Das Versprechen von Muahammad Yunus und der Mikrokreditlobbyisten lautete, die Armut dadurch zu beseitigen, dass man Menschen die sich selbständig machen wollen, oder die schon ein kleines Geschäft haben, auf nachhaltige Weise kleine Kredite gibt. Nachhaltig bedeutet in diesem Zusammenhang nicht-subventioniert und gewinnträchtig. Später wurde das in Finanzielle Inklusion umbenannt. Das ist ein Begriff, der übrigens gern auch als Tarnbegriff für Bargeldbeseitigung verwendet wird, insbesondere von der in New York ansässigen Better Than Cash Alliance. Diese hat das erklärte Ziel, Bargeld international zurückzudrängen und zählt die Bundesregierung zu ihren Hauptgeldgebern.
Die vollmundig versprochene Beseitigung der Armut auf der Welt trat nicht ein. Stattdessen bereitete Yunus zusammen mit der Weltbank und anderen den Boden für ein in weiten Teilen mafiöses Geschäftsmodell, bei dem armen Menschen massenhaft Kredite zu hohen Zinsen aufgedrängt wurden, die sie sich nicht leisten konnten.
Helmut Pojunke, damals Geschäftsführer des westdeutschen Förderkreises von Oikocredit und heute hochrangiger Mitarbeiter von Oikocredit International, widersprach mir ausführlich, mit Argumenten und Behauptungen, die mich nicht überzeugten, wie man nachlesen kann.
Auch wenn seine Einwände damals ausdrücklich als persönliche Meinung gekennzeichnet waren, nicht als Stellungnahme von Oikocredit, so ist doch bemerkenswert, dass Oikocredit nun in den Niederlanden eine Untersuchung der Aufsichtsbehörde NKS wegen mutmaßlich räuberischer Geschäftspraktiken seiner Partner in Kambodscha am Hals hat.
Ausgangspunkt ist eine Beschwerde verschiedener Entwicklungs- und Menschenrechtsorgansationen von Dezember 2022 über Oikocredit bei der Nationalen Kontaktstelle für die OECD-Leitsätze bei Finanzierungen an Mikrokreditinstitutionen (NKS) der niederländischen Regierung. Zuvor hatte eine vom deutschen Entwicklungshilfeministerium (BMZ) geförderte Studie das Problem der weitverbreiteten Überschuldung in Kambodscha durch fragwürdige Praktiken von Mikrokreditgebern bestätigt.
Das BMZ ist pikanterweise auch das Ministerium, das die Better Than Cash Alliance mitfinanziert, die unter dem Codewort finanzielle Inklusion genau diese Mikrokredite zur angeblichen Armutsbekämpfung befördert, um Menschen an den formellen Finanzsektor anzuschließen und Bargeld zurückzudrängen. Nachdem die Auswüchse der Mikrokredit-Mafia ab etwa 2011 zunehmend ein größeres Thema wurden, schwenkte die Allianz schönfärberisch um auf die Sprachregelung, dass sie „verantwortliche“ Mikrofinanz propagiere.
Ein Bericht der Nachrichtenagentur Bloomberg von Mai 2022 unter dem vielsagenden (übersetzten) Titel „Das Große Geld hinter winzigen Krediten, die zu Verschuldung, Verzweiflung und sogar Selbstmord führen“ bestätigte ebenfalls den Vorwurf weit verbreiteter räuberischer Mikrokreditvergabe in Kambodscha.
Wie die Tageszeitung Junge Welt berichtet, habe die NKS in einem ersten Bericht Oikocredit ein schlechtes Zeugnis ausgestellt, mehr Transparenz über die Auswahl einheimischer Partnerfirmen gefordert und Oicocredit aufgefordert, alle seit 2017 über die in der Kritik stehenden kambodschanischen Partnerfirmen Prasac, LOLC und Amret gemachten Profite in einen Entschädigungsfonds einzubringen. Es geht dabei um überschuldungsbedingte Selbstmorde und erzwungene Landverkäufe.
Oicocredit International hat die Aufnahme einer Untersuchung durch NKS in einer Stellungnahme begrüßt und widerspricht darin den Anschuldigungen – wie ich finde – etwas halbherzig:
„Mikrofinanz hat in Kambodscha für Millionen Menschen positive Wirkung erzielt. Gleichzeitig steht der Sektor vor großen Herausforderungen wie hohen Sättigungsraten, einem großen informellen Sektor nicht regulierter Finanzakteure sowie einer unzureichenden Ahndung von Regulierungsverstößen. Oikocredit beobachtet die Marktentwicklung schon lange aufmerksam und hat früh auf Probleme reagiert. So hat die Genossenschaft beispielsweise Überschuldungsstudien initiiert und finanziert, nationale Kreditvergaberichtlinien entwickelt sowie Maßnahmen zur Institutionalisierung von Kundenschutz mit ihren Partnerorganisationen umgesetzt. Die soziale Wirkung steht für Oikocredit immer an erster Stelle.“
Oikocredit hat am 1. März ein neues Anlagemodell in Deutschland eingeführt. Damit investieren nicht mehr nur Genossenschaftsmitglieder, sondern beliebige Privatpersonen und Organisationen in die internationale Genossenschaft Oikocredit. Ziel soll es nach Selbstauskunft sein „durch die Bereitstellung von Finanzierungen und Unterstützungsleistungen Menschen im Globalen Süden eine positive Entwicklung zu ermöglichen.“
Fazit
Das deutsche Entwicklungshilfeministerium und andere Organisationen sollten angesichts der trotz aller Besserungsversprechen in der Mikrofinanzszene in großem Maßstab angewandten räuberischen Geschäftsmodelle dringend ihre naive Propaganda für die finanzielle Inklusion und ihre Förderung solcher Geschäfte überdenken – und natürlich die Förderung der Better Than Cash Alliance gleich mit. Die wissenschaftlichen „Belege“ für Erfolge beziehen sich fast nur auf positive Wirkungen auf Einzelne. Bei Belegen für positive Wirkungen auf gesellschaftlicher Ebene herrscht Ebbe. Das widerspricht sich nicht, weil zum Beispiel ein mit einem Mikrokredit ermöglichter zusätzlicher Marktstand leicht einer anderen Kleinstunternehmerin Geschäft wegnehmen kann, wenn sich die Nachfrage nicht gleichzeitig ausweitet.