16. 02. 2016 | Erst sagt der Chef der Deutschen Bank das Ende des Bargelds voraus. Kurz darauf bringen erst die SPD und dann die Regierung Bargeldbegrenzungen ins Spiel. Dann steht in den Zeitungen, dass die EZB auf Betreiben Mario Draghis, die 500-Euro-Banknote abschafft. Und einen Tag später kommt der ehemalige US-Finanzminister Larry Summers mit der Forderung, die 100-Dollar-Note abzuschaffen. Das alles ist Teil einer Verschwörung gegen das Bargeld.
Für alle, die sich vom Unwort Verschwörungstheorie einschüchtern lassen, kann man es auch eine abgestimmte Kampagne nennen. Das denke ich mir keineswegs im Nachhinein aus. Als ich vor sieben Monaten anfing, an dem Buch „Die Abschaffung des Bargelds und die Folgen zu schreiben“, das demnächst (11.3.) bei Quadriga erscheint, wusste ich, dass diese Kampagne bald Deutschland erreichen würde. Sonst hätte ich mir die Mühe nicht gemacht. Es war nämlich damals schon erkennbar, dass der Kampf gegen das Bargeld von Finanzinstituten und Politik zielgerichtet in der Peripherie Europas und der USA begonnen wurde und dann allmählich auf den Kern ausgedehnt würde, wo der Widerstand anfangs noch zu groß war. Es war auch absehbar, dass das, was damals mit akademischen Diskussionen, Konferenzen und Meinungsbeiträgen vorbereitet wurde, bald überall in praktische Politik übersetzt würde.
Warum spreche ich von einer Verschwörung. Schauen wir in Wikipedia nach:
„Eine Verschwörung ist ein heimliches Bündnis mehrerer Personen mit dem Zweck, einen Plan auszuführen; dieser kann ein selbstsüchtiges, verwerfliches Ziel haben und den Schaden anderer einschließen, aber auch die Beseitigung tatsächlicher oder vermeintlicher Missstände umfassen. Eine Verschwörung beruht also nicht notwendigerweise auf moralisch niederen Motiven.“
Wie ich hier, weil es zu weit führt und mein Buch spoilert, nicht näher ausführen kann, ist Mario Draghi ein wichtiger Player in der abgestimmten Kampagne, aka Verschwörung, zur Zurückdrängung oder Abschaffung des Bargelds. Er unterschreibt die Banknoten, die wir nutzen mit seinem Namen und lässt sich Euro-Hüter nennen, und tut dennoch nichts dagegen, dass größere Barzahlungen immer öfter verboten werden, obwohl das eklatant gegen den EU-Vertrag verstößt und obwohl er es verhindern könnte. Er zieht sogar im Hintergrund die Fäden.
Was aber hat Draghi mit Summers zu tun, der als Erster aus der globalen A-Prominenz 2011 die Abschaffung des Bargelds forderte? Oder mit Ken Rogoff, dem ehemaligen Chefvolkswirt des Internationalen Währungsfonds (IWF), der sich seit einigen Jahren als akademische Speerspitze der Forderungen nach Bargeldabschaffung betätigt? Einiges.
Alle drei sind Mitglied in der exklusiven Group of 30, einer Gruppe, in der die wichtigsten Notenbanker sich hinter verschlossenen Türen mit hochrangigen Vertretern der großen internationalen Finanzinstitutionen über Politikoptionen austauschen.
Alle drei sind eifrige Teilnehmer der ebenso konspirativen aber weniger exklusiven Bilderberg-Konferenzen.
Alle drei sind oder waren mit der Harvard Universität verbunden.
Alle drei haben zu sich überschneidenden Zeiten am Massachussetts Institute of Technology Ökonomie studiert.
Alle drei hatten Funktionen bei den Internationalen Finanzinstitutionen in Washington, IWF und Weltbank, inne.
Das sind nur die sichtbarsten Verbindungen. Betrachtet man diese Triade als Haupt-Knotenpunkte im Zentrum des Anti-Bargeld-Netzwerks und die G30 als Steuerungszentrale der Kampagne, so fügt sich alles sehr schön zusammen. Fast alle, die sich in den ersten Jahren der Kampagne als herausragende Propagandisten oder als Vollstrecker der Anti-Bargeld-Kampagne betätigten – indem sie zum Beispiel als nationale Finanzminister Verbote großer Bargeldzahlungen erließen – haben engste Verbindungen zur G30, zu Summers und Draghi, zu IWF oder Weltbank, Harvard, der EZB oder den eifrigsten Bilderbergern in der EU-Kommission.(Ihre Namen und die Verbindungen sind in meinem Buch aufgeführt.)
Viele dieser Maßnahmen, und viele informelle Bargeldbeschränkungen, die ebenfalls zu dieser Kampagne gehören, fanden zu einer Zeit statt, als nur einzelne Beteiligte, vor allem Summers, ihre Intentionen offen erklärt hatten, und dies dem unbefangenen Beobachter wie eine wenig relevante Privatmeinung erscheinen musste. Deshalb ist die Verheimlichung der Absprachen gegeben und der Begriff Verschwörung angemessen.
