Begleitend zu der von der deutschen Regierung betriebenen Zurückdrängung des überwachungsunfreundlichen Bargelds fahren die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten mit dem Geld der Zwangsbeitragszahlenden, aber noch nicht optimal überwachten Bürger eine unfassbar dreiste Kampagne zur Erhöhung der Akzeptanz von Überwachungstechnologie.
Es war schon schwer zu glauben, dass das Heute Journal mit begeisterter Einführung von Claus Kleber einen vierminütigen Werbefilm für einen Chip unter der Haut sendete, mit dem man künftig all seine Einkäufe bezahlen können und später wohl auch müssen soll. Heute früh nun, um 7:40 Uhr ging mein Radiowecker los und erfreute mich mit zwei euphorisierten Radiomoderatoren, die mit einer nicht minder aufgekratzten Corinna darüber sprachen, wie diese sich eine NFC-Chip unter die Haut zwischen Daumen und Zeigefinger hat implantieren lassen. „Cool“ ist das, wie sie darauf nun direkt vom Handy ihr Adressbuch spreichern und Adressen auf ein anderes Handy weitergeben kann. Auch Bezahlen kann sie mit diesem Chip, ist das nicht klasse, und Türen aufmachen. Sie braucht keinen Schlüssel mehr, den sie vergessen kann. Man kann sich ein Video dazu auch auf hr3.de anschauen. Tun sie es. Sie haben schließlich mit ihrem Rundfunkbeitrag dafür bezahlt. „Ich freu mich grad riesig“, sagt Corinna, die sich hier als hr-Frau herausstellt, nachdem sie die Prozedur hinter sich gebracht hat, die wehtut „wie ein Wespenstich“.
Wir dürfen uns auf eine Fortsetzung der Kampagne in den nächsten Tagen freuen, mit begeisterten Berichten von Corinna darüber, was man alles mit dem Chip machen kann, wieder jeweils in der Daniel Fischer Morning Show.
Man ist geneigt zu denken: ‚Diese Frau braucht wirklich so einen Chip, denn ihren Kopf hat sie längst irgendwo vergessen‘. Sonst käme sie trotz ihrer Begeisterung über neue Technologie vielleicht auf die Idee, das es problematisch ist, wenn jeder, der ein Lesegerät in die Nähe ihrer Hand bringt, ihre gesamten persönlichen Daten auslesen kann und Zugang zu ihrem Konto erhält. Dann käme sie sich vielleicht auch irgendwie vor wie ein Schaf, das aufgeregt blökend zur Schlachtbank rennt, nur weil man es lässt.
Aber heute- und hr-Moderatoren und Mitarbeiter sind natürlich keine Vollidioten. Ich fresse einen Besen, wenn diese öffentlich-rechtliche Werbekampagne für Überwachungstechnologie nicht von einer unerkannt bleiben wollenden Stelle gesponsert oder in Auftrag gegeben worden ist.
Hier noch der Text zum Video auf hr3.de.
Der Chip in meinem Körper
15.03.2016: hr3-Kollegin Corinna Blaich hat’s getan. Ein kleiner Schnitt mit einem Skalpell in die Hand und schon war er drin: ein Chip, der Dinge wie Bankkarten, PIN und Schlüssel überflüssig machen soll. Wir waren bei der Implantation dabei. Achtung, dieser Clip ist nichts für schwache Nerven:
Einen NFC-Chip im eigenen Körper zu haben, das war das Ziel von hr3-Kollegin Corinna Blaich. NFC steht für „Near Field Communication“, das bedeutet: ein Gerät kommuniziert auf kurze Entfernung mit dem Körper bzw. vielmehr mit dem Chip im Körper.
hr3-Kollegin Corinna Blaich wollte das genauer wissen und hat’s getan: sie hat sich einen Chip in ihren Körper implantieren lassen. Wir waren dabei:
Wie es weitergeht mit Corinna und ihrem NFC-Chip, das hört Ihr in den nächsten Tagen bei hr3!
Der NFC-Chip, dieses kleine Teil, bestehend aus Glas und Metall, kann früher oder später sämtliche Karten, die man im Geldbeutel hat, überflüssig machen, die Eingabe von Geheimzahlen, ja sogar den Haustür- oder Büroschlüssel. Was wie Zukunftsmusik klingt, ist in Ländern wie Schweden bereits Alltag. Bei uns wird die Technik gerade bei der CeBIT in Hannover dem Fachpublikum vorgestellt. Datenschützer schlagen Alarm – es bestehe die Gefahr von Überwachung und Cyber-Angriffen.
Der letzte Satz zu den Datenschützern ist offenkundig als Alibi eingefügt, wie das zehnsekündige Interview mit dem Datenschützer beim Heute Journal. Weder im Video, noch im Radio klang irgendetwas anderes als Begeisterung für diese Technologie an. Der vorletzte Satz ist gelogen. Wie man in dem Werbefilm im Heute Journal (direkter Link) erfährt, gibt es in Schweden, genauer in Malmö, bisher erst einen Feldversuch mit dem Chip unter der Haut. Bezahlen per „Chip im Körper“ ist also nicht mal in Schweden „bereits Alltag“.