Hansjörg-Stützle ist Berater für den Umgang mit Geld. Er betreibt die Netzseite Bargeldverbot.info und hat zusammen mit Hakon von Holst eine Petition zu Erhalt des Bargelds auf den Weg gebracht, die bereits nahezu 200.000 Menschen unterschrieben haben.
2023 kam aus Brüssel ein Verordnungsvorschlag, der vorgibt, die Akzeptanz und Verfügbarkeit dieses einzigen gesetzlichen Zahlungsmittels abzusichern. Doch der Vergleich mit dem parallel dazu vorgestellten Entwurf einer Verordnung zum geplanten digitalen Euro zeigt überdeutlich, dass die Liebe und der Schutz der EU-Kommission nur letzterem gilt, nicht dem Bargeld. Für den digitalen Euro soll es eine sehr strenge, für das Bargeld eine fast gänzlich unverbindliche Annahme-„verpflichtung“ geben. Die Banken könnten weiterhin Geldautomaten abbauen. Geschäfte und sogar amtliche Stellen könnten weiterhin Bargeld durch einfache Erklärung ablehnen.
Das EU-Parlament und der Rat der europäischen Finanzminister haben in den kommenden Monaten die Chance und die Pflicht, im Interesse der Mehrheit der Bürger die Verordnung nachzuschärfen. Mehrere Hundert Abgeordnete erhalten deshalb einen offenen Brief, in dem Stützle die Mängel der Verordnung aufzeigt und im Namen der bereits fast 200.000 Petitenten für einen wirksamen Schutz des Bargelds appelliert. Ich dokumentiere hier den sehr informativen Brief in gekürzter Form. Ausführlich und mit den Quellenhinweisen kann man ihn auf Bargeldverbot.info wahlweise auf Deutsch oder Englisch lesen oder herunterladen:
„Sehr geehrte Damen und Herren,
(…) Sicher liegt Ihnen daran, dass der digitale Euro und das Bargeld den gleichen Schutz erfahren. Nach dem Verordnungsvorschlag der EU-Kommission wäre die Akzeptanz und Verfügbarkeit des digitalen Euros klarer geregelt und besser abgesichert als im Falle des Bargelds. Wie kann es sein, dass das neue und nicht bewährte ergänzende gesetzliche Zahlungsmittel Digital-Euro dem bewährten und EU-verfassungsgemäßen gesetzlichen Zahlungsmittel Bargeld übergeordnet wird? (…)
Der digitale Euro ist ein weiterer Konkurrent für das Bargeld, einem Zahlungsmittel, das schon heute unter Druck steht. Die Finanzwirtschaft bewirbt ihre digitalen Zahlungsangebote mit einem milliardenschweren Marketingbudget. Bargeld besitzt diese Unterstützung nicht. Brisant ist das deshalb, weil die rückläufige Nutzung von Bargeld die Infrastruktur aus Akzeptanzstellen, Geldautomaten und Bankfilialen gefährdet, bis ein Kipppunkt eintritt. In den Niederlanden lehnen bereits 21 Prozent der Apotheken Banknoten und Münzen ab. Es dürfte jedem klar sein, dass die Bargeld-Infrastruktur aufgrund von Kosten-Nutzen-Erwägungen schleichend zerfällt, wenn immer weniger Menschen bar bezahlen. Damit die Wahlfreiheit, mit Bargeld zu bezahlen, erhalten bleibt, bedarf es dem konsequenten gesetzlichen Schutz der Barzahlung:(…)
Artikel 10 der Digitaler-Euro-Verordnung stellt klar, dass der zur Annahme verpflichtete Händler den digitalen Euro nicht generell ablehnen darf (etwa in den AGB oder mit einem Schild an der Ladentür), sondern höchstens in dem Fall, in dem die Zahlungsbedingungen mit dem Kunden individuell ausgehandelt werden. Diese Klarstellung fehlt in der Bargeld-Verordnung und führt zu Rechtsunsicherheit. Handelsketten, die generell kein Bargeld akzeptieren wollen, werden sich auf den Ausnahmetatbestand in Artikel 5 Bargeld-Verordnung berufen, wonach keine Annahmepflicht gilt, wenn sich Kunde und Händler auf ein anderes Zahlungsmittel geeinigt haben. Der Jurist und Ex-Vizepräsident der Deutschen Bundesbank, Prof. Franz-Christoph Zeitler, warnte im Februar 2025, dass Händler somit weiter die Möglichkeit besitzen, Bargeld generell abzulehnen (5). Bargeld drohe zu einem Zahlungsmittel zweiter Klasse zu werden. (.,.)
