Weltwirtschaftsforum preist ausgerechnet Bitcoin als Instrument gegen die Erderwärmung an

22. 06. 2022 | Mit seinem Great Reset (Großen Neustart), will das Weltwirtschaftsforum, die Lobby der größten Konzerne, angeblich die Welt vor dem Klimakollaps retten. Mit einem Beitrag zur Klimarettung durch Bitcoin zeigt die mächtige Organisation, wie misstrauisch man bei Bekenntnissen und Analysen von Seiten der Konzerne zu sozialen Zielen sein muss. Greenwashing ist angesagt.

Skandalöser Weise ist das Weltwirtschaftsforum – sicherlich nicht zuletzt wegen der Abhängigkeit der UN vom Geld der Großkonzerne – als internationale Organisation anerkannt, etwa wie das Rote Kreuz. Als solche sitzt es nicht als Lobby auf den Rängen, wenn in internationalen Gremien das vermeintliche Wohl der Welt verhandelt wird, sondern mit am Tisch.

Es gibt die Gefahr, und erste Anzeichen, dass die Grünwascherei des Forums die Politik in Bezug auf Bitcoin und Co. beeinflussen wird. Darüber hinaus betrifft das auch die Formulierung der sozialen und ökologischen Ziele der UN und die Strategien zu deren Erreichung. Überall betreiben die Konzerne und das Forum massiv Greenwashing. Deshalb ist es wichtig auf Beispiele zu verweisen, die zeigen, wie verfehlt es ist, dieser Organisation ein vorrangiges Interesse am Gemeinwohl zu unterstellen.

Bitcoin wird grüngewaschen

Der jüngst auf der Webseite des Forums erschienene Beitrag „Can crypto become a leader in sustainability?“ (Kann Krypto die Führung in Sachen Nachhaltigkeit übernehmen?) ist ein Musterbeispiel für das Grünwaschen (Greenwashing) einer umweltschädlichen Technologie, an der viele IT- und Finanzkonzerne großes Interesse haben

Gemeint ist mit Krypto in diesem Fall alles, was die Distributed-Ledger-Technologie (Dezentrale Kassenbücher)  nutzt. Im Zentrum des Beitrags steht die Digitalwährung Bitcoin. Sie wird weithin als umweltschädlich kritisiert, weil zu seiner Herstellung (Mining)  und zur Verifikation von Transaktionen mittels der dezentralen Kassenbücher ein Rechenwettbewerbe unter Minern stattfinden, die nur jeweils einer gewinnt, bei dem aber alle Teilnehmer viel Energie verbrauchen.

Der Beitrag entstammt dem Crypto Impact and Sustainability Accelerator (CISA), den das Weltwirtschaftsforum zusammen mit der Bitcoin Werbe- und Informationsplattform CoinDesk betreibt. Mutter von CoinDesk ist die Digital Currency Group (DCG), ein Wagniskapitalunternehmen, das im Markt für Digitalwährungen investiert.

Da gibt es natürlich ein vitales Interesse, dass Bitcoin und andere Kryptotwährungen in der Öffentlichkeit nicht als Umweltschweinereien gesehen werden.

Weniger Schaden = Nutzen?

Und so macht sich die Autorin daran, mit viel Verweisen auf die Dramatik der Erderwärmung, wortreich den potentiellen Nutzen von Krypto bei der Transformation der Energieerzeugung zu behaupten.

Versprochen wird viel:

„Der Planet Erde steht vor einem Klimanotstand und es besteht dringender Handlungsbedarf, um die Emissionen bis 2030 zu senken. Kryptowährungen haben das Potenzial, bei der Dekarbonisierung unzuverlässiger Stromnetze zu helfen, wirtschaftliche Anreize für alle zu optimieren und den Ländern zu helfen, ihre Klimaziele zu erreichen.“

Doch die Beispiele, die sie findet und präsentiert, bleiben in der Substanz sehr weit hinter ihrer Intonation zurück. Da geht es zum einen darum, wie Krypto-Gesellschaften sich vornehmen, oder hier und da auch schaffen, die Umweltschäden, die von ihnen ausgehen, zu reduzieren.

