Aya Velázques schreibt oft Dinge, die der Obrigkeit nicht gefallen. Sie wittert oft Verschwörungen. Wegen meines offenbar zu naiven und noch zu wenig zynischen Gemüts dachte ich bisher, zu viele. Durch eine Datenschutz-Anfrage beim Verfassungschutz hat sie zunächst herausgefunden, dass sie wegen des neuen Phänomenbereichs Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates beobachtet wird. Lange weigerte sich der sogenannte Verfassungsschutz, ihr mitzuteilen, wie es dazu kam, gab aber nun schließlich nach, als Velázquez mit einer Klage drohte.
Die Auskunft, die sie erhielt, ist mehr als erstaunlich. Es war gar keine Kritik an Staatsorganen, die sie ins Visier der angeblichen Verfassungsschützer brachte, jedenfalls keine direkte. Vielmehr ging es, wie sie in einem Beitrag „In eigener Sache“ schreibt, um Kritik an Protagonisten der Oppositionsbewegung während der Corona-Maßnahmen, wie der Organisation Querdenken, sowie am wegen des Verdachts auf Untreue und Betrug inhaftierten Rechtsanwalt Reiner Fuellmich.
Ihr erster Beitrag, den der Verfassungsschutz zur Begründung für die Beobachtung anführt, heißt „Die Saalfeld Falle“ und handelt davon, wie Querdenken-Gründer Michael Ballweg mutmaßlich führende Mitglieder der Bewegung unter Auslassung wichtiger Informationen in ein Treffen mit Reichsbürgern lockte, das später die Grundlage für einen medialen Verriss der Bewegung und ihre Beobachtung durch den Verfassungsschutz gegeben habe. Im zweiten Beitrag, einem Telegram-Posting, ging es um mutmaßliche Verbindungen von Rainer Füllmich zu abgedrehten esoterischen Zirkeln, die ebenfalls geeignet waren, die coronamaßnahmenkritische Szene zu diskreditieren.
Es liegt auf der Hand, dass beide Beiträge nicht geeignet sind, den Staat zu delegitimieren, jedenfalls nicht direkt. Sie zielen darauf ab, bestimmte Protagonisten der Corona-Maßnahmenkritik zu diskreditieren. Dabei stellen sie allerdings den Verdacht in den Raum, dass diese Protagonisten mit dem Staat, insbesondere dem Verfassungsschutz, zusammengearbeitet haben, um die Bewegung absichtsvoll zu diskreditieren und den sogenannten Verfassungsschützern einen scheinbar legitimen Grund zu geben, sie zu beobachten.
Wenn das der Grund für die Beobachtung ist, dann würde der sogenannte Verfassungsschutz den neu erfundenen Phänomenbereich mindestens in diesem Fall nutzen, um sich selbst gegen investigativen Journalismus zu schützen. Dazu hat er kein Recht. Dass Geheimdienste Bewegungen und Parteien mit V-Leuten unterwandern, ist bekannt. Dass sie manchmal Operationen unter falscher Flagge durchführen, z.B. das Celler Loch und Schlimmeres, ist ebenfalls bewiesen. Wenn es Praxis oder gar erlaubt wäre, damit zusammenhängende Berichte als Rechtfertigung zu nehmen, um investigative Journalisten mit geheimdienstlichen Mitteln auszuforschen, dann wäre das nichts anderes als dass ein übergriffiger Staat den Geheimdienst gegen legitime Kritik in Stellung bringt.
Insofern scheint der Fall Velázquez, in Übereinstimmung mit der Interpretation der Betroffenen, auch für mich darauf hinzudeuten, dass Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang die Öffentlichkeit in der Bundespressekonferenz vom 18.06.2024 belogen hat, als er auf die Frage, ob der neue Phänomenbereich nicht auch politisch missbraucht werden könnte, antwortet:
”Fakt ist nur, es geht dabei um Personen, die ohne dem Bereich Links- oder Rechtsextremismus anzugehören, eindeutig, eindeutig verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgen. Sie wollen den Staat überwinden, sie wollen Widerstand gegen diesen Staat leisten, sie wollen ein anderes System schaffen, und damit sind die roten Linien unserer Verfassung überschritten, und es war notwendig, diesen neuen Phänomenbereich einzurichten.”
Es dürfte dem Präsidenten des sogenannten Verfassungsschutzes schwer fallen zu begründen, warum die beiden Beiträge von Velázquez den dringenden Verdacht begründet haben sollen, dass sie Verfassungsfeindin ist und den Staat überwinden will. Allein das Äußern der Mutmaßung, dass der Geheimdienst das macht, was Geheimdienste machen, nämlich V-Leute in Widerstandsbewegungen einzuschleusen, kann diesen dringenden Verdacht nicht begründen.
Fazit
Wie von Kritikern von Anfang an gemutmaßt, wird der Pähnomenbereich Delegitimerung des Staates missbraucht, um Kritker der Regierung und des Verfassungsschutzes und sogar Journalisten mit geheimdienstlichen Mitteln auszuforschen. Was dann passieren kann, wenn diese keine lupenreine Weste haben, das mussten schon viele Regierungskritiker am eigenen Leibe spüren. Auf geheimnisvollen Wegen gelangen dann Kontoinformationen, Korrespondenzen oder Fotos der Betreffenden in kompromittierenden Situationen an die Öffentlichkeit. Ganz vermeiden können wird man das nie. Aber es muss zumindest illegal sein, diese Informationen über Kritiker auszuforschen. Deswegen darf es diesen Phänomenbereich in einer freiheitlichen Demokratie nicht geben.