Telepolis-Autor Thomasz Konicz, den ich in meinem vorangegangenen Beitrag „Deutschlands übelsten Schmierfink“ nannte, fragt, ob man Frau Wagenknechts Flüchtlingspolitik nicht kritisieren dürfe, und wenn ja wie. Ich erkläre es ihm und will abschließend wissen, ob er sein Haus für die Obdachlosen seiner Stadt geöffnet hält oder auch ein Nazi und Rassist ist. Er antwortet ausführlich und ich beklage mich (kurz), dass auch er meiner Frage ausgewichen sei. Ich finde die Position des Herrn Konicz zwar extrem aber doch typisch für den Flügel, der sich derzeit auf Wagenknecht einschießt.
Sehr geehrter Herr Konicz,
Sie wollen wissen, wie Sie Ihre Kritik an Wagenknecht meiner Ansicht nach äußern sollen/dürfen, ohne sich derart angreifbar zumachen. Das will ich Ihnen gerne sagen. Tun Sie es, ohne die Überschrift „Nationalsozial in den Wahlkampf?“, gefolgt von den Passagen „Fischen im braunen Sumpf“ und Bezeichnung von Wagenknecht und Co. als „national-sozialen Flügel der Linkspartei“, und ohne zu behaupten, sie habe mit einer Aussage „den großen nationalsozialistischen Trennstrich“ gezogen und eine Frontstellung aufgebaut, die „charakteristisch für nationalsozialistische Neidpropaganda“ ist. Tun Sie es, ohne Ihr fälschlich zu unterstellen, sie benutze die Naziterminologie des „raffenden Kapitals“ und ihre Kritik am Finanzmarkt „nationalsozialistisch verkürzt“ zu nennen, alles Beispiel aus Ihrem Beitrag von Ende 2016.
Nachdem sie selbst so die infame Bezeichnung „nationalsozial“ eingeführt und immer wieder auf Wagenknecht angewendet haben, garniert mit vielen Nennungen von „nationalsozialistisch“, dann wirkt es äußerst unredlich, wenn Sie nun die Bezeichnung „nationalsozial“ für Wagenknecht erneut mehrfach in einen Artikel einstreuen, garniert mit Anführungszeichen und dem Zusatz (Lessenich), weil ihr Geistesverwandter und vermutlich guter Bekannter die diffamatorische Bezeichnung von Ihnen übernommen hat. Über diese manipulative Art zu diffamieren machte ich mich lustig, als ich mein eigenes Zitat von vor einem Jahr, Sie seien der „übelste Schmierfink Deutschlands“ in Anführungszeichen wiederholte, so als würde ich nur jemand glaubwürdigen Dritten zitieren, der das gesagt hat.
Hätten Sie also nicht vom „Rassismus im Lafonknechtschen Wagontainment“ geschrieben und den „so wörtlich ‚nationalsozialen‘ Kurs“ weggelassen, den sie gleich drei Mal mit manipulativ-heuchlerischem Verweis auf Lessenich anführen, dann hätten Sie auch auf die nicht minder heuchlerische Selbstschutzaussage verzichten können: „Dies bedeutet natürlich nicht, dass Sahra Wagenknecht ein verkappter Nazi sei.“ Dann hätten Sie gern darüber räsonieren können, ob Wagenknecht mit Ihren Aussagen rechte Ressentiments bedient etc., ohne dass ich mich bemüßigt gefühlt hätte, darüber zu schreiben und Sie – so wörtlich – „den übelsten Schmierfinken Deutschlands“ zu nennen.
Dass Sie mich nach dem, was ich auf meinem Blog geschrieben und Ihnen per E-Mail näher erläutert habe, tatsächlich gespielt treudoof fragen: „Ich habe an zwei Stellen im Text ausdrücklich geschrieben, sie ist kein Nazi. Was soll ich noch tun?“, nehme ich als weiteres Indiz dafür, dass Sie nicht an ernsthafter Diskussion interessiert sind, sondern nur Ihre diffamierende Agenda vorantreiben wollen.
