Wenn es gegen Herrn V. geht, gilt das deutsche Presserecht nicht mehr

Die Bankrotterklärung  des deutschen „Qualitäts“-Journalismus ist total. Für die Fortsetzung ihrer Kampagne gegen den griechischen Finanzminister  ist ihnen jedes Mittel recht und Grundsätze des Journalismus sowie Presserecht gelten nicht mehr. Die Anti-Griechen-Schreiber merken dabei nicht einmal, wie sie sich selbst überführen.

In Missachtung einer Grundregel des Journalismus und des Presserechts haben sehr viele sogenannte Qualitätsmedien immer wieder Beleidigungen gegen den griechischen Finanzminister Yanis Vaourfakis vervielfältigt, und zwar unter Verweis auf ein anderes Medium, das auf eine anonyme Quelle verweist, die von nicht genannten Ministern spricht, die diese Beleidigungen ausgesprochen haben sollen.

Jeder andere, dem so etwas widerfährt könnte klagen und hätte zweifellos Erfolg damit. Denn es widerspricht eklatant dem Presserecht, anonyme Beleidigungen zu vervielfältigen, noch dazu, wie fast immer geschehen, ohne die Stellungnahme des Betroffenen einzuholen. Auch nachdem der Betroffene dementiert hatte, und ebenso der italienische Finanzminister öffentlich die Geschichte als falsch bezeichnet hatte, wurden die Beleidigungen immer wieder wiederholt, auch das ein klarer Verstoß gegen das Presserecht.

Unsere Medien treiben das Spiel sogar noch weiter. Ein amerikanisches Magazin, dem Varoufakis ein Interview gibt,  um sich zu verteidigen, schreibt nebenbei, er habe gesagt, er habe Mitschnitte von dem entsprechenden Treffen mit den angeblichen Beleidigungen, könne diese aber nicht öffentlich machen, weil die Ministertreffen vertraulich seien. Varoufakis dementiert. Trotzdem schreiben und senden sehr viele überregionale Zeitungen und Rundfunkanstalten wie zum Beispiel Tagesschau.de, Überschriften im Indikativ wie: 

Varoufakis hat Gespräche mitgeschnitten

Alles auf Band: Varoufakis schneidet heimlich Gespräche mit

Der unmögliche Herr Varoufakis: Griechenlands Finanzminister schneidet heimlich Gespräche seiner Kollegen mit

Dabei wird sogar in den darunter stehenden Berichten wiederholt, als ob es wohl der Wahrheit entspreche, welche Beschimpfungen während des angeblich mitgeschnittenen Treffens gefallen sein sollen.

Man fragt sich: Wenn Varoufakis tatsächlich Mitschnitte hat, warum um alles in der Welt sollte er darüber reden, wenn sie belegen, dass die behaupteten Beleidigungen tatsächlich gefallen sind, dass sein Dementi also falsch war. Dafür gibt es keinen einleuchtenden Grund.

Plausibel sind nur drei Möglichkeiten:

  1. Die Beleidigungen sind gefallen, und Varoufakis hat keine Mitschnitte. Dann sind die Überschriften der letzten Berichte Falschmeldungen.
  2. Die Beleidigungen sind nicht gefallen und Varoufakis hat Mitschnitte, die das beweisen. Dann waren die immer wieder in den Medien vervielfältigten Beleidigungen üble Nachrede, die diese Medien ungeprüft und unbewiesen immer wieder vervielfältigt haben.
  3. Die Beleidigungen sind nicht gefallen und es gibt keine Mitschnitte. Dann ist alles falsch, was geschrieben wurde.

Unabhängig davon was stimmt, haben vielen deutschen Medien wiederholt die Grundsätze anständigen Journalismus und das Presserecht mit Füßen getreten. Sie haben unbewiesene Beleidigungen von anonymen Quellen vervielfältigt und es wurden unbewiesene und dementierte Behauptungen im Indikativ in die Überschrift gesetzt.

Das muss endlich aufhören.

P.S. Stefan Nieggemeier hat auf seinem Blog am 25. Mai die „Affäre“ um die Mitschnitte in der detuschen Presse hervorragend auseinandergenommen. Mein eigener Nachtrag dazu: Für das „heimlich“ in „heimlich mitgeschnitten“, das sich in den meisten Berichten findet, habe ich noch nirgends einen Beleg gelesen. Kann man mit einem Mobiltelefon wirklich anständige Aufnahmen machen, wenn man es in der Tasche lässt, und nicht auf den Tisch legt? 

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