Ulrich Kriese.* Vermögende und die Immobilienlobby sind gegen eine Grundsteuer auf Basis realitätsnaher Immobilienwerte. Ihrer Ansicht nach würde damit eine verkappte, heimliche Vermögensteuer etabliert, die auf breiter Front zu nichts als Umverteilung führe. Bei der Neuregelung der Grundsteuer auf Bundesebene im Jahr 2019 scheiterten sie zwar mit ihrer Maximalforderung nach einer reinen Flächensteuer. Doch ihr Narrativ verfing, bis hinein in sozialdemokratische Kreise.
Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) machte es den Großen recht und wog alle anderen in Sicherheit. Er vor dem Deutschen Bundestag:
„Wir etablieren also sehr praktische Verfahren, die sicherstellen, dass sich die großen Wertsteigerungen der letzten Jahrzehnte nicht in der Grundsteuer niederschlagen und es ungefähr so bleiben wird, wie es heute der Fall ist.“
Sein Kniff: gemeindeweite Durchschnittsmieten und klein gerechnete Bodenwerte als nivellierende Faktoren. Eigentümer und Mieter in Stadtzentren, Villenvierteln und anderen Gunstlagen können sich entspannt zurücklehnen. Sorgen machen müssen sich armutsgefährdete Großmütter und andere Haushalte in eher unattraktiver Lage.
Gemessen an den wirklichen, vergleichsweise niedrigen Werten ihrer Grundstücke und Wohnungen zahlen sie ab 2025 eine zu hohe Grundsteuer. Was man anderen erspart, stellt man ihnen in Rechnung. Ob das Bundesverfassungsgericht diese Unwucht im System und Umverteilung zugunsten der Privilegierten gutheißen wird, darf bezweifelt werden.
Grundsteuer ist keine Vermögensteuer
Systematisch liegen zwischen einer Vermögensteuer und einer Grundsteuer Welten. Im Unterschied zur Ersteren ist Letztere von allen zu leisten. Es zählt nicht subjektive, sondern objektive Leistungsfähigkeit. Freibeträge und Belastungen können bei einer Vermögensteuer geltend gemacht werden, bei einer Grundsteuer nicht.
Dementsprechend niedrig fällt sie aus: Pro Jahr im Allgemeinen werden um die ein bis zwei Promille vom Verkehrswert des Grundstücks fällig – der Bruchteil eines üblichen Vermögensteuersatzes. Verläuft die Besteuerung entlang aktueller Grundstückswerte, ist sichergestellt, dass die Vermögensverteilung unangetastet bleibt.
Mit dem Hebesatz regulieren die Gemeinden, dass die Belastung im Promillebereich gehalten wird. Härtefallregeln sorgen dafür, dass wegen einer im Ausnahmefall nicht leistbaren Grundsteuer niemand sein Dach über dem Kopf verliert.
Das heißt: Nicht die Grundsteuer als solche, sondern die Grundsteuer nach Art des Hauses Scholz wird sich für so manchen kleinen Hausbesitzer als verkappte Vermögensteuer entpuppen. Das gilt auch für die ebenfalls regressiv wirkenden Flächensteuern, wie sie einzelne Bundesländer einführen wollen: Bayern in Reinform und Hessen, Niedersachsen und Hamburg mit Adaptionen, die vor allem der politischen Folklore dienen und von der Ungerechtigkeit des Leitprinzips, Besteuerung nach Flächengrößen, ablenken sollen.
Wie es besser geht, zeigt Baden-Württemberg. Dort wird die Grundsteuer künftig allein am Bodenwert bemessen, was Verteilungsneutralität gewährleistet. Auch hier wird die Grundsteuer bei circa einem bis zwei Promille vom Verkehrswert des Grundstücks liegen. Von Enteignung und Umverteilung kann also keine Rede sein.
