Die schöne neue totalüberwachte Welt des Steve Ballmer

Ergänzt 31.8. | 30. 08. 2025 | Der ehemalige Microsoft-Chef Steve Ballmer hat 2014 für zwei Milliarden Dollar ein Basketballteam gekauft. Passend zur Microsoft-Philosophie, den Nutzern seiner Produkte alles an Daten zu klauen, was geht, hat Ballmer die Arena der Los Angeles Clippers zu einem Eldorado moderner Überwachungstechnik gemacht.

Der Intuit Dome, in dem Ballmers Los Angeles Clippers ihre Basketballspiele austragen, taugt als warnendes Anschauungsbeispiel dafür, wie unsere Gesellschaft schon bald aussehen wird, wenn wir nicht umsteuern. Die einen erlauben für etwas mehr Bequemlichkeit den US-Konzernen des militiärisch-informationstechnologischen Komplexes, sie bei immer mehr Aktivitäten des realen, nicht-digitalen Lebens digital zu vermessen und zu überwachen. Die anderen machen mit, um nicht auf Veranstaltungen oder Aktivitäten verzichten zu müssen, die nur noch unter dieser Bedingung angeboten werden. Und ein kleiner Rest Unbeugsamer wird immer mehr vom normalen öffentlichen Leben ausgeschlossen.

Mit einigen zigtausend Menschen ist der Intuit Dome vor, während und nach einem Spiel schon einer Kleinstadt vergleichbar. Und so geht es laut Netzauftritt der Arena in dieser Kleinstadt zu:

● GameFace ID: Intuit Dome bietet eine Gesichtserkennungstechnologie namens GameFace ID für nahtlosen Eintritt, Einkäufe und andere Vergünstigungen. Die Nutzung ist freiwillig. Wenn Sie diese Technologie nutzen, erfassen wir ein Selfie-Foto und generieren Gesichtserkennungsdaten, die dazu dienen, Sie in der Arena eindeutig zu identifizieren. Anhand Ihres Selfie-Fotos können wir auch ableiten, ob Sie über 21 Jahre alt sind.

● Andere Gäste: Wenn Sie sich nicht bei GameFace ID registrieren, erfassen unsere Geräte dennoch ein Bild und erstellen vorübergehend Gesichtserkennungsdaten. Diese Gesichtserkennungsdaten werden jedoch (1) nur verwendet, um festzustellen, ob eine Übereinstimmung mit einer registrierten GameFace ID vorliegt, (2) nicht zur eindeutigen Identifizierung Ihrer Person verwendet und (3) nur kurzzeitig in unseren Systemen gespeichert und anschließend gelöscht.

● Nahtloses Einkaufen: Die meisten unserer Intuit Dome-Geschäfte bieten Grab-and-Go-Technologie, damit Sie schneller zu Ihren Plätzen zurückkehren und die Veranstaltung genießen können. Diese Technologie dient dazu, Bilder aufzunehmen und Bewegungen innerhalb des Geschäfts zu verfolgen, um zu sehen, was Sie kaufen möchten, einschließlich Datum und Uhrzeit des Kaufs und Kaufbetrag. Wir verknüpfen Ihre Einkäufe mit Ihrem Intuit Dome-Konto, entweder durch die Verwendung von GameFace ID oder durch Antippen Ihres Telefons oder Armbands, und belasten Ihre gespeicherte Zahlungsmethode.

● Videoüberwachung: Wie an den meisten Veranstaltungsorten verwenden wir Videoüberwachungskameras, um Fotos und Videoaufnahmen innerhalb und außerhalb des Veranstaltungsortes aufzunehmen.

● Standortverfolgung: Wir erfassen auf verschiedene Weise Informationen über Ihren Standort im Intuit Dome.

● Kontrollpunkte: Wir können Ihre Anwesenheit erkennen, wenn Sie verschiedene Punkte im Intuit Dome nutzen oder daran vorbeigehen. Wenn Sie beispielsweise zu unseren Zugangskontrollpunkten rund um die Arena kommen (z. B. am Ticketschalter oder am Eingang zum Club, zur Suite oder zum Shop), registrieren wir, dass Sie zu einem bestimmten Zeitpunkt und Datum dort waren (z. B. über GameFace ID oder wenn Sie Ihr Smartphone oder Armband antippen). Und wenn Sie unsere Wegfindungs-Tools nutzen, ermitteln Bluetooth-Sensoren, dass Sie sich in der Nähe dieser Schilder befanden.

