17. 08. 2020 | Die Bäckereikette Kamps hat die Mehrwertsteuersenkung im Juli zu einer Aktion gegen Barzahler genutzt. Wer bar bezahlt bekommt die Mehrwertsteuersenkung nicht weitergereicht und zahlt den alten Preis. Wer mit Karte oder kontaktlos bezahlt, bekommt Rabatt. Sogar die komplette Bargeldverweigerung in Gaststätten breitet sich bis in die Provinz aus.
In Ulm, einer Universitätsstadt in der schwäbischen Provinz mit einem besonders hohen Kirchturm, ist ein großes trendiges Bio-Cafe in der Innenstadt dazu übergegangen, die Annahme von Bargeld zu verweigern und macht sich damit freiwillig zum Büttel von Visa, Mastercard und anderen Finanzdaten-Sammelstellen. Auf Anfrage hieß es von der Geschäftsführung man erhalte in Zusammenhang mit dem Übergang zur Bargeldlosigkeit keinerlei Zuschüsse oder sonstige Vergütungen vor irgendwo her. „Wir zahlen sogar für jede Buchung. Dennoch scheint uns dies der einzig logische und konsequente Weg in die uns Allen bevorstehende Zukunft.“
Die Anfrage hatte ihren Grund, denn Visa hatte ein entsprechendes Zuschussprogramm für Gaststätten in den USA aufgelegt und angekündigt, man wolle das auch auf Europa ausweiten.
Visa bezahlt Restaurants dafür, Bargeldannahme zu verweigern
Auf jeden Fall aber brachte der Tabubruch, wie meist in diesen Fällen, kostenlose Publicity für das Cafe, in diesem Fall von der regionalen Südwestpresse, die einen lobhudlerischen Artikel darüber brachte. Zwar heißt es darin unter anderem, die Kunden nähmen das gut an. Aber so sehr darauf verlassen will man sich nicht, dass man die Bargeldverweigerung auf der Startseite des Internetauftritts mitteilen würde. Dort erfährt man zwar über kostenloses W-Lan und vieles mehr, aber nicht, dass man als Barzahler nicht erwünscht ist und besser woanders hingeht. Dafür muss man schon unter „Neues“ nach unten scrollen. Oder man muss schon vor Ort sein, um es an der Tür zu erfahren.
Die Argumente sind zum Teil hanebüchen. Mein Favorit: „Es ist logisch, transparent (bon-Pflicht) und konsequent.“ Oder: „Auch wenn nicht erwiesen ist, dass sich Covid-Viren auf Geldscheinen und -Münzen festsetzten können, bleibt eine Zahlung mit Karte sehr viel hygienischer, weil Bargeld generell voller Bakterien ist.“ Man könnte auch sagen, es ist weitgehend erwiesen, dass Viren sich nicht über Bargeld verbreiten. Und alles, was Menschen anfassen, ist voller Bakterien, nicht zuletzt Kartenterminals, Kugelschreiber und Pin-Pads. Auch umweltfreundlicher soll digitales Bezahlen sein: „weniger Papierverbrauch, weniger Wege“.
Innovationsrabatt von Kamps
Kamps nennt seine Aktion zur Schröpfung von Barzahlern „Innovationsrabatt“. Überhaupt ist der Kettenbäcker sehr kreativ (im Sinne von dreist und unehrlich) wenn es darum geht, diese kundenfeindliche Maßnahme als einen Fortschritt zu verkaufen. Im Juli sank der reguläre Mehrwertsteuersatz von 19 auf 16 Prozent und der ermäßigte von sieben auf fünf Prozent. Die Händler sollten nach den Vorstellungen der Bundesregierung diese Preissenkung an die Kundinnen und Kunden weitergeben, was auch recht einfach wäre, nämlich z.B. so: „Händler und Dienstleister können zum Beispiel pauschale Rabatte an der Kasse gewähren, ohne die Preisauszeichnung für den Zeitraum von einem halben Jahr ändern zu müssen.“ Bei Kamps bekommen aber nur Kartenzahler einen Rabatt von drei Prozent. Von den Barzahlern verlangt man einen erhöhten Nettopreis.
In der Pressemitteilung dazu heißt es:
„Mit dem Rabatt möchte Kamps allen Kunden „Danke“ sagen, die während der Corona-Krise den Kamps Bäckereien treu geblieben sind, und mit Geduld die Einschränkungen im Tagesgeschäft mitgetragen haben. … Eine Ausdehnung des Rabatts auch auf Bargeldzahlungen würde zu unverhältnismäßig hohen Kosten in der Bargeldver- und entsorgung führen und ist daher nicht möglich.
