WDR-Intendant Buhrow weist Programmbeschwerde wegen Anti-Griechen-Tagesschau zurück

Ich hatte wegen gegen zwei unsachliche und tendenziöse Berichte der Tagesschau über die Verhandlungen mit Griechenland Programmbeschwerde eingelegt. Der WDR-Intendant  beantwortete die Beschwerde zur einen Tagesschau. Der NDR duckte sich weg. Warum der WDR meint, tendenziös sei in Ordnung und wie es jetzt weitergeht mit WDR und NDR.

Meine Programmbeschwerde wegen der Tagesschauen vom 20.3. und vom 27.2. schickte ich an den federführenden Norddeutschen Rundfunk. Der NDR schrieb zurück, er habe die Beschwerde zuständigkeitshalber an den Westdeutschen Rundfunk geschickt, weil der in der Tagesschau vom 20.3. auftretende Brüssel-Korrespondent Rolf-Dieter Krause dort angestellt sei. Nun bekam ich die Antwort vom WDR-Intendanten, aber nur zur Tagesschau vom 20.3.

WDR-Intendant Tom Buhrow bringt immerhin eine vernünftigere Antwort zustande als ARD-Programmdirektor Volker Herres, der mir beschieden hatte, die Einseitigkeit der Tagesschau, die er nicht zu verteidigen versuchte, werde durch andere Sendungen ausgeglichen:

Die Journalisten des Ersten Deutschen Fernsehens haben selbstverständlich nicht die Absicht, Griechenland und dessen Politiker in schlechtes Licht zu rücken.  In unterschiedlichen Sendungen des ARD-Gemeinschaftsprogramms bemühen wir uns, den komplexen Reformprozess umfassend zu beleuchten und all seine Folgen darzustellen. Im Anhang finden Sie Informationen über die Dokumentation „Die Spur der Troika – Macht ohne Kontrolle“. In dieser haben sich die Autoren ausführlich mit den negativen Auswirkungen der Sparpolitik befasst. „Die Spur der Troika“ wird heute um 22:45 Uhr im RBB-Fernsehen wiederholt. Sandra Maischberger wird heute mit ihren Gästen über „Die Euro-Tragödie – Hass auf die EZB“ diskutieren.“

Tom Buhrow dagegen informiert mich, dass die Programmgrundsätze, die ich anführe, nämlich unabhängige, sachliche und sorgfältige Berichterstattung, keine exakten rechtlichen Maßstäbe, sondern Richtungsweisungen und Zielwertvorstellungen vorgeben. Im Einzelfall müsse geprüft werden, ob die Schwelle zur Verletzung eines Programmgrundsatzes überschritten sein. Auch wenn einzelne Passagen nach meinem Empfinden tendenziös seien, genüge dies nicht, einen Rechtsverstoß anzunehmen. Er könne ohnehin keine Unsachlichkeit und tendenziöse Darstellung dahingehend erkennen, dass allein die Sichtweise der Bundesregierung und der EU-Organe wiedergegeben werde. Im Folgenden beruft er sich aber wiederholt auf die Sichtweise der Bundesregierung und der EU-Organe als angebliche Belege für die Behauptungen des WDR-Korrespondenten.

Der Bericht Krauses vom EU-Sondergipfel in Brüssel sei kein Kommentar gewesen und Meinungsäußerungen seien in Korrespondentenberichten zulässig. Insofern sei das Gebot Kommentar und Berichterstattung zu trennen, nicht verletzt worden. Auch Falschdarstellungen kann Buhrow nicht erkennen, etwa hier:

Der griechische Regierungschef hatte auf schnelles Geld ohne weitere Auflagen gehofft.“

Ich hatte geltend gemacht, dass Tsipras andere Auflagen und Reformen wollte als die bisher vereinbarten, die dem Land nur schadeten. Buhrow geht wohlweislich nur auf den ersten Teil der Aussage ein, indem er belegt, dass Tsipras auf baldiges Geld hoffte. Kein Wort zum problematischen zweiten Teil, für den es keinen Beleg gibt, der aber die tendenziöse Botschaft suggeriert, die Griechen seien gierig und wollten nur Geld ohne etwas dafür zu tun.

