11. 02. 2015 | Wenn der Wirtschaftsminister höchstselbst in seinem Ministerium eine Lobbygruppe der Finanzbranche installiert (genannt „Expertenkommission“) und diese ministeriumsinterne Lobbygruppe mit nicht geringeren besetzt wird als Deutsche-Bank-Chef Jürgen Fitschen, Allianz-Vorstandsmitglied Dr. Helga Jung, und Ergo-Vorstandschef Torsten Oletzky und diese vom ehemaligen (Noten-)Banker und DIW-Chef Marcel Fratzscher leiten lässt, dann durfte man erwarten, dass kein kleiner Wurf herauskommt. Und so
kam es. Es soll ein Milliardenraub am deutschen Steuerzahler werden, am helllichten Tag und auf offener Straße (Handelsblatt Seite 1), getarnt als „Gottes Werk“ (Blankfrein). Der Zeitpunkt für den Versuchsballon ist bestens gewählt, am Tag, an dem die Euro-Finanzminister sich mit Griechenland den Showdown liefern und in Minsk versucht wird, einen Frieden in der Ukraine auszuhandeln, und am Tag bevor der Streit auf der Ebene der Regierungschefs beim Gipfel in Brüssel weitergeht. Die Chancen, dass er an so einem Tag nicht abgeschossen wird, sind recht gut. Und wenn er einmal fliegt, dann fliegt er.
Das schwarz-rote Ministertrio Gabriel (Wirtschaftslobbyismus), Dobrindt (Verkehrsumwege) und Schäuble (Finanztäuschung) will, wie das Handelsblatt heute exklusiv berichtet, die deutschen Autobahnen (und wohl danach auch Bundesstraßen) in eine neue Gesellschaft überführen, die zu einem Sammelbecken für die anlage-suchenden Milliarden von Allianz, Ergo und Deutscher Bank ausgebaut werden soll. Das Modell soll so laufen: Eine Bundesfernstraßengesellschaft würde für Bau und Unterhaltung der Schnellstraßen zuständig. Sie bliebe in Staatsbesitz (damit die privaten Investoren von Haftungs- und Verlustrisiken freigestellt werden können), bekäme aber keine Steuermittel mehr, sondern müsste sich das Geld von Allianz, Deutscher Bank und Ergo über Anleihen, Kredite und Genussrechte holen.
Vor allem das Finanzministerium treibt nach Informationen des Handelsblatts die Pläne voran. Nachdem Schäuble nämlich erfolgreich dafür gesorgt hat, dass dank Schuldenbremse Sparhans überall Küchenmeister ist, und deshalb die staatliche Infrastruktur immer unzulänglicher wird und wir uns nicht einmal mehr die lächerlich wenigen Schulpsychologen leisten können, muss er jetzt die entscheidende Stufe seines Finanzbetrugs zünden. Denn, wie das Handelsblatt erläutert: Wenn eine solche Gesellschaft „sich auf dem Kapitalmarkt refinanziert, würde dies nicht auf die Schulden des Bundes angerechnet.“ Und weiter: „Angesichts der Schuldenbremse, die die Verschuldung der öffentlichen Hand begrenzt, wäre dies ein eleganter Kniff.“ Erst haben die schwarz-roten Nullen also den Leuten eingeredet, dass Schulden des Teufels sind und der Staat nicht mehr ausgeben darf, als er einnimmt, weil sonst die Kinder und Enkelkinder für die Verschwendungssucht der Eltern und Großeltern zahlen müssen. Nun wollen sie die Verschuldung in einen staatlich-garantierten, pseudo-privaten Schattenhaushalt auslagern, und unsere Kinder und Enkelkinder doppelt und dreifach dafür bezahlen lassen. Denn, wie das Handelsblatt auch deutlich macht. Wenn der Staat sich in der Vergangenheit mit privaten zur Finanzierung von Straßen zusammentat, kostete das die Bürger letztlich oft doppelt so viel wie bei normaler Finanzierung. Irgendwo muss die staatlich garantierte Rendite für Allianz, Ergo und Deutsche Bank ja herkommen. Mit den weniger als 0,5 Prozent Zinsen, zu denen der Bund derzeit für zehn Jahre Geld aufnehmen könnte, um Straßenbau zu finanzieren, werden sie sich ganz sicher nicht zufrieden geben. Sonst könnten sie wie bisher einfach dem Staat seine Anleihen abkaufen. Nein, Zweck der ganzen Übung ist es ja gerade, den Finanzinstituten aus ihrem Anlagenotstand zu helfen.