Doch zur Sache. Frau Wgenknecht hat nach meinem Verständnis im Kern festgestellt, dass es angesichts mindestens einer Milliarde in großer materieller Not lebender Menschen auf dieser Welt, ungute Konsequenzen haben könnte, wenn man alle einlädt in Deutschland ein besseres Leben zu suchen. Es stimmt nicht, dass man sich damit nur über die Frage auseinandersetzen kann, ob diejenige, die so etwas äußert eine echte Rassistin und echte Nazi ist, oder nur verkappte. Sie wollen wissen, wie Sie das anders kritisieren sollen? Ganz einfach: erklären Sie, was falsch ist an der Aussage, und wie Sie mit dem offensichtlichen Problem umgehen würden, das sich stellte, wenn die Grenzen tatsächlich gänzlich offen wären und Dutzende Millionen die Einladung annähmen. Vielleicht haben Sie ja die Forderungen aus dem Unternehmerflügel der SPD und von Ifo-Chef Fuest aus den letzten Tagen mitbekommen, man müsse jetzt Umverteilung und Sozialstaat zurückdrehen, weil sonst noch mehr gering-qualifizierte „Armutsflüchtlinge“ kommen. Ich nehme an, das ist nicht Ihre Lösung. Aber wie sieht Ihre aus?
Beantworten Sie bitte auch die folgende Frage: Sind ihre Türen offen und der Tisch gedeckt für alle Obdachlosen in ihrer Stadt, oder sind Sie ein Rassist und Nazi? Ich will es auch tun: Meine Tür ist nicht offen, aus genau den Gründen, aus denen Frau Wagenknecht – nach meiner Lesart – offene Grenzen für problematisch hält. Trotzdem halte ich mich weder für einen Rassisten, noch für einen Nazi. Ich habe die gleiche Frage nach dem eigenen Handeln schon anderen gestellt, die mit mir über offene Grenzen diskutiert haben. Alle sind dieser Frage ausgewichen. Und Sie?
Antwort von Thomasz Konicz
In meiner Replik will ich einerseits kurz auf die Vorwürfe eingehen, ich hätte Frau Wagenknecht als Nazi beschimpft, oder dies zumindest angedeutet. Dies ist aber vor allem meine Antwort auf die Frage, die Herr Häring schon vielen Befürwortern offener Grenzen stellte. Die Frage, bezogen auf ungehinderte Einwanderung, lautet:
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„Beantworten Sie bitte auch die folgende Frage: Sind ihre Türen offen und der Tisch gedeckt für alle Obdachlosen in ihrer Stadt, oder sind Sie ein Rassist und Nazi? … Ich habe die gleiche Frage nach dem eigenen Handeln schon anderen gestellt, die mit mir über offene Grenzen diskutiert haben. Alle sind dieser Frage ausgewichen. Und Sie?“
Vorbemerkung: Es ist argumentativ schief, einen Haushalt, frei nach der Merkelschen Hausfrauenlogik, mit einer Volkswirtschaft gleichzusetzen. Die Bundesrepublik verdankt ja ihre gute Konjunkturentwicklung samt der Illusion einer heilen Arbeitswelt den gigantischen Handelsüberschüssen, die ja zugleich ein Export von Schulden und Arbeitslosigkeit sind. Dies ist im Fall eines privaten Haushalts nicht gegeben. Bei der Flüchtlingsbewegung der „ökonomisch Überflüssigen“ Richtung Deutschland ließe sich somit argumentieren: return to sender.
Selbstverständlich ist es legitim, den derzeitigen Aufstieg der neuen Rechten mit seinen großen historischen Vorbild zu vergleichen. Die gesellschaftliche und ökonomische Situation ist sehr ähnlich: der Kapitalismus befindet sich in einer tiefen strukturellen Krise. Die Nazis erfuhren ihren politischen Aufstieg nach Ausbruch der Weltwirtschaftskrise von 1929, während gegenwärtig das kapitalistische Weltsystem sich von dem manifesten Krisenausbruch 2007/2008 nicht erholt hat – es befindet sich weiterhin in einer, durch die Notenbanken „aufgeblasenen“, Liquiditätsblase. Faschismus ist somit eine Krisenideologie, es ist die terroristische Krisenform kapitalistischer Herrschaft, die immer in Krisenzeiten auftrieb erhält.