Zum anderen wird hochgelobt, dass Bitcoin-Mining und Ähnliches so viel Energie verbraucht, und dass man diesen Energieverbrauch jederzeit abstellen könne. Das helfe den Energieerzeugern, mit den Schwankungen in der Erzeugung regenerativer Energien umzugehen. Auch das ist nur ein Abzugsposten vom Umweltschaden, der verursacht wird. Denn es ist kein großes Problem, Möglichkeiten zur Energieverschwendung zu finden, die man an und abschalten kann. Noch besser ist es sicherlich, überschüssige Energie in speicherbare Energie zu verwandeln, etwa in Form von Wasserstoff. Ohne das wird die Energiewende kaum gelingen. Bitcoin kann dazu nichts beitragen.

Das alberne Unterfangen, ein Unternehmen, das die CO2-Ablassbriefe (Carbon Offsets) irgendwie optimieren will, als Klimaretter darzustellen, wollen wir einmal ausklammern.

Gegenargumente mit Falschbehauptungen diskreditieren

Die Autorin des Stücks geht diejenigen, die den hohen Energieverbrauch von Bitcoin und Co. kritisieren, frontal mit dem Vorwurf an, sie würden Fake News, Falschbehauptungen verbreiten. Was sie selbst liefert, sind jedoch nur Falschbehauptungen und eigenwillige Bewertungen.

Sie greift den Kongressabgeordneten Jared Huffman dafür an, dass er in einem Brief an die US-Umweltbehörde den Beitrag des Bitcoin-Mining zur Erderwärmung kritisiert habe, mit „falschen Behauptungen“, dass z.B. eine einzige Bitcoin-Transaktion so viel Energie verbrauche wie ein Haushalt in einem Monat und dass Bitcoin pro Jahr so viel Energie verbrauche wie Griechenland. Sie habe diese „unproduktiven Missverständnisse“ in einem anderen Beitrag bereits ausgeräumt.

Doch in dem von ihr verlinkten Beitrag „Why the debate about crypto’s energy consumption is flawed“ geht es in Wahrheit gar nicht um das Korrigieren von Falschbehauptungen. Vielmehr wird allein versucht, darzulegen, dass die freiheitsfördernde Wirkung von Bitcoin und Co. den Energieverbrauch mindestens ebenso wert sei, wie etwa die Kühlschränke der Welt, die mehr Strom verbrauchten.

Der Beitrag ist voll mit wohlfeilen Behauptungen und liefert fast keine Daten, um sie zu belegen. Hauptthese ist, dass der Zugang zu einer dezentralen, nicht vom Staat beaufsichtigten Währung für die Milliarden Menschen, die nicht unter vorbildlichen demokratischen Bedingungen leben, eine sehr wichtige Funktion habe. Jetzt würde man gern wissen, wie viele das in der Praxis tatsächlich sind. Man findet nur die Feststellung, dass es geschätzt 300 Mio. Krypto-Nutzer gebe, und „nicht alle“ von diesen in entwickelten Nationen lebten.

Hohe politische Relevanz

Die Autorin beglückwünscht sich und die Branche dazu, dass das EU-Parlament in der im März genehmigten Version der vorgeschlagenen Regulierung für den Markt der Krypto-Assets (MICA), alles herausgelassen hat, was in Richtung Verbot der bei Bitcoin verwendeten energieintensiven Form des Mining hinauslaufen könnte.

Die im Weltwirtschaftsforum organisierten großen IT-Konzerne haben mit die größte Lobby-Power in Brüssel. Für deren Lobby-Arbeit sind windige Argumentationen, wie die hier vorgestellte, gedacht.

Ähnliches gilt in Washington, wo das White House Office of Science and Technology Policy (Büro für Wissenschafts- und Technologiepolitik des Weißen Hauses) an einem Bericht mit Politikempfehlungen  zum Krpto-Mining arbeite, der für August erwartet werde.

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