Natürlich müssen die mainstream- und regierungskritischen Leserinnen und Leser von Telepolis anders abgeholt werden als die von Spiegel Online oder die Zuschauer der Tagesschau. Bei Telepolis hat man für solche Zwecke den postmarxisitischen Kapitalismus-Untergangspropheten und Schmierfinken Tomasz Konicz, der so etwas aus dem Handgelenk erledigt. Er ist versierter Experte darin, alles was nicht passt für neurechts oder Nazi zu erklären.
Unter der knackigen Abholer-Überschrift „Die Verbrechen des Bill Gates“ schüttet er zwar noch mehr Hohn und Verachtung über die Verschwörungstheoretiker aus als der Mainstream, über alle, die Gates und seinen Alliierten beim Weltwirtschaftsforum Ambitionen auf eine bestimmende Rolle in der Global Governance zuschreiben – obwohl das deren erklärtes Programm ist. Aber er kleidet das in eine scharfe Pseudokritik von Bill Gates, die er als die einzig zulässige und vernünftige Art der Kritik ausgibt. Die Haupt-„Verbrechen“ von Gates sind danach, dass er uns mit schlechter Microsoft-Software belästigt und Verstöße gegen die Kartellgesetze begangen hat, welche die Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung verbieten.
Konicz formuliert das natürlich etwas anders, aber darauf läuft es hinaus. Außerdem beleidigt er Gates zum kritischen Schein mit Ausdrücken wie mittelmäßiger Programmierer und Plagiator.
Damit stützt er seine Anfangsthese, die da lautet:
„Auch wenn Millionen Wahnwichtel und Folienkartoffeln ihn zum neuen Oberbösewicht einer geheimen Weltregierung ernannt haben, ändert das nichts an der Tatsache, dass es sich bei Bill Gates um eine emeritierte Charaktermaske des Kapitals handelt, die nur deswegen zur Zielscheibe der abermals anschwellenden autoritären Revolte wurde, weil sie quasi in Rente ist.
Nachdem somit geklärt ist, dass sich die Hauptkritik an Gates Wirken auf die Vergangenheit zu beziehen hat, (und deshalb ebenso gut unterbleiben kann), bietet er noch ein paar gesellschaftsfähige Kritikpunkte an, die man gegen Gates heutiges Wirken vorbringen darf, ohne sich als Aluhut zu outen.
Dazu gehört, dass seine Stiftung ein zu marktorientiertes Entwicklungsmodell verfolge und derlei Kram, der zwar wichtig ist, aber nur wenige (und garantiert keine Rechten) hinter dem warmen Ofen hervorholt. O-Ton:
„Die Gates-Foundation, das milliardenschwere „Hobby“ des emeritierten Monopolisten, fungiert de facto als ein Vehikel zur Verfestigung neoliberaler Strukturen und Politikrezepte im globalen Süden.
Das darf man sagen, ohne blitzschnell vom aufrechten Linken zum neurechten Verschwörungstheoretiker zu werden.
An das Ende eines verschachtelten Wutrede-Satzes gegen Verschwörungstheoretiker packt Konicz dann sogar noch die absurde Behauptung, die Pharmalobby wolle überhaupt kein Geschäft mit Impfungen machen, weil sich das nicht lohne:
„Dies wird etwa bei der bizarren „Impfangst“ evident, die diese neue deutsche Wahnwelle antreibt. Man glaubt sich als „Impfkritiker“ im Kampf gegen eine übermächtige Pharmalobby, die alle Welt todimpfen wolle mit ihren furchtbaren, in Spritzen abgefüllten und wohl auf Adrenochrom basierenden „Chemiewaffen“ – während die ja tatsächlich gegebene Pharmalobby nun wirklich alle Hebel in Bewegung setzt, um bloß keine Impfstoffe entwickeln zu müssen. (…) Deutscher Wahn und globale kapitalistische Realität kollidieren somit gerade beim Thema Pharmaindustrie frontal.
Das ist Blödsinn. Wenn man ein Land wie Indien dazu bekommen kann, alle eineinhalb Milliarden Einwohner mit einem bestimmten Impfstoff zu behandeln, und die WHO und die Weltbank dafür einen guten Preis bezahlen lässt, dann kann das sehr wohl ein äußerst einträgliches Geschäft sein. Das steht so auch in der sehr lesenswerten Studie von Global Justice Now, die der Schmierfink gelesen zu haben scheint. Jedenfalls zitiert er sie an anderer Stelle.
Auch die Fähigkeit von Gates, schnell mal EU und Regierungen siebeneinhalb Milliarden Euro für ihn einsammeln zu lassen, damit er sie – zum großen Teil für Impfstoffe – ohne jede parlamentarische Kontrolle an befreundete Pharmaunternehmen verteilt, deutet nicht darauf hin, dass Gates ein unwichtiger „Rentner“ ist und dass man mit Impfstoffen kein Geld verdienen kann.
Man darf laut Konicz als Linker gerade noch den Abbau von Grundrechten und zunehmend autoritäres Regieren kritisieren. Aber mit Warnungen vor einer angestrebten Tech-Diktatur wird man schnell zum Faschistoiden, denn das ist – in den unerreicht elegant formulierten Worten von Konicz:
„Adaption der neurechten Narrative, mit der die barbarische Enthemmung des öffentlichen Diskurses forciert wurde, indem jede öffentliche Opposition gegen Hetze und zivilisatorische Tabubrüche der Neuen Rechten als Ausweis einer diktatorischen Maulkorbgesinnung verurteilt wurde, da man ‚nicht mehr offen reden könne‘ – und es sind gerade diese präfaschistischen Argumentationsmuster, die auf die Dominanz der Neuen Rechten in der Verschwörungsbewegung hindeuten.
„Verschwörungsbewegung“ ist ein Ausdruck, den man sich auf der Zunge zergehen lassen muss.
Wenn man bei Telepolis glaubt, solche Verunglimpfungen von Kritik an den Mächtigen schade der eigenen Glaubwürdigkeit als Kontrollorgan eben dieser Mächtigen nicht, dann hält man dort die eigenen Leserinnen und Leser für ziemlich naiv. Aber irgend eine große schützende Hand schwebt wohl über Konicz. Als er nach früheren Entgleisungen Schreibverbot über bestimmte Themen und Leute bekam und daraufhin seine Mitarbeit bei Telepolis mit großem Tamtam aufkündigte, war er nach ein paar Monaten Pause mit vollem Elan und ganz vielen Artikeln wieder zurück.
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