Sich ein Geschichtsbewusstsein zu bewahren, das ohnehin in Auflösung begriffen ist aufgrund des massenmedialen Trommelfeuers der Kulturindustrie, ist eigentlich ein Akt des Widerstands. Und überdies ist es eine zentrale Strategie der Neuen Rechten, die Erinnerung auf den Nationalsozialismus zu tabuisieren – gerade im Land der Täter. Die AfD erzielt zweistellige Wahlergebnisse, Tausende Anschläge werden verübt, aber nirgends scheint es mehr Nazis zu gehen, das Wort ist regelrecht mit einem Bannfluch belegt worden. Dies ist ein wichtiger Erfolg der neuen Rechten beim Kampf um gesellschaftliche Hegemonie. Es darf keine Nazis mehr geben, um so den Faschismus im 21. Jahrhundert freie Bahn zu verschaffen. Das gesamte politische Koordinatensystem wird nach rechts verschoben, es wird eine immer weiter gen rechts abdriftende neue „Normalität“ etabliert.
Das heiß natürlich nicht, dass alle Menschen, die zur Ausbildung der ideologischen Dynamik der neuen Rechten – oftmals unbewusst, sogar entgegen ihrer Intentionen! – beitragen, jetzt Nazis wären. Dies ist nicht der Fall. Ich habe auch in meinem letzten TP-Text ausdrücklich, mehrmals geschrieben, dass Frau Wagenknecht kein Nazi ist. Ich vertrete aber den Standpunkt, dass Frau Wagenknechts Kurs im Wahlkampf, und insbesondere in der Flüchtlingsfrage, eben die neue Rechte ungewollt stärkt. Und ich werde sicherlich nicht damit aufhören, die offene rechte Flanke zu kritisieren, die diesem Kurs innewohnt.
Und selbstverständlich müssen auch die ideologischen und weltanschaulichen Anknüpfungspunkte benannt werden können, die der historische Faschismus gerade in die „Mitte“ der kapitalistischen Gesellschaft aufweist. Rechte kommen nicht aus dem Weltraum, sondern aus der Mitte der kapitalistischen Gesellschaft, weswegen der Begriff des Extremismus der Mitte sehr viel zur Erklärung des Phänomens des Rechtspopulismus und Rechtsextremismus beitragen kann. Das bedeutet letztendlich, dass die extreme Rechte nur das ins Extrem treibt, was sich in der Mitte der kapitalistischen Gesellschaft als ideologischer Mainstream verfestigt hat – und was in Krisenzeiten in Bewegung gerät. Das macht ja den Erfolg der extrem rechten Krisenzeiten aus: Ds ist kein kategorischer Bruch notwendig, die Menschen müssen ihr eingefahrenes weltanschauliches Gleis nicht verlassen, das immer weiter ins Extreme abdriftet.
Wohin der Extremismus der Mitte führt – also das Festhalten an den Formen kapitalistischer Vergesellschaftung selbst in der Krise des Kapitals – kann gerade an der Flüchtlingsfrage sehr gut erläutert werden. Die Rhetorik ist ja bekannt: „Wir können nicht alle aufnehmen, das Boot ist voll, etc.“
Wieso hat die AfD mit dieser Rhetorik so viel Erfolg? Weil sie – anscheinend – recht hat. „Wir“ können nicht alle aufnehmen, alles andere wäre „Realitätsverweigerung“. Je größer das Elend, je größer das Chaos, desto unumstößlicher der Sieg der neuen Rechten und die Zwangsläufigkeit dessen praktischer Konsequenz: Grenzen Dicht. Hunderte von Millionen Menschen versinken im Elend. Wer soll sie alle aufnehmen? In wessen Vorgarten sollen sie kampieren. Eine einfache, logische, stimmige Wahrheit, die jedem einleuchtet, der die grundlegenden Kategorien kapitalistischer Vergesellschaftung (Kapital, Staat, Markt, Geld, Lohnarbeit) als zweite Natur menschlichen Lebens verinnerlicht hat.
Und genau diese einfache, systemimmanente Wahrheit – die sich erst beim Ausbruch aus dem kapitalistischen Gedankengefängnis als monströse Lüge entpuppt – führt in die Barbarei. In der gegenwärtigen Krise produziert der Kapitalismus eine ökonomisch überflüssige Menschheit. Die Menschen, die „wir“ leider nicht aufnehmen können, fliehen nicht vor Ausbeutung, sondern vor ihrer ökonomischen Überflüssigkeit aus Regionen, in denen der Krisenprozess schon so weit vorangeschritten ist, dass sogar deren Staatsapparate kollabiert sind (Failed States). Es gibt nur einen Zustand im Kapitalismus, der schlimmer ist als selbst die schlimmste Ausbeutung: den der Überflüssigkeit, der Vogelfreiheit.