In den Erwägungsgründen der Bargeld-Verordnung schreibt die EU-Kommission, Zitat: »Kommt ein Mitgliedstaat zu dem Schluss, dass einseitige Ex-ante-Ausschlüsse von Barzahlungen die obligatorische Annahme von Zahlungen in Euro-Banknoten und -Münzen in seinem gesamten Hoheitsgebiet oder in Teilen davon untergraben, so sollte er wirksame und verhältnismäßige Maßnahmen ergreifen, um Abhilfe zu schaffen, etwa durch ein Verbot oder Beschränkungen einseitiger Ex-ante-Ausschlüsse von Barzahlungen in seinem gesamten Hoheitsgebiet oder Teilen davon, beispielsweise in ländlichen Gebieten oder in bestimmten Sektoren, die als wesentlich erachtet werden, etwa Postämter, Supermärkte, Apotheken oder Gesundheitseinrichtungen.« Dieser Passus animiert die nationalen Gesetzgeber geradezu dazu, den Ausschluss der Barzahlung mit einem Schild an der Ladentür lediglich in systemrelevanten Sektoren (Supermärkte, Apotheken) zu verbieten – und auch erst dann, wenn gravierende Probleme bestehen. Das Ziel muss aber sein, dass alle Läden Bargeld akzeptieren. (..)
Es steht außer Frage, dass Behörden mit Bürgerkontakt in Zukunft den digitalen Euro zur Begleichung von Verwaltungsgebühren akzeptieren werden. Beim Bargeld muss jedoch nachgebessert werden: Die Europäische Zentralbank forderte bereits am 13. Oktober 2023, klarzustellen, dass die Bargeld-Verordnung nicht nur Unternehmen, sondern im Grundsatz gleichermaßen staatliche Stellen bindet (6). Dies sollte betont werden, um zu verhindern, dass die Mitgliedstaaten in zu vielen Bereichen den Gebrauch von Bargeld zur Begleichung hoheitlicher Geldschulden ausschließen, zum Beispiel beim Pass-Antrag oder bei der Kfz-Zulassung. (…)
Die Banken müssen ihren Kunden zwingend Zugang zum digitalen Euro gewähren. Die Banken trifft jedoch keinerlei Vorschrift, einen Zugang zu Bargeld über Geldautomaten anzubieten. Die Wege zum nächsten Geldautomat werden immer länger. Das ist ein Anreiz, auf den digitalen Euro umzusteigen und kein Bargeld zu verwenden. Die Bargeld-Verordnung fordert lediglich »hinreichenden Zugang« zu Bargeld ohne jede feste Definition. Setzen Sie sich für eine klare Vorgabe ein, denn die Banken haben eine Verantwortung dafür, dass sich jeder Mensch das Geld zurückholen kann, das er der Bank geliehen hat. 90 Prozent der Bevölkerung sollten innerhalb von zwei Kilometern an Bargeld gelangen, in Städten innerhalb von einem Kilometer. (…) Im Übrigen ist die einmal abgebaute Bankinfrastruktur schwer wiederherzustellen. Die Cash-back-Angebote an der Ladenkasse werden aber enden, sobald der Handel zu wenig Bargeld vereinnahmt (7). (…)
Die Indikatoren für die Akzeptanzüberwachung nach Artikel 7 sollten sicherstellen, dass nicht nur die Akzeptanz im Lebensmittelhandel oder bei Apotheken, sondern genauso bei Behörden, im öffentlichen Nah- und Fernverkehr, in der Gastronomie- und Unterhaltungsbranche, im Hotelgewerbe, bei Tankstellen und auf öffentlichen Parkplätzen im Auge behalten wird. Menschen dürfen nicht von der öffentlichen Teilhabe ausgeschlossen werden.
Discounterketten bieten Kunden Rabatte an, wenn diese eine digitale Kundenkarte auf dem Handy nutzen. Solche Kundenkarten können mit einem Bankkonto verknüpft werden und so direkt als Zahlungsmittel dienen. Der Kunde wird animiert, mit seinen Daten zu bezahlen und der Bequemlichkeit halber auf Bargeld zu verzichten. Preisnachlässe zu Lasten der gesetzlichen Zahlungsmittel gehören vorsorglich verboten. (…)
Sehr geehrte Damen und Herren, wie werden Sie sich für den Schutz des Bargelds und unserer Verbraucherrechte einsetzen, damit auch morgen jeder Mensch über ein physisches Zahlungsmittel verfügt, das kostenfrei ist, die Privatsphäre schützt, eine gute Ausgabenkontrolle ermöglicht und Kindern einen verantwortungsvollen Umgang mit Geld vermittelt?
Mit besten Wünschen
Hansjörg Stützle“
Wer die Petition zur Nachbesserung der EU-Bargeldrichtlinie noch nicht unterschrieben hat, kann das noch tun.