Im September wurde in Singapur der bisherige Senior Minister Tharman Shanmugaratnam zum Präsidenten gewählt. Tharman ist seit 2017 Vorsitzender des Kuratoriums (Board of Trustees) der Group of Thirty (G30), einem Club mit Sitz in Washington, in dem Vertreter der internationalen Großfinanz hinter geschlossenen Türen mit hochkarätigen Notenbankern und Politikern kungeln, zusammen mit ein paar Feigenblatt-Wirtschaftswissenschaftlern.
Der US-Notenbankpräsident ist traditionell nicht dabei, denn in den USA gibt es strenge Regeln für Offizielle, die die Teilnahme an solchen geheimen Kungelrunden mit dem Kommerz verbieten. Das macht aber nichts, denn praktischerweise ist die mächtige New Yorker Filiale der Federal Reserve, die für die Aufsicht über den Weltfinanzplatz New York zuständig ist, eine private Organisation, sodass ihr Präsident dabei sein kann.
Der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) war traditionell auch Mitglied, bis die Europäische Ombudsfrau Mario Draghi aufforderte, das zu unterlassen, weil es einerseits die Gefahr beinhalte, dass teilnehmende Finanzhäuser einen ungerechtfertigten Wissensvorsprung gegenüber anderen bekommen, und weil der EZB-Chef auf nicht nachvollziehbare und überprüfbare Weise beeinflusst werden könnte. Ich war nicht ganz unbeteiligt und habe ausführlich berichtet.
Draghi weigerte sich zwar die G30 zu verlassen, vor allem mit dem Argument, er sei dort nicht als EZB-Chef, sondern in privater Mission. Aber als seine Amtszeit wenig später ablief, trat er aus und die EZB brach mit ihrer Tradition, den Chef, bzw. nun die Chefin, Christine Lagarde, in die Kungelrunde zu entsenden.
Wie ich nun beim Blick auf die aktuelle Mitgliederliste gesehen habe, ist ex-EZB-Chef Draghi nach einer Schamfrist als „Senior Member“ dem Club wieder beigetreten. Lagarde ist aber weiterhin nicht Mitglied.
Singapurs frisch gebackener Präsident Tharman ist Mitglied im Kuratorium des Weltwirtschaftsforums. Das ist ein Club, der die 1.000 größten internationalen Konzerne vertritt, wobei die größten 100 bestimmen, wo es lang geht. Das Forum beeinflusst direkt und indirekt über seine führenden Mitglieder in starkem Maße die Politik der UN-Organisationen und von informellen Regierungsclubs wie den G20.
Privat oder offiziell
Was Tharman als Minister mit Zustimmung des Ministerpräsidenten noch durfte, bzw. zumindest nicht explizit verboten war, wurde nach seiner Wahl zum Präsidenten zum Problem. Denn, dass dieser als Privatmann an solchen geheimen Kungelrunden mit kommerziellen Unternehmen teilnimmt, ist nicht vorgesehen. Sowohl die G30 als auch das Weltwirtschaftsforum behaupten, ihre Mitglieder nähmen als Privatpersonen an ihren Sitzungen und Aktivitäten teil, damit diese nicht zuhause demokratisch Rechenschaft ablegen müssen.
Wie verlogen das ist, machen die Überlegungen der Singapurer Regierung deutlich. Der Stellvertretende Premierminister Lawrence Wong erläuterte laut einem Bericht von Channel News Asia (übersetzt):
„Das Kabinett habe diese Angelegenheit geprüft und sei übereingekommen, dass es im nationalen Interesse liege, wenn Tharman seine Ämter als Präsident weiter ausübe, sagte Wong. Ursprünglich habe die Regierung beabsichtigt, dass Herr Tharman seine internationalen Ämter weiterhin in seiner offiziellen Funktion ausübe. Der Generalstaatsanwalt habe dem Kabinett jedoch mitgeteilt, dass dies „nicht ideal“ sei. Denn internationale Gremien wollen, dass die Beauftragten ihren offiziellen Status und ihren guten Ruf mitbringen, aber auch unabhängig zur Erreichung der Ziele der Organisationen beitragen. „Wenn der Präsident in diesen internationalen Gremien nur in seiner offiziellen Funktion tätig wäre, würde er sich darauf beschränken, bei allem, was er sagt, die offizielle Position Singapurs zu vertreten“, sagte Herr Wong.“
Deshalb wurde mit Zweidrittelmehrheit die Verfassung geändert, um dem Präsidenten und den Ministern explizit zu erlauben, solche Ämter ohne parlamentarische Kontrolle auszuüben.
Das ist bemerkenswert offen und ehrlich. Die Clubs des Großkapitals wollen, dass die eingeladenen Regierungsvertreter einen hohen Rang und viel Macht und Ansehen haben. Deshalb laden sie diese ja ein. Aber sie wollen auch, dass diese unbeschwert von demokratischen Rechenschaftspflichten mit ihnen kungeln und zu ihren Zielen – statt denen ihres Landes – beitragen können.
So funktioniert Global Governance. So funktionieren all die „informellen“ Regierungsclubs und öffentlich-privaten Clubs von Regierungsvertretern und Konzernen, die weltweite Standards für die Politik setzen, die zwar formell unverbindlich sind, aber komischerweise – wenn nötig – doch von fast allen Parlamenten beschlossen und fast allen Verwaltungen umgesetzt werden. Denn einerseits haben die Regierungsvertreter das in den informellen Runden versprochen, andererseits haben diejenigen in den Machtzentren, insbesondere in Washington, starke Druckmittel, um diejenigen, die nicht mitmachen wollen, umzustimmen.
Zum Beispiel kann man dann auf einer „informellen“ schwarzen oder grauen Liste des informellen Clubs Financial Action Task-Force (FATF) landen, was dann bedeutet, das internationale Banken kein Geschäft mehr mit und in diesen Ländern machen. Oder man bekommt als Warnschuss einen schlechten Evaluierungsbericht.
Um ganz sicher alles richtig zu machen, wurde die Verfassungsänderung in Singapur auf September zurückdatiert.
Erfüllungsgehilfen des Weltwirtschaftsforums
Jährlich pilgern viele Dutzend der wichtigsten Regierungschefs und Minister zum Jahrestreffen des Weltwirtschaftsforums nach Davos, um dem Kapital seine Aufwartung zu machen und in geheimen Runden mit dessen Vertretern zu kungeln. Für die Galerie an den Bildschirmen halten sie auch schöne Reden.
Außerdem wählt das Forum jedes Jahr Dutzende aufstrebende Politiker aus aller Welt als Young Global Leaders aus und bildet sie in einem mehrjährigen Programm in Zusammenarbeit mit der Harvard Universität zu Senior Politikern aus. Angela Merkel und viele andere spätere Regierungschefs und wichtige Minister weltweit gehören dazu.
Bei Annalena Baerbock hat das eher schlecht geklappt. Sie wurde zwar Außenministerin und sagt genau und nur das, was vermeintlich oder tatsächlich ihre Führungsmacht hören will. Aber sie wirkt dabei des öfteren wie eine leicht defekte Sprechpuppe. Vielleicht liegt das daran, dass sie zu früh nach ihrer Kür zur Young Global Leader ihr hohes Amt bekam und daher die sicherlich ziemlich gute Ausbildung des Großkapitalclubs nicht mehr absolvieren konnte.