Hinzu kommt: Bodenwerte entstehen nicht aus eigener Leistung, sondern aus öffentlichen und gemeinschaftlichen Anstrengungen. Da eine Vermögensteuer sinnvollerweise nur auf privat geschaffenes Vermögen abzielt, ist speziell eine Bodenwertsteuer definitiv von anderer Natur als eine Vermögensteuer.
Baulandmobilisierung light
Nach monatelangem Streit innerhalb der Regierungskoalition hat der Deutsche Bundestag vor einigen Wochen gegen die Stimmen der Opposition das Baulandmobilisierungsgesetz. CDU/CSU und SPD sprachen von einem Erfolg für den Wohnungsbau.
Doch bei genauerem Hinsehen handelt es sich um einen Erfolg der Grundeigentümerlobby und damit auch der Union über die Sozialdemokraten. Das entspricht allerdings ganz der Koalitionsvereinbarung vom März 2018, wonach Eigentumsrechte nicht angetastet werden sollten.
Immerhin steht die SPD – kurz nach ihrem Berliner Mietendeckel-Desaster in großen Nöten – nicht vollkommen nackt da. Ihr Hauptanliegen, die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen stärker zu regulieren, hat sie durchbekommen, allerdings nur in einer von der Union stark verwässerten und auf weniger als fünf Jahre befristeten Form.
So ist das Gesetz alles andere als ein großer Wurf. Es ist ein ehrliches Abbild der Kräfteverhältnisse innerhalb der Großen Koalition und eben ihrer inhaltlichen Ausgezehrtheit.
Die allermeisten der beschlossenen Neuerungen, etwa beim gemeindlichen Vorkaufsrecht oder zur Erweiterung des Spielraums in der kommunalen Bauleitplanung, sind bestenfalls halbherzig. Sie werden zur innerörtlichen Baulandmobilisierung nicht viel beitragen. Aber als Stichwortlieferant für den bevorstehenden Wahlkampf genügt das Gesetz allemal.
Da spielt es denn auch keine Rolle, dass etliche der neuen Maßgaben unter dem Vorbehalt stehen, dass ein Bundesland erst einmal Gebiete mit einem angespannten Wohnungsmarkt bestimmen muss und dass diese Maßgaben dann auch nur in diesen Gebieten gelten und außerdem auf wenige Jahre befristet sind.
Jedoch irritiert regelrecht, dass das Baulandmobilisierungsgesetz auch die weitere Demobilisierung von Bauland unterstützt: Das von Gemeinden zwar selten ausgesprochene, aber im Einzelfall durchaus sinnvolle Instrument des Baugebots wurde nämlich verwässert. Künftig ist die innerfamiliäre, wenn man so will spekulative Vorratshaltung von Grundstücken von einem möglichen Baugebot ausdrücklich ausgenommen.
Viele Argumente sprechen gegen Bodenversiegelung
Union und SPD haben mit ihrem Gesetz eine weitere Chance verpasst, der gemeindlichen Innenentwicklung, also der effizienten Nutzung vorhandener Bauflächen und Baurechte einen ordentlichen Schub zu verpassen. Umso auffallender ihr Engagement für die Baulandmobilisierung auf der grünen Wiese. Bis Ende 2024 dürfen die Kommunen jetzt neue Wohngebiete bis zu einer Größe von jeweils rund drei Hektar ganz ohne Bürgerbeteiligung, Umweltprüfung und Naturschutzmaßnahmen ausweisen.
Dabei spricht so ziemlich alles gegen eine weitere Bodenversiegelung und Zersiedlung der Landschaft: je mehr Einfamilienhausgebiete, desto weniger Leben in den Ortskernen, desto höher die kommunalen Infrastrukturkosten, desto mehr Verkehr und damit einhergehende Emissionen, desto größer die Schäden für Umwelt und Natur.
Die Böden sind nach den Ozeanen und noch vor der Vegetation die größten Speicher für Kohlendioxid. Je weniger lebendige Böden und intakte Landschaften wir künftigen Generationen hinterlassen, umso geringer sind deren Handlungsspielräume.
