Lorenz Jarass.* Unter Cum-Ex-Betrug versteht man, das Sich-erstatten-Lassen von gar nicht gezahlter Kapitalertragsteuer vom Fiskus. Seit 2007 wurde immer wieder gesetzlich versucht, Cum-Ex-Betrug zu verhindern, aber es war wie beim Kampf gegen die Hydra: Schlug man einen Kopf ab, wuchsen zwei neue nach.
Die Bundesregierung hat nun Mitte März den Entwurf für ein „Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetz“ (AbzStEntModG) vorgelegt, das diesen Betrug endgültig verhindern soll. Auf über einhundert eng bedruckten Seiten werden den Finanzinstituten viele zusätzlichen Meldepflichten auferlegt, die verwaltungsaufwendig sind und deren Einhaltung zudem in der Praxis nicht ausreichend geprüft werden kann.
Für diese Meldungen sollen die Finanzinstitute neuerdings vollumfänglich haften, obwohl sie laut einer gemeinsamen Stellungnahme großer deutscher Unternehmensverbände in vielen Fällen nicht rechtssicher zu erfüllen sind. Stattdessen wird in der Stellungnahme ein elektronisches Meldeverfahren für die Steuerbescheinigungen vorgeschlagen.
Es braucht einen Abgleich aller Erstattungsbeträge
In der Tat kann Cum-Ex-Betrug durch ein elektronisches Meldeverfahren für die Steuerbescheinigungen einfach verhindert werden, nämlich durch einen datenbankgestützten Abgleich aller Erstattungsanträge mit korrespondierenden Kapitalertragsteuerzahlungen. Dieser Abgleich wird durch den Gesetzentwurf aber nicht ermöglicht, Cum-Ex-Betrug wird deshalb durch den Gesetzentwurf nicht verhindert.
Cum-Ex-Betrug war bisher möglich, weil Finanzinstitute Kapitalertragsteuer-Bescheinigungen ausgestellt haben, ohne dass sie die bescheinigte Kapitalertragsteuer tatsächlich gezahlt haben. Zukünftig sollte nur noch das Bundeszentralamt für Steuern eine Bescheinigung über gezahlte Kapitalertragsteuer mit Ordnungsnummer ausstellen, und zwar nur, nachdem das Finanzinstitut die Kapitalertragsteuer an das Bundeszentralamt für Steuern überwiesen hat mit detaillierten Angaben zum Steuerpflichtigen (Namen, Adresse, Steuernummer, zuständigem Finanzamt etc.).
Diese Bescheinigung kann der Steuerpflichtige seiner Steuererklärung beifügen. Das zuständige Finanzamt kann dann automatisiert beim Bundeszentralamt für Steuern abfragen, ob die Bescheinigung gültig ist und ob sie ggf. schon einmal genutzt worden ist. Durch die strikt personenbezogene Bescheinigung kann die Nutzung durch Dritte gesichert verhindert werden.
Durch einen derartigen Abgleich von Erstattungsanträgen mit den tatsächlichen Steuerzahlungen könnten unrechtmäßige Kapitalertragsteuererstattungen zuverlässig und einfach verhindert werden. Die im Gesetzentwurf der Bundesregierung vorgesehenen zusätzlichen Melde- und Haftungspflichten wären dann nicht erforderlich. Der Hydra könnten dann keine Köpfe mehr nachwachsen.
Lorenz Jarass* ist Ökonom und Systemanalytiker. Er arbeitet vor allem auf den Gebieten Steuern und Stromversorgung.