Wie deutsche Bürgermeister sich von einem US-Milliardär an der Leine führen lassen

30. 10. 2025 | Michael Bloomberg hat sein Geld dafür eingesetzt, Bürgermeister von New York zu werden, und setzt es nun dafür ein, die Verwaltungen klammer Städte überall auf der Welt nach seiner Pfeife tanzen zu lassen. Sie sollen ihre Kommunen nach Technokratengeschmack in Richtung Smart City durchdigitalisieren. Die besonders strebsamen bekommen Geldpreise und Ausbildungsgänge für die Bürgermeister.

Die Stadt Halle an der Saale verkündet ihren Bürgern auf ihrer Netzseite stolz einen „bedeutenden Erfolg“:

„Internationale Auszeichnung: Halles Oberbürgermeister Vogt in europäische Leadership-Initiative für Städte berufen“

Auch die Stadt Ulm lässt voller Stolz wissen:

„Als eine von nur 30 Städten in Europa darf die Stadt Ulm an der „Bloomberg LSE European City Leadership Initiative“ teilnehmen.“

Kassel hat auch gewonnen, erfährt man, aber Kassel hängt es nicht an die große Glocke.

Es handle sich dabei, schreibt Halle, um eine „Ausbildungs- und Aktionsplattform für europäische Bürgermeisterinnen und Bürgermeister“. Ziel sei es, „ihnen Werkzeuge, Netzwerke und Ressourcen an die Hand zu geben, um zukunftsweisende, groß angelegte Veränderungen in ihren Städten anzustoßen.“

Wenn jemand Oberbürgermeister von deutschen Mittelstädten anleitet, groß angelegte Veränderungen in ihren Städten herbeizuführen, will man gern wissen, wer da ausbildet und die Veränderungen aussucht, die umgesetzt werden sollen. Normalerweise ist es ja eher Sache der Stadträte, solche Festlegungen zu treffen. Insofern bleibt unklar, was Cornelia Woll, Präsidentin der als Subunternehmerin beteiligten Hertie School, damit meint, dass das Programm Bürgermeister bei ihrem Kampf „an der Frontlinie der Demokratie“ unterstützen soll. Auf mich wirkt das Programm eher wie eine Maßnahme gegen die kommunale Demokratie.

Laut Ulm finanzieren das Programm gemeinsam die London School of Economics (LSE) und Bloomberg. Aber Ulm hat es nicht so mit der Wahrheit (siehe unten). Tatsächlich ist es nur der Multimilliardär und Ex-Bürgermeister von New York, Michael Bloomberg, der die 60 Millionen Euro für das Programm über seine Stiftung Bloomberg Philanthropies aufbringt. LSE wird für die Durchführung bezahlt.

 Was sind die durchgreifenden Veränderungen, deren Einleitung Ulms Oberbürgermeister Martin Ansbacher, Halles OB Alexander Vogt und Kassels OB Sven Schoeller in dem neunmonatigen Schulungsprogramm beigebracht werden soll? Sie gehen absehbar in Richtung Smart City und Energiewende. Bloomberg hat ein Faible für technische, bevorzugt digitale Lösungen und Prozesse um die Verwaltung „effizienter“ zu machen und den Klimawandel aufzuhalten. So kam Halle mit seiner im Wettbewerb erklärten Absicht gut an, digitale Transformation und Förderung nachhaltiger Entwicklung in den Mittelpunkt der Stadtentwicklung zu stellen.

Bloomberg hat sein Multi-Milliarden-Vermögen mit Finanzinformationsdiensten gemacht. Er setzte es ein, um Bürgermeister von New York zu werden (bis 2013), später auch für den Versuch, US-Präsident zu werden. Als New Yorker Bürgermeister hat er die Stadt auf einen Pfad gesetzt, auf dem sie Maßstäbe bei der intensiven, zum Teil heimlichen, digitalen Überwachung ihrer Bürger setzt. Darüber habe ich vor einigen Tagen berichtet.

Michael Bloomberg schloss einen Vertrag mit Microsoft für ein Softwarepaket, das Daten aus vielen Quellen zusammenführt. Daten von unzähligen Kameras zur Kennzeichenerfassung und Gesichtserkennung gehören dazu. Sie werden zum Teil fünf Jahre lang gespeichert. Die Stadt bekommt 30% Provision, wenn Microsoft das in New York erprobte Überwachungssystem an weitere Städte verkauft. Sein Nachfolger Andrew Cuomo ging eine Partnerschaft mit der Stiftung des Microsoft-Gründers Bill Gates ein, um Gates „visionäre Ideen“ für das Schulsystem wahr zu machen. „Wozu all diese Gebäude, all diese physischen Klassenzimmer, wo wir doch diese Technologie haben“, fragte Cuomo rhetorisch.

Bloomberg Philanthropies „investiert“ nach eigenen Angaben in 700 Städte und 150 Länder weltweit. Bloomberg Associates berät die Städte philanthropisch dann bei der Umsetzung von Bloombergs Ideen. Im Jahr 2024 verteilte Bloomberg Philanthropies 3,7 Milliarden US-Dollar.

