Wie „Wirtschaft und Schule“ Lehrer in Sachen Bargeld desinformiert

Wirtschaft und Schule ist ein Portal, das sich an Lehrer richtet. Es soll ihnen Unterrichtsmaterialien zu verschiedenen Themen bereitstellen. Bezahlt wird es von den deutschen Großunternehmen via Institut der deutschen Wirtschaft. Entsprechend ist der Bias, sodass man nur davor warnen kann, diese Materialien zu nutzen, umso mehr, als die Macher es recht gut schaffen, den Anschein von Ausgewogenheit herzustellen. Das Dossier zum Bargeld ist ein Beispiel.

In der Tonalität kommt das Dossier zur Diskussion um die Abschaffung des Bargelds recht ausgewogen daher. Es wird keine Partei ergriffen. Wenn man sich allerdings in der Diskussion auskennt – aber nur dann – merkt man, dass eher Unwichtiges ausgewalzt und dafür die wichtigsten Argumente der Bargeld-Befürworter weggelassen oder allenfalls nebenher kurz erwähnt werden.

Die Tatsache, dass Bargeld einziges gesetzliches Zahlungsmittel und damit einziges echtes Geld ist, wird nicht erwähnt. Die Alternative zum Bargeld ist das Giralgeld der Banken, ein Kredit an die Bank, mit dem man wegen allgemeiner Akzeptanz auch bezahlen kann. Letztlich stellt Giralgeld aber nur ein Versprechen dar, auf Verlangen Bargeld auszuzahlen. Dieses Versprechen können die Banken nur einhalten, wenn es nicht zu viele Bürger in Anspruch nehmen. Bis vor der Finanzkrise hätte man noch annehmen können, die Macher der Materialen haben diesen Punkt vergessen. Nach dem Bankrun auf die englische Bank Northern Rock und nach den Bankschließungen in Zypern (wo viele Einleger die Hälfte ihres Geldes verloren) und Griechenland muss man dagegen davon ausgehen, dass sie es absichtsvoll (beinahe) weggelassen haben. Schließlich sind die großen Geschäftsbanken nicht unwichtige Finanziers des Instituts der deutschen Wirtschaft. Wenn man nicht mehr mit Bargeld bezahlen kann, ist man gezwungen, konkursgefährdeten Geschäftsbanken all sein Geld anzuvertrauen, ob man ihnen nun vertraut oder nicht. Nur ganz kurz taucht das im Dossier auf, als der Punkt „Krisenwährung“ in einer unkommentierten Auflistung der Vor- und Nachteile.

Wenig besser sieht es mit dem zweiten wichtigen Argument für das Bargeld aus. Jeder Bezahlvorgang mit Buchgeld wird dauerhaft gespeichert und nicht nur das. Anders als die auf Vorrat gespeicherten Kommunikationsdaten werden unsere Zahlungsverkehrsdaten laufend aktiv auf Verdachtsmomente durchforscht. Niemand weiß, welche Computeralgorithmen die Banken über unsere Daten laufen lassen, und was sie damit machen. Wenn wir nicht mehr bar bezahlen können, gibt es keine Flucht aus der Totalüberwachung mehr. Dieses Argument wird nicht behandelt, es taucht nur annähernd als ein Punkt in einer Grafik auf, bei den Gründen, warum Leute Bargeld vorziehen: „Potenzieller Missbrauch der Daten, die bei Kartenzahlung registriert werden.“ Missbrauch ist dabei nur ein Teil des Problems. Die Totalüberwachung an sich, und das konformistische Verhalten, dass diese hervorbringt, sind selbst ohne „Missbrauch“ der Daten ein Problem. Die Totalüberwachung selbst ist der Missbrauch. Daneben taucht es wiederum kurz in der Auflistung der Vor- und Nachteile auf.

Die Manipulationen kann man auch in weiteren Details erkennen. Ich will nur eines nennen. So wird der zuständige Bundesbanker Thiele mit einem sehr nachrangigen Argument für das Bargeld zitiert:

„Darum vermutet Carl-Ludwig Thiele, Vorstandsmitglied der Deutschen Bundesbank, dass sich der Handel von der Abschaffung des Bargelds höhere Umsätze verspricht: „Mancher Händler träumt davon, dass die Kunden den unangenehmen Abschluss des Einkaufs – das Bezahlen – kaum noch spüren“

Dabei hätte man ihn auch mit viel knackigeren und wichtigeren Punkten zitierten können, insbesondere denen, die die Macher des Dossiers unter den Tisch fallen lassen. Thiele hat etwa auch gesagt:

„Menschen haben gute Gründe, Geld bar aufzubewahren. So ist Bargeld das liquideste Zahlungsmittel; außerdem sind Banknoten Zentralbankgeld. Dies ist insbesondere in Zeiten erhöhter Unsicherheit von Bedeutung, in denen die Bevölkerung physisch greifbares Geld einer Notenbank halten möchte, anstatt Forderungen gegenüber einer Geschäftsbank zu haben.“

Und:

„Es ist noch gar nicht so lange her, dass die Menschen in Zypern (die) Erfahrung gemacht haben, …(dass)  ich nicht weiß, ob ich am nächsten Tag noch Bargeld von meiner Bank abheben kann, ob ich aus dem Buchgeld in Bargeld komme.“

Ein alternatives Dossier über Bargeld finden Sie hier.

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