Die Bargeldverbote für größere Zahlungen, die ohne viel Aufhebens unter Krisenbedingungen von Abgesandten der Weltbank, der EZB und der EU-Kommission in der europäischen Peripherie eingeführt wurden, müssen nun in Deutschland als Begründung dafür herhalten, dass wir so etwas auch brauchen und dass das etwas ganz Normales ist. (Die Tatsache, dass damit absurder Weise per Gesetz die Nutzung des gesetzlichen Zahlungsmittel verboten wird, bleibt dabei natürlich unerwähnt.)
Summers greift in seinem aktuellen Beitrag für die Washington Post eine Argumentation auf, mit der ein anderes wichtiges aber nicht so bekanntes G-30-Mitglied bereits 2007 die Abschaffung des Bargelds gefordert hat, der spanische Banker und Politiker Guillermo de la Dehesa. In seinem Beitrag (auf Spanisch) machte dieser das Bargeld ernsthaft und ausdrücklich für alle Verbrechen und alle Gewalt auf dieser Welt verantwortlich und verhieß uns das gewaltfrei Paradies, wenn wir Bargeld abschaffen würden. Summers ist etwas zurückhalteder, aber nur etwas. Er schreibt (meine Übersetzung):
“Dies sind schwierige Zeiten für Europa, mit einer Flüchtlingskrise, Wirtschaftsschwäche, Sicherheitsproblemen und dem Aufstieg populistischer Bewegungen. Es gibt Grenzen dafür, was sie (die Abschaffung großer Scheine) bewirken kann. Aber es ist ein Schritt, der einen globalen Beitrag leistet, bei minimalen Auswirkungen auf den legitimen Handel und die Staatshaushalte.“
Wie bitte? Abschaffung großer Scheine hilft gegen Flüchtlingskrise und populistische Bewegungen! Interessant. Summers beruft sich auf ein frisches Arbeitspapier von einem Kollegen an der von Summers geleiteten Fakultät der Universität Harvard, das zufällig genau rechtzeitig für diese neue Runde der Kampagne fertiggestellt und veröffentlicht wurde. Mit dessen kruden, wissenschaftlich nur notdürftig verbrämten Propagandathesen wollen wir uns separat ein andermal beschäftigen.
Hier sei zum Abschluss nur daran erinnert, was mir der dritte des Anti-Bargeld-Triumvirats, Ken Rogoff, im Interview vor sieben Monaten mitteilte. Er gab mir auf meinen Einwand hin Recht, ohne anständiges Bargeld hätten die Bürger ja nur noch das konkursgefährdete Bankengeld zur Verfügung. Deshalb müsse erst eine gleichwertige Alternative geboten werden. Dazu gehöre die Insolvenzsicherheit, die bei den heutigen Bargeldalternativen nicht gegeben ist. Deshalb, so Rogoff, müsse der Staat erst Lösungen finden, wie etwa das Recht für jeden, ein Konto bei der Notenbank zu führen, oder aber eine staatlich garantierte Bank, die nur im Zahlungsverkehr und den unmittelbar damit zusammenhängenden Bankdienstleistungen tätig ist.
Das klingt alles sehr gut. Aber wann haben Sie den G-30- und Harvard-Mann Rogoff außerhalb dieses Interviews, oder den G30- und Harvard-Mann Summers, oder den G30- und Harvard-Mann Draghi oder einen der anderen Anti-Bargeld-Aktivisten das Wort für Jedermannkonten bei der Zentralbank oder für eine staatlich garantierte Einlagenbank führen hören? Die denken nicht im Traum daran, diese Alternative zu schaffen, bevor sie das Bargeld abschaffen und auch nicht danach. Das wäre ja auch sinnwidrig. Denn Zweck der Übung ist es, unser Geld bei den Banken einzusperren. Dafür zu sorgen, dass wir es nicht mehr in Form von Bargeld abziehen können. Wenn wir es auf Konten bei der Zentralbank oder einer staatlich garantierten Bank überweisen könnten, würde es ja massenhaft das insolvenzgefährdete private Bankensystem verlassen.
P.S. Ken Rogoff darf als Ökonom ehrlicher sein, was die wahren Absichten angeht. In diesem Video vom Milliardärsstelldichein in Davos sagt er, dass man die großen Banknoten abschaffen müssen, um die Leitzinsen negativ machen zu können. Die Milliardäre und die Finanzbranche hören so etwas gern, denn sie halten die Wertpapiere und Immobilien, die durch eine solche Politik im Wert nach oben getrieben werden. Ich danke Lars Schall für den Hinweis.
Das totalitäre Gedankengut hinter der Summers-Draghi-Verschwörung (2): Die Sands-„Studie“
„Die Abschaffung des Bargelds und die Folgen: Der Weg in die totale Kontrolle“ erscheint am 11. Mär und ist vorbestellbar.