Sein Geld hat Michael Bloomberg auch eingesetzt, um sich den Titel des „UN-Sondergesandten für Klimaambition und -lösungen“ zu kaufen. Als Präsident Trump den Austritt der USA aus dem Klimaabkommen verfügte, übernahm er aus seiner Schatulle den US-Beitrag. Er ist zusammen mit der „The Children’s Investment Fund Foundation“ (CIFF) Hauptsponsor und Chef des globalen klimaaktivistischen Großstädtenetzwerks C40 Cities. Diesem gehören 97 der weltweit größten und wichtigsten Städte an, darunter Berlin. CIFF ist die Stiftung des Hedgefonds-Milliardärs Chris Hohn. Sie unterstützt in Europa Klimabewegungen und -organisationen mit viel Geld, die juristischen und Straßendruck auf die Städte ausüben, damit sie die von Bloomberg und Hohn propagierten Transformationsmaßnahmen umsetzen.

Zentrale Rollen nehmen bei C40 die Bürgermeister von London, Sadiq Khan, und von Hongkong ein. London ist die Stadt mit der höchsten Dichte an Überwachungskameras außerhalb Chinas, vor allem auch wegen der kameraüberwachten Ultraniedrig-Emissionszone (ULEZ), die Khan auf ganz London ausgeweitet hat. Das erklärte Ziel, die Luftqualität zu verbessern, wurde damit nicht erreicht, hat eine aktuelle Studie der University of Birmingham festgestellt. Aber niemand kann mehr durch London fahren, ohne dass sein Bewegungsprofil aufgezeichnet wird. Hongkong hat vor kurzem beschlossen, die Anzahl der Überwachungskameras auf 60.000 aufzustocken. Sie sollen mit KI, Gesichtserkennung und Nummernschilderkennung ausgestattet sein und es erlauben, Verdächtige und Auffällige zuverlässig durch die ganze Stadt zu verfolgen. C40 ist erklärtermaßen das Vorbild für das Programm, an dem Ulm, Halle und Kassel nun teilnehmen dürfen.

Bloomberg arbeitet bevorzugt mit dem Wettbewerbssystem, um mit begrenzten Mitteln möglichst viel Einfluss auszuüben. So haben Bloomberg Philantropies und C40-Cities vor kurzem gemeinsam die 26 Finalisten eines „Local Leader Awards“ bekanntgegeben. 160 Städte und Regionen aus 45 Ländern haben sich mit ihren milliardärskonformen Klimamaßnahmen beworben. Am Ende wird es zwölf Gewinner geben, die beim Klimagipfel in Brasilien verkündet werden.

Die 30 ausgewählten Bürgermeister der Leadership Initiative wurden zunächst zu einem dreitägigen Stelldichein nach London geholt, wo ihnen Michael Bloomberg und Sadiq Khan die Ehre ihrer Anwesenheit erwiesen. Im Dezember werden je zwei von den Bürgermeistern ausgesuchte Verwaltungsfachleute in Berlin von der Hertie School geschult. Sie sollen danach eine zehnköpfige von der Stadt aufzustellende Arbeitsgruppe anleiten, innerhalb des neunmonatigen Ausbildungsprogramms ein städtisches Problem zu lösen. Bloomberg weiß, wie man Einfluss hebelt.

Meine Empfehlung an die Bürger und Stadträte von Halle, Ulm, Kassel und Berlin: Schauen sie genau hin, und fragen sie nach, wohin sich ihre Bürgermeister und Stadtverwaltungen von den US-Milliardären Bloomberg und Hohn leiten lassen. Aller Erfahrung nach haben Milliardäre seltenst ausschließlich das Wohl ihrer Mitmenschen im Sinn. Sonst wird und bleibt man nämlich schwer Milliardär.

Bonus-Info: Ulms Bürgermeister und ihr schwieriges Verhältnis zur Demokratie

Mit dem derzeitigen und vorherigen Bürgermeister von Ulm habe ich mich auf diesem Blog schon verschiedentlich befasst, nicht zu deren Vorteil. Ich will das hier kurz rekapitulieren, weil es zeigt, was droht, wenn der Ulmer Oberbürgermeister sich an der „Frontlinie der Demokratie“ in den Kampf stürzt..

Es fing damit an, dass die Stadt Anfang 2022 gegen spazierende Maßnahmengegner über die gesamte Innenstadt eine FFP2-Maskenpflicht im Freien verhängte und denen, die sich nicht daran hielten, den Einsatz von Waffengewalt androhte. Das geriet zu einem PR-Desaster. Es  geschah unter einem Oberbürgermeister von der CDU, aber auf Druck von der SPD-Fraktion im Stadtrat, die vom heutigen OB Martin Ansbacher geleitet wurde.

Ansbacher wiederum gehörte zwei Jahre später zu den Unterzeichnern einer Petition gegen „Rechts“, mit der sich ausgerechnet dieser und weitere Vertreter der staatlichen Gewalt mit ihrem unterentwickelten Grundrechtsverständnis auf das Widerstandsrecht gegen Feinde der demokratischen Ordnung beriefen. Ihnen passte es dabei nicht ins Konzept, dass ein Zitat der (Ulmer) Geschwister Scholl zum Widerstand gegen den „Unrechtsstaat“ aufforderte, während sie ja zum Widerstand gegen die Kritiker der staatlichen Gewalt aufriefen. Also fälschten sie das Zitat für ihre Petition. Und dann fälschten sie es noch dreister noch einmal bei der „Korrektur“, nachdem ich über die Fälschung berichtet hatte. Eine besondere Ironie liegt darin, dass Ansbacher sein Abitur am Hans-und-Sophie-Scholl-Gymnasium ablegte.