Brief aus Athen: Schulz‘ Behauptung, Tsipras spreche für eine Minderheit, zeigt seine Ahnungslosigkeit

Von Markus Barth, Athen. Vor gut einer Woche haben gut 36% der Griechen Syriza gewählt, knapp 5% Anel. Nicht wenige deutsche Kommentatoren machen daraus ein Legitimationsproblem. Auch Martin Schulz erklärt den Lesern des Spiegel im Interview vom Samstag: „36,3% haben für Syriza gestimmt. Zwei Drittel der Griechen teilen also nicht die Auffassung von Herrn Tsipras.“ Herr Schulz hätte sich vorher informieren sollen, bevor er nach Athen reiste, um Tacheles zu reden, dann wäre er vielleicht nicht so abgeblitzt und nachher auch noch von Kommissionschef Juncker abgewatscht worden.
 
Nach einer Umfrage des Instituts Metron Analysis im Auftrag der eher konservativen Zeitung Parapolitika sind 56% der Befragten mit dem Wahlergebnis zufrieden und nur 18% unzufrieden. Ebenfalls 56% sehen die Koalition mit der Anel positiv, negativ äußern sich hier 35%. Deren Vorsitzender Kammenos hatte übrigens vor der Wahl eine eindeutige Koalitionsaussage zugunsten Syriza gemacht im Gegensatz zu der neuen Partei To Potami, die sich alle Optionen offengehalten hatte. 60% Zustimmung erzielt der neue Finanzminister Varoufakis, 11% lehnen ihn ab. Die Ernennung von Kammenos zum Verteidigungsminister wird von 36% abgelehnt aber doch von einer knappen Mehrheit von 51% der Befragten gutgeheissen, deutlich mehr als dem Wahlergebnis seiner Partei entspraeche. Schliesslich war er auch schon für die ND im Verteidigungsausschuss und wurde zum „Populisten“ erst nachdem ihn Samaras aus der Partei ausgeschlossen hatte weil er das Abkommen mit der Troika bei der entsprechenden Parlamentsabstimmung abgelehnt hatte.
 
Noch besser für Tsipras sieht das Ergebnis einer telefonischen Umfrage (1007 Teilnehmer in ganz Griechenland, 27. bis 29.1.2015) von Public Issue für die linke Aygi aus : 70% glauben, dass Tsipras es als Ministerpräsident „schaffen wird“ im einzelnen haben 95% der Syriza-Waehler aber auch 35% der Wähler der ND Vertrauen in den neuen Ministerpräsidenten. Das politische Schicksal von Samaras scheint besiegelt. 70% der Befragten weisen ihm auch persönliche Verantwortung für die Niederlage der ND zu, 44% derer die sich als Wähler der ND bezeichnen.
 
Die Hoffnung kommt!“ war der Wahl-Slogan von Syriza. Wie es scheint hat diese Hoffnung auch viele Wähler der anderen Parteien angesteckt, insbesondere nachdem sich die Kassandrarufe vieler Gegner von Tsipras, der werde seine Wahlversprechen gleich nach der Wahl vergessen und einen Purzelbaum (Kolotoumba) schlagen, zumindest bislang nicht bewahrheitet haben. Nach den Ereignissen der letzten Tage hat das Lager der „Alternativlosigkeit der Sparprogramme“ viele Anhänger verloren.
Die Griechen schliessen die Reihen hinter ihrem neuen Regierungschef . Der polyglotte Luxemburger Juncker versteht das besser als der offenkundig sich aus rein deutschen Quellen informierende Schulz.
 

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