Kanada will Mindest-Arbeitsstandards in Ceta durchsetzbar machen, die EU verweigert das – weil sie an deren Abschaffung arbeitet

Der kanadische Handelsminister hat in einem Brief an den EU-Abgeordneten Fabio De Masi betont, dass Kanada weiterhin darauf drängt, dass die im Ceta-Handelsvertrag proklamierten grundlegenden Arbeitnehmerrechte durchsetzbar gemacht werden. Die EU verweigert das – und macht damit erneut deutlich, dass aus ihrer Sicht diese EU allen dienen soll, nur nicht den Arbeitnehmern.

Die Details sind in einem Artikel auf Handelsblatt Online beschrieben. Hier will ich nur den Kern davon referieren und damit kontrastieren, wie Investoren behandelt werden.

Investorenrechte: Wenn ein kanadisches Unternehmen in der EU investiert hat, um dort zu produzieren, oder Handel zu treiben, und die EU erlässt ein Gesetz, dass die Gewinne dieses Unternehmens zu schmälern geeignet ist, dann gibt es in Ceta für dieses Unternehmen einen eigenen Gerichtshof mit freundlichen Richtern, vor denen es gegen diesen Staat auf Schadenersatz klagen kann. Im Erfolgsfall kann es Schadensersatzzahlungen bis in Milliardenhöhe bekommen. Umgekehrt für ein europäisches Unternehmen in Kanada gilt das gleiche.

Arbeitnehmerrechte: Wenn ein deutsches oder bulgarisches Unternehmen oder die Regierung des jeweiligen Landes sich im Handel mit Kanada Vorteile verschafft, indem es die grundlegenden Arbeitnehmerrechte missachtet – etwa Gewerkschaften behindert oder verbietet und so die Löhne drückt – dann ist das zwar nach Ceta nicht erlaubt. Was können die geschädigten kanadischen Arbeitnehmer, auf die nun auch Lohnsenkungsdruck ausgeübt wird, oder die ihren Arbeitsplatz verlieren, dagegen tun? Sie können sich bei ihrer Regierung beschweren. Wenn diese ihr Anliegen zum eigenen machen sollte, kann sie sich bei den Europäern beschweren. Wenn die das Problem nicht abstellen, wird eine Expertengruppe einberufen, die einen unverbindlichen Lösungsvorschlag unterbreitet. Darüber gibt es Konsultationen. Wenn die Europäer nichts ändern wollen, dann ignorieren sie das Votum der Expertengruppe einfach. Die EU-Kommission sagt, das reicht, denn das Expertenvotum sei öffentlich und das führe zu öffentlichem Druck auf die Regierung, etwas zu tun. Das muss reichen.

Wettbewerbsfähigkeit hat immer Vorrang

Für andere Regeln des Ceta-Vertrags gibt es einen Schlichtungsmechanismus mit verbindlichem Schlichterspruch. Für Arbeitnehmerrechte ist das ausgeschlossen. Noch Zweifel? Wenn ja, erinnere ich an meinen jüngsten Blogbeitrag über das, was die EU-Kommission ausweislich des Entwurf des neuesten, Griechenland aufgezwungenen Memorandum of Understanding unter besten Arbeitsmarktpraktiken versteht, nämlich genau das, was den grundlegenden Arbeitnehmerrechten, die laut Ceta garantiert werden, diametral widerspricht: drastische Mindestlohnkürzungen, Aushebelung von Tarifverträgen, Behinderung und Entrechtung gewählter Gewerkschaftsvertreter uvm.  „Beste Praktiken“ sind das nur im Hinblick auf das, was die EU-Kommission unter „Wettbewerbsfähigkeit“ versteht, nämlich niedrigere Löhne und höhere Gewinne für die Unternehmen, und was sie nicht nur in Griechenland mit allen Mitteln verbessern will. Alles was die Löhne drückt, verbessert demnach die Wettbewerbsfähigkeit. Kein Wunder, dass die EU-Kommission keine durchsetzbaren Mindest-Arbeitsstandards akzeptiert. Zieht Euch warm an, liebe Arbeitnehmer. Diese Kommission hat noch einiges in Petto. Und die Kanadier sollten sich gut überlegen, ob sie mit diesem Partner einen derartigen Handelsvertrag in Kraft setzen wollen.

[12.5.2017]

 

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