„Allianz wittert Chancen bei der Infrastruktur“ titelte passend dazu die Börsen-Zeitung am 28.8.2014 Privates Kapital könne helfen, die Finanzlücke bei der Finanzierung staatlicher Infrastrukturmaßnahmen zu schließen, sagte der Leiter der Anlagestrategie des führenden deutschen Lebensversicherers, Andreas Lindner, dem Blatt. Das sei sehr attraktiv für die Assekuranz, denn deren Geschäftsmodell erfordere einen langfristigen Anlagehorizont und der Staat garantiere einen stabilen Cash-Flow. Übersetzung: Hohe Rendite, kein Risiko – auf Kosten des Steuerzahlers.
Wenn schon, dann richtig, lernen wir im Handelsblatt-Artikel. Es werde überlegt, nicht nur die künftigen Schulden für den Straßenbau in diesen Schattenhaushalt auszulagern, sondern auch gleich die Schulden, die sich irgendwie dem Bau der vorhandenen Fernstraßen zurechnen lassen. Dann sänke der gemessene Schuldenstand des Bundes ganz beträchtlich.
Sogar das Grundgesetz soll geändert werden, damit sich die Zuständigkeit für den Bau und Unterhalt der Fernstraßen von den Ländern auf Allianz, Deutsche Bank und Ergo übertragen lässt, wobei natürlich offiziell die Bundesfernstraßengesellschaft als Träger genannt würde.
Wie diese Methode dazu dient, das Fiasko der privaten Vorsorge zu verdecken, indem der Staat den Finanzinstituten nach den hohen Subventionen für die Riester-Rente nun zu Nachsorge heimlich noch weitere Milliarden zuschiebt, habe ich hier beschrieben:
Angebahnt wurde das ganze schon vor einem halben Jahr, wie hier beschrieben:
Gabriel gibt den Staat zur Ausplünderung frei
Warum die Finanzbranche alles bekommt, was sie will, lesen sie hier:
Issing, Trichet und die fünfte Gewalt (Goldman Sachs)
und hier
Ein Insider packt aus: Die fünfte Gewalt regiert
Hoffen wir, dass das bisschen an Opposition, das es in Bundestag und Bundesrat noch gibt, rechtzeitig aufwacht. Wenn Sie möchten, können Sie diese Kolumne gern Ihrem Wahlkreisabgeordneten schicken und ihm sagen, wie er sich Ihrer Meinung nach positionieren soll. Sie finden ihn leicht hier.
Auf europäischer Ebene passiert übrigens mit dem Juncker-Investitionsplan genau dasselbe, wie EU-Kommissionsvize Jyrki Katainen auch heute auf der letzten Seite des Handelsblatts in seiner Replik auf Hans-Werner Sinn unfreiwillig aber deutlich ausführt. Was will man auch von einem Kommissionschef erwarten, der als oberster Lobbyist eines Banken- und Steuerparadieses wie Luxemburg groß geworden ist.
Schlagworte: Wutbürger, Bürgerwut, Schattenhaushalte, Staatlicher Finanzbetrug, Verkehrsumwege, Lobbyismus, Fünfte Gewalt, Allianz, Ergo, Deutsche Bank, Nachsorge für Private Vorsorge
P.S. (12.2.2015): Es stellt sich heraus, dass die „Expertenkommission“ zur Infrastrukturfinanzierung von Anfang an nur eine Alibiveranstaltung war, um der geplanten Privatisierung der Infrastruktur zum Nutzen der Finanzbranche das Mäntelchen des Sachverstands umzuhängen und daneben vermutlich noch um zu besprechen, wie die Beute zwischen Industrie und Finanzbranche aufgeteilt werden. Das was jetzt als Plan auf dem Tisch liegt, hat Kommissionsvorsitzender Marcel Fratzscher schon damals, als die Kommission eingerichtet wurde, öffentlich vorgeschlagen. In dem Bericht der Welt vom 30.8.2014 dazu heißt es auch: „Laut einem Gutachten des Bundesrechnungshofs rechnen sich diese Vorhaben aber nicht: Bei fünf der sechs bereits in öffentlich-privater Partnerschaft gebauten Autobahnen habe sich gezeigt, dass sie um insgesamt über 1,9 Milliarden Euro teurer sind, als es eine konventionelle Realisierung gewesen wäre.“
P.S.
Stellungnahme eines MdB zum „großen Autobahnraub“, in der unter anderem klar gestellt wird, dass die Pläne der Regierung auf einem Zwischenbericht der „Experten“-Kommission beruhen.
Wie die Autobahnräuber der Fratzscher-Kommission die eigenen Lügen entlarven
Schlagwörter: Fratzscher-Kommission, Infrastrukturfinanzierung, Allianz, Ergo, Lobbyismus, ÖPP, Privatkapital