Brasilien zeigt der Europäischen Zentralbank, wie es geht und bekommt dafür Ärger mit den USA

11. 10. 2025 | Statt wie die Europäische Zentralbank (EZB) ein neues digitales gesetzliches Zahlungsmittel als Bargeldkonkurrenz einführen zu wollen, hat Brasiliens Zentralbank einfach ein kostenloses digitales Zahlungssystem geschaffen. Es ist so erfolgreich, dass die US-Karten- und Bezahlapp-Konzerne dagegen Sturm laufen und Trump auf den Plan gerufen haben.

Ein englischer Bericht der Nachrichtenagentur Bloomberg, aus dem Infosperber einen recht guten deutschen Bericht gemacht hat, zeigt deutlich, wie gleichzeitig überkandidelt und unterambitioniert die Pläne der EZB für einen digitalen Euro sind.

Brasiliens Notenbank hat 2020 ein App-basiertes digitales Zahlungssystem namens Pix an den Start gebracht, das die Zentralbank selbst kontrolliert. Es ist für Bürger und Kleinunternehmen kostenlos und funktioniert offenbar gut. Dadurch ist es innerhalb von fünf Jahren zum führenden digitalen Zahlungsmittel geworden, sehr zum Ärger der großen US-Konzerne mit ihren riesigen Gewinnspannen, wie Visa, Mastercard, Apple und Paypal. Nur Bargeld hat einen noch größeren Marktanteil.

US-Präsident Donald Trump, der aus politischen Gründen bereits einen Handelskrieg gegen die brasilianische Regierung führt, lässt seinen Handelskommissar (US-Trade Representative) untersuchen, ob Brasiliens Zentralbank die US-Zahlungsdienstleister unfairer Konkurrenz aussetzt.

Der Unterschied der EZB-Pläne für einen digitalen Euro zum erfolgreichen brasilianischen Projekt ist beträchtlich. Banco do Brasil nimmt keine Rücksicht auf das Gewinninteresse der Banken und Zahlungsdienstleister. Im Gegenteil setzt es deren Gewinnmargen durch das Angebot eines kostenlosen Zahlungsverkehrssystems unter Druck. Mehr tut sie nicht, aber das sehr erfolgreich.

Die EZB dagegen schafft eine neue Währungskategorie, den E-Euro, als ein zweites gesetzliches Zahlungsmittel neben Euro-Bargeld. Das bedeutet, dass die Banken Konten getrennt für normales digitales (Banken-)Geld und für E-Euro führen müssen. Hauptzweck ist es, für die Zeit, wenn das Bargeld keine Rolle mehr spielt, ein gesetzliches Zahlungsmittel unter Zentralbankkontrolle zu haben, das als Anker des Geldsystems dienen kann. Anker bedeutet, dass die Notenbank eine Geldart unter Kontrolle hat, die die Banken aus regulatorischen Gründen brauchen, aber anders als normales digitales Geld (Bankguthaben) nicht selbst schaffen können.

Die EZB will sich so der Notwendigkeit entheben, für den Erhalt des Bargelds zu sorgen. Sie stattet das Zahlungsverkehrssystem für den geplanten E-Euro sogar noch mit Eigenschaften aus, die dem Bargeld gezielt Konkurrenz machen. So soll man selbst ohne Netzanbindung im Geschäft mit dem E-Euro (statt mit Bargeld) bezahlen können.

Den Banken und Zahlungsdienstleistern will die EZB weder Konkurrenz noch Ärger machen. Sie werden in das Projekt eingebunden und ihre Systeme eng angebunden. Die großen US-IT- und Zahlungsverkehrskonzerne sind an der Projektentwicklung beteiligt, die Daten will die EZB bei US-Clouddiensten speichern lassen, damit die Kunden ihre Guthaben nicht massenhaft von weniger sicheren Bankguthaben zu sicheren E-Euro verlagern, soll es für letztere relativ niedrige Halteobergrenzen geben.

Bei all diesem zu viel an Ambition, was der E-Euro alles sein und leisten soll, und dem zu wenig an Ambition in Sachen Konkurrenz für die Finanzbranche und Unabhängigkeit von dominierenden US-Anbietern, droht etwas herauszukommen, für das die Nachfrage fehlt. Denn die Konsumenten können auch mit Debitkarten und Bezahl-Apps kostenlos im ganzen Euroraum bezahlen. Und wenn sie den E-Euro nicht in nennenswertem Umfang als sichere Geldanlage nutzen können, weil das die geplanten Haltegrenzen verhindern, dann haben sie auch nichts vom Status des gesetzlichen Zahlungsmittels. Dann ist es ihnen letztlich egal, ob sie mit digitalen Bankguthaben in Euro oder mit dem E-Euro der Zentralbank bezahlen.

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