Gegenrede eines Lesers: „Es ist perfide, Gates zum Angeklagten zu machen“

21. 05. 2020 | Über ein Interview von Bill Gates hatte ich geschrieben, dass er so tue als hätte es Event 201 nicht gegeben. Event 201 war eine von seiner Stiftung mit organisierte Corona-Pandemiesimulation im Oktober 2019. Ein Leser stößt sich an dieser kritischen Interpretation.

Bill Gates tut als hätte es Event 201 nie gegeben

Sehr geehrter Herr Häring,

ist Ihnen schon der Gedanke gekommen, dass die von Ihnen zitierte Interview-Aussage von Gates “Wir haben das nicht simuliert, wir haben das nicht geübt, deshalb finden wir uns nun, sowohl was die Gesundheitspolitik angeht, als auch was die Wirtschaftspolitik angeht, in weißen Flecken auf der Karte (unchartered territory).” nicht wie Sie interpretieren, die Event 201-Simulation verleugnet bzw. im Widerspruch dazu steht, sondern das Gates damit aussagen wollte bzw. hat, dass „wir“ als Länder der Welt so eine Pandemie nicht simuliert oder geübt haben?

Zumal die Lehren und Ideen aus Event 201 durch den kurzen Zeitabstand und wie immer Widerstand der Länder, in Vorbeugung zu investieren und die vielen immer aktuellen Probleme dafür ein Stück hintanzustellen, sich überhaupt noch nicht in (Simulationen in den einzelnen Ländern und) Vorbereitungen niedergeschlagen hatten.

Ich darf Sie dazu vielleicht auch auf die nähere Bedeutung von „simulate“ im Englischen Aufmerksam machen: „simulate something: to create particular conditions that exist in real life using computers, models, etc., usually for study or training purposes“

Und jetzt sagen Sie mir bitte, ob „to create particular conditions“ (oder gar „zu training purposes „) in den Ländern (wie vielen?..) insgesamt und auch durch die kleine Simulation von Event 201 gegeben war?

Würden Sie denn sagen, die Welt war gut auf COVID19 vorbereitet?

Ist es nicht paradox wenn nicht gar perfide, wenn einer der Menschen, der seit Jahren versucht daran mitzuwirken, dass die Welt sich besser auf weitere Epidemien vorbereitet, jetzt zum Hauptangeklagten wird? (Erinnert das nicht an die Hexenprozesse, in denen heilkundige Frauen verbrannt wurden?)

Könnten Sie die Passage auf Ihrer Webseite dementsprechend noch einmal prüfen oder gäbe es zumindest die Möglichkeit, meine Anmerkung (zumindest den Beginn zur fraglichen Interpretation) als Kommentar auf Ihrer Seite zu veröffentlichen?

Mit freundlichen Grüßen
Patrick Weisser, Freiburg

Erwiderung

Eine kleine Änderung habe ich in meinem Beitrag vorgenommen. Passend zur Überschrift habe ich im Text die Formulierung „nun leugnet er …(Event 201)“ geändert in „nun tut er so als ob es Event 201 nie gegeben hätte“. Das soll klar stellen, dass er nicht explizit nach Event 201 gefragt wurde, sondern nur von sich aus so geredet hat, als hätte es diese Übung, die Anlass für verschiedene Verschwörungsthesen ist, nie gegeben.

Das von Gates gebrauchte Wort „wir“ zu interpretieren als „alle anderen außer mir“, scheint mir eine sehr eigenwillige Interpretation zu sein. Event 201 war eine hochkarätige internationale Veranstaltung, an der immerhin der Chef der chinesischen Behörde für Seuchenkontrolle (CDC) und ein hochrangiger Lufthansa-Vertreter teilnahmen. Vertreter von Gates‘ Stiftung sind in allen wesentlichen WHO-Gremien vertreten. Ich sehe keinen Anlass anzunehmen, dass Gates das „wir“ so gemeint hat wie in der Gegenrede ausgeführt.

Es gibt demgegenüber durchaus ein Muster bei Gates, Dinge, die zu Angriffspunkten für Kritiker werden, ungesagt machen zu wollen, wie jüngst die Retusche an einem Interview, aus dem ein Interpretationsträchtiger Satz von Gates entfernt wurde.

Bill Gates beschreibt Covid-19 als ersten Anwendungsfall der Known-Traveller-Horrorvision des Weltwirtschaftsforums

Bei diesem und meinen anderen Beiträgen habe ich ganz konkrete Aussagen oder Handlungsweisen von Gates aufgespießt, darüber berichtet und sie mehr oder weniger explizit kritisiert. Darin kann ich keine Verfemung erkennen. Man kann das anders sehen, wenn man meine Wertmaßstäbe oder Interpretationen nicht teilt, aber diese sind transparent dargelegt und nicht generalisierend. Davon kann sich jeder leicht überzeugen, indem er in der Suchmaske dieses Blogs „Gates“ oder „Bill Gates“ eingibt.

Wenn wir jeden, der das Wohl der Menschheit im Munde führt, als erhaben über jede Kritik und jeden Zweifel an seinen wahren Motiven betrachten würden, gäbe es nicht mehr viele und vieles, was man kritisieren dürfte. Denn ihren Worten nach wollen fast alle nur das Beste für die Menschheit, selbst wenn sie die Umwelt zerstören, Arbeitnehmer schlecht behandeln, Kunden betrügen oder ihre Wähler zum Narren halten. Dass Gates neben sehr viel Bewunderung auch sehr viel Kritik auf sich zieht, hat mit der großen Macht zu tun, die er ausübt. Dass den besonders Mächtigen besonders intensiv auf die Finger – und nicht nur auf den Mund – geschaut wird, halte ich für wichtig und gesund.

Beiträge zu Gates und seiner Stiftung

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