehend selbst ein Limit einführt und dieses auch auf Standard-Überweisungen erstreckt, gibt sie nicht. Fragen zur eigenwilligen Aufteilung der Materie auf Geschäftsbedingungen und Preis- und Leistungsverzeichnis weicht sie aus. Das Versprechen, die Kunden könnten das Standard-Überweisungslimit jederzeit ändern, hat die Targobank nicht in ihre Geschäftsbedingungen oder ihr Preis- und Leistungsverzeichnis aufgenommen.
Schlussfolgerungen, Vermutungen und Konsequenzen
Nach meiner Erfahrung sind solche sich ähnelnden Aktionen von Banken in der Regel von Vorgaben der Bankenregulierer inspiriert, die nicht an die Öffentlichkeit gelangen sollen. Wenn es um tatsächliche oder vorgebliche Bekämpfung von Geldwäsche geht, lassen die Regulierer nämlich in Sachen rechtsstaatliche und demokratische Prinzipien regelmäßig fünf gerade sein und verheimlichen Öffentlichkeit und Bankkunden die Vorgaben, die sie den Banken machen. Für mich passen die Vorgänge bei ING und Targobank in ein bekanntes Schema, wie wir es schon vom behördlichen Kampf gegen das Bargeld kennen. Die Behörden wollen von den Banken gewarnt werden, wenn ungewöhnlich große Überweisungen anstehen, und genug Zeit haben, diese zu stoppen, auf andere Weise einzugreifen, oder verdächtige Zahlungsströme genau zu verfolgen.
Ähnliches ist – wie berichtet – in den letzten Jahren europaweit in Sachen Auskunft über Einkommens- und Vermögensverhältnisse an die Banken zu beobachten. Immer mehr Banken verlangen Auskunft über das Gesamtvermögen und genaue Angaben über Einkommensverhältnisse und Arbeitgeber von ihren Neukunden und sogar Bestandskunden. Hier ist es offensichtlich, dass der Druck von den Regulierern ausgeht. Da gleichzeitig an einem umfassenden Bankkonten-Register gearbeitet wird, bedeutet das, dass die Behörden einem europaweiten umfassenden Vermögens- und Einkommensregister immer näher kommen.
Unabhängig davon, ob die Überweisungsobergrenzen von den Behörden betrieben, oder von den Banken aus eigenem Antrieb eingeführt werden, ist die Grundlinie der Konsequenzen klar. Unsere Verfügungsgewalt über unser finanzielles Eigentum wird immer weiter eingeschränkt. Alles, was wir mit unserem Geld anfangen wollen, abseits alltäglicher Kleinverfügungen, wird immer mehr unter Erlaubnisvorbehalt gestellt. Schon jetzt ist es ja so, dass man tunlichst der Bank vorher Bescheid sagt, wenn man eine große Überweisung für eine Immobilie oder ein teures Auto tätigen möchte. Sonst verweigert sie leicht die Ausführung, um nicht von ihren Aufsehern der Komplizenschaft bei der Geldwäsche durch Nachlässigkeit beschuldigt zu werden.
Dieses Vorgehen wird durch die Eisbrecher ING und Targobank nun auf viel geringere Beträge ausgeweitet. Das soll harmlos erscheinen, indem es zunächst leicht gemacht wird, die Obergrenzen anzuheben. Aber das kann sich bald ändern. Wir sollen jetzt schon daran gewöhnt werden, dass wir nicht einfach über unser Geld verfügen können, sondern erst einmal einen Antrag stellen müssen. Der nächste Schritt wird dann sein, dass man diesen Antrag von Fall zu Fall begründen muss, weil man sonst aufgrund von Geldwäscheverdacht abblitzten könnte.
Bei der nächsten Finanzkrise wird es leicht sein, zu verhindern, dass Geld von insolvenzgefährdeten Banken abfließt, ohne dass man gleich alle Banken dicht machen muss. Bargeld bekommt man ohnehin nur noch schwer in größeren Mengen von der Bank. Wenn es überall Überweisungsobergrenzen gibt, kann man diese über Nacht auf einen einheitlichen niedrigen Betrag setzen, ohne erst Programme dafür schreiben zu müssen.
Wenn eine Kriegsertüchtigkeitsanleihe zur verpflichtenden patriotischen Zeichnung anstehen sollte, wird es sich als sehr praktisch erweisen, dass man über das Banken-/Vermögensregister die Vermögensverhältnisse der Bürger genau kennt und diese gehindert sind, ihre Guthaben abzuheben oder wegzuüberweisen und zu verstecken.