Eine Falschdarstellung sieht Buhrow auch nicht im folgenden Krause-Zitat:

„… die Anwesenden zeigten keine Neigung, von dem abzuweichen, was die Finanzminister der Eurogruppe vor genau vier Wochen vereinbart haben“,

 gefolgt vom eingeblendeten Merkel-O-Ton: „Geld gibt es nur, wenn die Voraussetzungen wie im Papier vom 20. beschrieben, da sind“ und der Erläuterung des Tagesschau-Sprechers, das heiße, „dass Reformen nicht nur vorgeschlagen, sondern beschlossen und teilweise umgesetzt sind.“

Buhrow verteidigt  wieder nur den ersten, unstreitigen Teil der Aussage Krauses, dass die Anwesenden Tsipras auflaufen ließen. Problematisch ist dagegen der zweite Teil von Krauses Aussage und die damit zusammenhängende nachfolgende Kollage aus Merkel und Tagesschausprecher. Denn darin ist eine irreführende Tatsachenbehauptung über das am 20.2. Vereinbarte enthalten. In Wahrheit ist die angesprochene Vereinbarung sehr vage formuliert und bietet daher viel Auslegungsspielraum. Darin steht keinesfalls wie von Merkel und gleichlautend von Krause und dem Tagesschau-Sprecher behauptet, dass Geld erst fließe, wenn „Reformen nicht nur vorgeschlagen, sondern beschlossen und teilweise umgesetzt sind.“

Buhrow schreibt wörtlich:

Auch hier ist keine Falschdarstellung zu erkennen. Die Darstellung Rolf-Dieter Krauses entspricht dem vereinbarten Prozedere: Zunächst legt Griechenland eine Liste von Reformmaßnahmen vor. Dann wird diese von den ‚Institutionen‘ die früheren Troika, geprüft. Dann wird sie von der Eurogroup Working Group geprüft. Und am Schluss muss die Eurogruppe als Ganzes einstimmig (!) darüber entscheiden, ob das ausreicht, um die Auszahlung der noch ausstehenden Hilfsgelder zu bewilligen.“

Buhrow stimmt mir also zu und tut so als sei es ein Gegenargument.

Man beachte: In Buhrows korrekter Darstellung ist keine Rede von dem, was Krause und Co. behaupten, davon, dass  in der Vereinbarung vom 20.2. eine Forderung stünde, dass die Maßnahmen „beschlossen und teilweise umgesetzt“ sein müssen. Mangels Beleg für die Falschbehauptung beruft sich Buhrow (dahinter steht sicherlich die Stellungnahme von Krause) stattdessen auf öffentliche Äußerungen des Eurogruppen-Vorsitzenden Dijsselbloem. Das aber ist gerade meine Kritik, die Buhrow weiter vorne ausdrücklich zurückgewiesen hat, dass nämlich allein die Sichtweise der Verhandlungsgegner Griechenlands referiert und sich zu eigen gemacht wird, und hier auch noch eine nachweislich falsche Sichtweise. Der Vorwurf der Einseitigkeit und des unzureichenden Recherchierens der Fakten ist also aufrecht zu erhalten.

Zum Beleg sei die Vereinbarung, das „Statement on Greece“ der Eurogruppe zitiert:

The Greek authorities will present a first list of reform measures, based on the current arrangement, by the end of Monday February 23. The institutions will provide a first view whether this is sufficiently comprehensive to be a valid starting point for a successful conclusion of the review. This list will be further specified and then agreed with the institutions by the end of April.”

Darin steht: eine Liste von Reformmaßnahmen muss präsentiert werden, sie wird beurteilt, weiter spezifiziert und bis Ende April mit den Institutionen vereinbart. Kein Wort von (im Parlament) „beschlossen und  von teilweise umgesetzt, schon gar nicht im März, als die Tagesschau ausgestrahlt wurde.