Folglich etablieren sich dann schnell „KZ-artige Zustände“. https://www.piqd.de/flucht-und-einwanderung/deutsche-botschaft-kz-artige-zustande-fur-migranten-in-libyen-malta-will-nach-libyen-abschieben Auf diesen Begriff brachten Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes die mörderischen Bedingungen, unter denen Flüchtlinge von Milizen, Banden und sonstigen Rackets in Libyen drangsaliert werden. Bereits jetzt werden in Libyen Menschen in Lagern umgebracht, weil sie zu nichts zu „gebrauchen“ sind. Wer mehr Abschiebungen fordert, der muss auch klar sagen, was er fordert: Abschiebungen in „KZ-artige Zustände“. Im weiteren Krisenverlauf drohen diese KZ-artigen Zustände sich zu verfestigen, in Massenmord überzugehen. Die ersten KZs der Nazis waren ja schließlich auch keine Vernichtungslager. Die Hysterie, mit der viele linke Wagenknecht-Anhänger auf Kritik reagieren, speist sich gerade aus der Ahnung eben dieser Zusammenhänge. Sie ahnen zumindest, was sie fordern. Es ist das schlechte Gewissen, dass den Hass auf diejenigen entfacht, die sich der Wagenknechtschen Linie verwehren.
Und selbstverständlich ist das nichts Neues. Das ist der elende Kern rechter Demagogie in Krisenzeiten: sie arbeitet an der Entmenschlichung der Krisenopfer, um deren Marginalisierung, in der Tendenz deren Auslöschung zu legitimieren. Dies entspricht dem objektiven, systemimmanenten Interesse der breiten Bevölkerungsmehrheit: Die Flüchtlinge sollen weg, als Konkurrenten (Wohnungen, Arbeitsplätze, Sozialleistungen, Löhne, etc.). Was mit denen geschieht, ist dann egal. Dies beobachtete – wozu auch so ein Geschichtsbewusstsein gut sein kann! – auch Max Horkheimer bei seiner Analyse des deutschen Faschismus, wie auch der Gefahr eines erneuten Zivilisatorischen Bruchs:
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„…der Unterdrückung und Vernichtung des Mitmenschen steht im Wesen des bürgerlichen Individuums nichts entgegen. Der Umstand vielmehr, dass in dieser Welt jeder dem anderen zum Konkurrenten wird und selbst bei zunehmenden gesellschaftlichen Reichtum es der Menschen im steigenden Maße zu viele gibt, verleiht dem typischen Individuum der Epoche jenen Charakter der Kälte und Gleichgültigkeit, der sich angesichts der ungeheuerlichsten Taten, wenn sie nur seinem Interesse entsprechen, mit der erbärmlichsten Rationalisierung zufriedengibt.“ (Aus Horkheimer: „Egoismus und Freiheitsbewegung“)
Das ist die letzte Konsequenz des in Krisenzeiten um sich greifenden Extremismus der Mitte. Die Rechte liefert nur die „erbärmlichen Rationalisierungen“. Das, was an konkurrenzbefeuerten Vernichtungspotenzial latent im Kapitalismus immer vorhanden ist, wird manifest: es scheint „logisch“, fast schon zwingend, „wir können ja nicht alle aufnehmen“, was das alles wieder kostet, etc. Es entspricht dem systemimmanenten „Interesse“ der Bevölkerungsmehrheit, die Flüchtlinge als potenzielle Konkurrenten loszuwerden und in – bereits jetzt gegebene – KZ-artige Zustände abzuschieben. Freilich nur, solange man festhalten will an Kapital, Staat, Nation, Geld, etc. – also an den Formen kapitalistischer Vergesellschaftung, die in den Regionen, aus denen die Menschen fliehen, bereits zusammengebrochen sind.
Wagt man aber den Ausbruch aus dem kapitalistischen Gedankengefängnis und wirft dann Blick auf die gegenwärtige Krise, dann wird deren Absurdität vollends sichtbar: Das System ist zu produktiv, es erstickt an seiner Produktivität. Das industrielle Potenzial, die materiellen Grundbedürfnisse aller Menschen zu decken, ist längst gegeben. Was weg muss, das sind die kapitalistischen Produktionsverhältnisse: der uferlose Verwertungszwang des Kapitals mit seinem inneren Widerspruch zur Verdrängung der Lohnarbeit, seiner Substanz, aus dem Produktionsprozess. Die Krise der Arbeitsgesellschaft, die die Peripherie des kapitalistischen Weltsystems verheerte, wird ja inzwischen auch im Zentrum diskutiert (Nicht nur von der Wertkritik). Das ist ja etwas, was schon Zeitungen wie die FAZ und Zeit thematisieren – nur bis zu Frau Wagenknecht, der die 50er Jahre des 20. Jahrhunderts als Zukunftsvision vorschweben, hat es sich nicht herumgesprochen.