● Sitzplatzpräsenz: Die Sitze verwenden Bluetooth-Sensoren und Ultrabreitband, um festzustellen, ob sich Ihr Mobilgerät auf oder in der Nähe eines bestimmten Sitzplatzes befindet, einschließlich der Dauer Ihres Aufenthalts auf diesem Sitzplatz.

● Parkhaus: Unser Parkhaus verwendet eine automatische Kennzeichenerkennung (Automated License Plate Recognition, ALPR), um Fotos von den Kennzeichen der Fahrzeuge zu machen, die das Parkhaus befahren. Wir verwenden diese ALPR-Daten zur Abrechnung der Parkgebühren, zu Sicherheitszwecken (einschließlich Ermittlungen) und zur Einhaltung gesetzlicher Vorschriften.“

Das Magazin Forbes frohlockte zur Eröffnung des Intuit Dome vor einem Jahr, es sei „klar, dass dieses Gebäude zu einem Vorreiter für die Verbindung von fortschrittlicher Technologie und menschlicher Interaktion werden wird“.

Wir sollten das als Drohung verstehen. Konzerne wie Microsoft, Google und Facebook, die auf das engste mit der US-Regierung und den dortigen Geheimdiensten kooperieren und jeweils sehr große Auftragnehmer des US-Militärs sind, arbeiten intensiv daran, dass wir auch im normalen, analogen Leben der totalen digitalen Überwachung unterliegen. Und unsere Bundesregierung, die die Maxime „Digital-only“ in ihren Koalitionsvertrag geschrieben hat, hilft ihnen nach Kräften dabei, indem sie den Bürgern immer mehr nichtdigitale Handlungsoptionen wegnimmt.

Nachtrag (31.8.): Kritiker werden gesichtserkannt und ausgeschlossen

Die Besitzer diverser US-Veranstaltungsorte haben Medienberichten zufolge bereits mehrfach die Videoüberwachung mit Gesichtserkennung genutzt, um ihnen missliebigen Menschen trotz gültiger Tickets den Zutritt zu Veranstaltungen zu verweigern.

Die New Yorker Radio City Music Hall, ein Veranstaltungsort der Madison Square Garden Entertainment Corporation (MSG), hat besonders eindrucksvoll bewiesen, wie sich solche totalitären Technologien von machtbesoffenen, rachsüchtigen Menschen missbrauchen lassen. Sie verweigerte bereits 2022 der Begleitperson einer Pfadfindergergruppe den Eintritt zu einem Konzert. Die Anwaltskanzlei, bei der diese angestellt war, führte einen Rechtsstreit gegen MSG. MSG gab seinerzeit zu, die Gesichtserkennung zu nutzen, um alle Anwälte vom Besuch seiner Veranstaltungsorte auszuschließen, die an Verfahren gegen MSG beteiligt waren. MSG erhielt daraufhin einen Brief vom New Yorker Generalanwalt, mit der Warnung, dass dieses Vorgehen das Grundrecht auf freie Rede verletzen könnte.

Diese Warnung beeindruckte MSG-Präsident James Dolan offenkundig nicht nachhaltig. Im März 2025 wurde, nach Berichten von Washington Post und Gothamist, ein ahnungsloser Mann mit gültigem Ticket im Beisein seiner weinenden Mutter von sieben Sicherheitsleuten am Einlass der Radio City Music Hall umringt, nach draußen begleitet und informiert, dass gegen ihn ein Betretungsverbot für alle MSG-Veranstaltungsorte vorliege, Das mutmaßliche Vergehen des T-Shirt-Designers: Er hatte acht Jahre zuvor den Aufdruck „Ban James Dolan“ geschaffen, in Reaktion darauf, dass der rachsüchtige  Besitzer des Basketball-Teams New York Knicks einem Ex-Spieler des Teams Stadionverbot für deren Spielort Madison Square Garden erteilt hatte.

Von weiteren Fällen wird in diversen Internet-Foren berichtet. Die Ticketgebühren werden den Abgewiesenen in der Regel nicht erstattet, da sich die Veranstalter per Geschäftsbedingungen das Recht zur Abweisung bei Verstößen gegen Verhaltensregeln einräumen.

Mit dem Wissen um diese Vorgeschichte und die intensive öffentliche Diskussion darum, wird es umso eindrucksvoller – und perfider -, dass Ballmer seine Pläne für den Intuit Dome unbeirrt vorantrieb und Forbes in seinem euphorischen Bericht kein Wort zu den Risiken verlor.

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