Richtig wild wird es bei der Replik auf meine Kritik an der folgenden Passage aus Krauses Bericht:

Griechenlands Ministerpräsident erweckt den Eindruck, dass sein Land auch ohne schmerzhafte Maßnahmen zu sanieren sei. Außerhalb Griechenlands denkt das kaum jemand“,

Dem hatte ich unter anderem entgegen gehalten:

Nichts von dem, was Tsipras im Wahlkampf und danach seinem Volk und seinen Partnern gesagt hat, erweckte den Eindruck, dass ab jetzt alles leicht und schmerzlos für Griechenland sein wird oder sein soll.“

Buhrow erwidert, mit Verweis auf Lettland, wo man einem harten Austeritätsprogramm beigetreten sei:

Im Rahmen dieser Sanierung verdienten beispielsweise Lehrkräfte kaum mehr als die Hälfte ihrer griechischen Kolleginnnen und Kollegen. Vor diesem Hitnergrund gibt Rolf-Dieter Krause den Eindruck der EU, Tsipras wolle derart schmerzhafte Maßnahmen bei der Sanierung Griechenlands vermeiden, nachrichtlich korrekt wieder.“ (Hervorhebung N.H.)

Dieses Ausmaß an manipulativer Feinjustierung des angeblich Gesagten zeigt, wie ich finde, ein schlechtes Gewissen. Krause sagte eben gerade nicht: „Die EU hat den Eindruck“, (wer auch immer das ist, DIE EU). Er sagte „Griechenlands Ministerpräsident erweckt den Eindruck ….“ Und weil das mit Fakten schwer zu begründen ist, muss nachträglich Lettland hervorgeholt werden, und die Tatsache, dass dort Lehrkräfte weit weniger verdienen als in Griechenland. Das war aber auch schon vorher so, Deren Löhne wurden zwar gekürzt, aber nicht halbiert. Das „derart“ ist also nicht nur nachträglich in das Zitat eingefügt, es ist auch sachlich nicht angemessen, denn bei Anpassungsmaßnahmen geht es um Veränderung, nicht um einen Ländervergleich in der Ausgangslage. Sonst würde es zum Beispiel Deutschland oder Frankreich extrem schwer fallen, überhaupt je die Bereitschaft zu „schmerzhaften Maßnahmen“ zu zeigen.

Fazit: In einer Verhandlungssituation, in der zwei Seiten eine vage Vereinbarung unterschiedlich auslegen, transportierte die Tagesschau ausschließlich die Sichtsweise der einen Seite und zwar in weiten Teilen als eigene Sichtweise oder gar als Tatsachenbehauptung. Die griechische Sicht der Dinge kommt nur einmal vor, und dort in maliziös verzerrter Weise. Buhrows Replik weicht in den entscheidenden Fragen aus und kann das nicht wegwischen. Er hätte es zugeben und Besserung versprechen sollen.

Wie es weitergeht:

Herr Buhrow weist mich freundlich auf die Möglichkeit hin, den Rundfunkrat anzurufen. Dieses Angebot werde ich dankend annehmen.

NDR-Intendant Lutz Marmor werde ich nicht gestatten, sich wegzuducken. Er hatte meine gesamte Beschwerde  an den WDR weitergeleitet und sich für unzuständig erklärt. Der hatte aber ausdrücklich nur meine Beschwerde zur Tageschau vom 20.3. beantwortet, weil nur dort Krause auftrat. In der Tagesschau vom 27.2., dem Tag der Abstimmung im Bundestag über die Verlängerung des Hilfsprogramms für Griechenland. Damals hatte die Tagesschau fälschlicher Weise berichtet, Finanzminister Yanis Varoufakis habe damit geprahlt, dass die REFORMLISTE, die er nach Brüssel geschickt habe, absichtlich vage gewesen sei, um die Abstimmungen in den Parlamenten nicht zu gefährden. Tatsächlich hatte er aber gesagt, die Vereinbarung mit der Eurogruppe vom 20.2. sei absichtlich vage formuliert worden. Den Protest dagegen bekommt Lutz Marmor nochmals auf den Tisch, nachdem sich der WDR – wohl zu Recht – für unzuständig erklärt hat.

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