Man sagt danke, indem man auf eine Preiserhöhung verzichtet, und zwar angeblich allen Kunden, die die Treue gehalten haben. Aber die sehr vielen treuen barzahlenden Kunden schließt man trotzdem aus. Denn ihnen die Mehrwertsteuersenkung weiterzugeben, ist „nicht möglich“. Weiterhin das zu tun, was man schon immer tut und was alle anderen auch tun, Bargeld anzunehmen, ist „nicht möglich“. Wie viele Lügen man doch in zwei Sätzen unterbringen kann.
Der Innovations-Rabatt sei Bestandteil der Digitalisierungsinitiative, die Kamps zu Beginn des Jahres gestartet habe, heißt es. Mag sein, dass es diese Initiative gab. Zu finden ist dazu im Internet nichts. Es sieht viel eher danach aus, dass die Kette einfach die Mehrwertsteuersenkung genutzt hat, um ihre barzahlenden Kunden abzuzocken und das mit Digitalisierungs- und Modernisierungsklimbim verbrämt.
Zum Glück muss niemand bei Kamps kaufen. Falls Sie das auch so sehen, und künftig dort nicht mehr kaufen wollen, teilen Sie den Damen und Herren gern den Grund mit. Hier ist ein E-Mail-Formular.
Politisch gewünschte Barzahlerdiskriminierung
Solche Aktionen kommen nicht von ungefähr, sondern sind politisch gewollt. Es war einmal, da bekam man fürs Barzahlen Rabatt oder Kartenzahler mussten wegen der Zusatzkosten für die Händler einen Aufschlag bezahlen. Aber die EU-Kommission, die an vorderster Front im unerklärten, heimlichen Krieg gegen das Bargeld kämpft, hat dafür gesorgt, dass das nicht mehr geht. Regierungen und EU-Parlament haben wie üblich mitgemacht. In der Richtlinie 2015/2366 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt wird den Mitgliedstaaten aufgetragen, sicherzustellen, dass Händler keine Aufschläge für Kartenzahlungen erheben dürfen, wenn für die entsprechenden Karten eine Entgeltobergrenze festgelegt wurde. Die Händler und die barzahlenden Kunden werden also verpflichtet, die Kartenkosten zu tragen.
Grund sei die „Notwendigkeit, den Wettbewerb und die Nutzung effizienter Zahlungsinstrumente zu fördern“. Den Wettbewerb fördert es offenkundig nicht, wenn der Staat den Händlern verbietet, Kosten verursachungsgerecht anzulasten. Aber die „Nutzung effizienter Zahlungsinstrumente“ im Sinne der EU-Kommission und der Better Than Cash Alliance wird so natürlich gefördert. Hier ist die Anti-Bargeld-Agenda der EU einmal in einem Gesetzestext offen ausgesprochen. Und Bundesregierung und Bundestag haben zugestimmt und umgesetzt.
In Umsetzung der EU-Richtlinie ist es in Deutschland seit 2018 nach dem neuen §270a des BGB verboten, Gebühren für bargeldlose Zahlungsmittel zu erheben. (Es gibt keine Regel, die es verbietet, von barzahlenden Kunden einen Aufschlag zu verlangen.)
„Eine Vereinbarung, durch die der Schuldner verpflichtet wird, ein Entgelt für die Nutzung einer SEPA-Basislastschrift, einer SEPA-Firmenlastschrift, einer SEPA-Überweisung oder einer Zahlungskarte zu entrichten, ist unwirksam. Satz 1 gilt für die Nutzung von Zahlungskarten nur bei Zahlungsvorgängen mit Verbrauchern, wenn auf diese Kapitel II der Verordnung (EU) 2015/751 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2015 über Interbankenentgelte für kartengebundene Zahlungsvorgänge (ABl. L 123 vom 19.5.2015, S. 1) anwendbar ist.
Laut der Gesetzesbegründung greift das Verbot auch für Fälle, in denen die Gebührenfreiheit durch die Einräumung von Ermäßigungen oder Anreizsystemen für bestimmte Zahlungsmittel umgangen werden soll. Das könnte in strenger Auslegung auch bedeuten, dass Barzahlungsrabatte verboten sind. So scheinen die Gerichte das aber (zumindest bisher) nicht auszulegen.
Wenn ein Politiker demnächst behaupten sollte, niemand wolle dem Bargeld und seinen Nutzern Böses, fragen Sie ihn oder sie gern, was es mit dieser Regelung zur Zwangssubventionierung von Kartengebühren auf sich hat.