Die Linke müsste also vor allem, in Reaktion auf die zunehmenden ökonomischen und ökologischen Krisentendenzen, eine breite Debatte über eine postkapitalitische Gesellschaft führen, anstatt an den überkommenen, ohnehin in Auflösung befindlichen Gesellschaftsformen festzuhalten Nicht, weil es Radikal wäre, sondern weil es objektiv notwendig ist, weil das System seiner Krisendynamik gemäß in die Barbarei führt – aus der ins Extrem getriebenen Systemlogik heraus. Um beim Beispiel Flüchtlinge zu bleiben: Die Hilfe für die Flüchtlinge wäre als Teil einer Systemtransformation zu begreifen, der Abbau de Grenzen für Menschen als ein bewusst betriebener Schritt von vielen in eine neue Gesellschaftsordnung jenseits des Kapitals und der nationalen Grenzen, in der Güter geplant ressourcenschonend für die Menschen produziert werden, anstatt blind und marktvermittelt für den Profit. Und klar: dies scheint unwahrscheinlich, traumwandlerisch. So schlecht stehen die Chancen der Menschheit unterm Kapital.
Wagenknecht ist somit auch das erzkonservative Bemühen ankreiden, zurück in die Vergangenheit reisen zu wollen. Die Linke war eigentlich immer progressiv, bemüht, die neusten Erkenntnisse zusammenzuführen, nach vorne zu streben – siehe Marx. Der Irrglaube, die 50er, die 70er wieder herstellen zu können, ist nicht wirklich links. Die konservative FAZ https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/weltwirtschaftsforum/roboter-in-der-wirtschaft-millionen-jobs-fallen-weg-14018180.html schreibt über die Krise der Arbeitsgesellschaft, über die Automatisierung, über den kommenden Jobkahlschlag im Gefolge der KI-Revolution – die Wagenknecht-Linke beharrt auf „Vollbeschäftigung“, Nationalstaat, als ob es diese Tendenzen nicht gäbe.
Replik von Norbert Häring
Velen Dank für die ausführliche Antwort. Ich stelle allerdings fest, dass auch Sie einer Antwort auf meine Frage ausgewichen sind und nicht gesagt haben, ob Ihre Tür offen und Ihr Tisch gedeckt ist, für die „ökonomisch Überflüssigen“, die sicherlich gern den schrecklichen Zuständen, wie sie im Winter unter den Brücken herrschen, in ein warmes Heim mit gedecktem Tisch flüchten würden. Warum öffnen Sie Ihre Tür nicht „als Teil einer Systemtransformation, (die den) Abbau der Grenzen für Menschen als ein bewusst betriebener Schritt von vielen in eine neue Gesellschaftsordnung (begreift).“ Wegen der deutschen Handelsüberschüsse? Come on, ich begreife es nicht.
Sie plädieren dafür, die Grenzen zu öffnen, wissend, dass die Forderung wohlfeil ist, solange diese Position keine Mehrheit hat, und wissend, dass nicht Sie die Kosten tragen, sondern andere. Aus dieser wohlfeilen Selbstgerechtigkeit heraus beschimpfen Sie Menschen, die ehrlicher sind und ihren (Gruppen-)Egoismus nicht hinter heuchlerischen marxistischen Sprüchen verdecken.
In einer Trockenheit, zu der ich wegen meiner Verachtung für eine derartige Haltung leider nicht fähig bin, hat Christian Baron dies in „Getrennte Lebenswelten“ wunderbar aufgeschrieben
[21.10.2017]
Nachtrag (25.12.2017): Herr Konicz hat in einer „Abschließenden Erklärung“ auf seiner Autorenseite im Internet verkündet, dass er seine publizistische Tätigkeit bis auf weiteres einstelle, weil ihn „eine rotbraune Querfront aus Foren-Nazis und nationalen Sozialisten der Linkspartei als Autor aus der Internetplattform Telepolis gemobbt hat“.