Die unsägliche Debatte über angebliche Einfamilienhausverbote hat gezeigt, wie schwierig es in Deutschland ist, über die Frage nachhaltiger Bau- und Siedlungsformen sachlich zu diskutieren. Wenn jedoch die Politik Klimaschutz und Nachhaltigkeit wirklich ernst nimmt, muss sie das ebenso ändern, wie sie die Sozialpflichtigkeit des Grundeigentums neu justieren muss.
Mehr Wettbewerb tut not
Wer ein Auto kaufen möchte, kann sich niederschwellig und umfassend über Eigenschaften, Preise und Anbieter der zur Auswahl stehenden Produkte informieren und auch leicht Vergleiche anstellen. Der Automarkt ist transparent, der Wettbewerb funktioniert.
Dagegen ist der Grundstücksmarkt ein Paradebeispiel für einen höchst unvollkommenen Markt: Gehandelt werden nicht Massengüter, sondern im Prinzip Unikate – standortgebundene, heterogene Güter – mit hoher Kapitalbindung, geringer Liquidierbarkeit und geringer Ersetzbarkeit. Diese Eigenschaften liegen in der Natur der Sache, ließen sich aber durch einen höheren Standardisierungsgrad, etwa mittels Modulbauweise, zumindest teilweise ändern.
Anders als auf dem klassischen Konsumgütermarkt ist das Angebot auf dem Grundstücksmarkt zudem wenig elastisch, das heißt, es reagiert sehr träge auf Nachfrageschwankungen. Vielerorts trifft das Angebot auf eine hohe Nachfragekonkurrenz.
Auch mangelt es an Transparenz, die Informationsbeschaffung ist aufwendig, oft verbleiben Informationslücken. Und die Transaktionskosten sind sehr hoch. Die Folge von alldem: hohe Preise und Mieten.
Der vermeintliche Königsweg zur Preissenkung lautet: „Bauen, bauen, bauen!“ Doch weil hauptsächlich im oberen Preissegment gebaut wird, nützt das erst einmal nur den Glücklichen, denen hohe Preise nichts ausmachen. Eine umfassende Transparenzoffensive und eine deutliche Senkung der Kaufnebenkosten würden dagegen allen nützen.
Eine Transparenzoffensive sollte das Grundbuch nach Schweizer Vorbild öffentlich einsehbar machen. In einem Transparenzregister sollten zudem die wirtschaftlich Berechtigten aller Unternehmen, die mit Immobilien handeln, offengelegt und sämtliche Kaufvorgänge und Kaufpreise publiziert werden. Das wäre eine kleine Revolution – aber jede Wette, dass sie zu mehr Wettbewerb und sinkenden Preisen und Mieten führen würde.
Die Kaufnebenkosten könnten schnell spürbar gesenkt werden, indem die heute vom Kaufpreis abhängige Notargebühr in eine fixe Gebühr für Standardverträge umgewandelt wird, ergänzt um Zuschläge für besonders komplexe Verträge.
Würde das für Vermietungen geltende Bestellerprinzip auf Verkäufe übertragen, würde das die Nebenkosten ebenfalls dämpfen. Außerdem sollten die Länder ein Opfer bringen, indem sie die Grunderwerbsteuer abschaffen und so Grundstücksgeschäfte um rund 16 Milliarden Euro pro Jahr vergünstigen.
Im Gegenzug sollten sie die Grundsteuer, die den Kommunen rund 14 Milliarden Euro pro Jahr beschert, nach dem Vorbild von Baden-Württemberg zu einer reinen Bodenwertsteuer machen. Das würde den gesamten Gebäudebestand und bauliche Investitionen steuerfrei stellen. Das Liegenlassen von Bauland und die Spekulation mit Baurechten würden gleichzeitig unattraktiver. Sind niedrigere Preise und Mieten das Ziel, ist das der Weg.
*Ulrich Kriese ist Sprecher für Bau- und Siedlungspolitik des Naturschutzbundes und Mitbegründer der Reforminitiative „Grundsteuer: Zeitgemäß!“.