KenFM und die Totengräber der Demokratie

28. 05. 2021 | Alternative Medien werden jetzt nicht mehr nur von sozialen Medienplattformen und einer staatlichen Medienanstalt zensiert. Wegen zu viel Regierungskritik werden sie nun auch noch vom Verfassungsschutz beobachtet. Was das bedeutet analysiert Jens Berger in diesem Gastbeitrag.

Die Rote Linie ist überschritten

Von Jens Berger*
Die alternative Medienplattform KenFM wird nun vom Berliner Verfassungsschutz beobachtet. Dies meldete gestern tagesschau.de. Der deutsche Inlandsgeheimdienst überwacht nun also ganz offiziell kritische Medien. Liest man sich die Begründung durch, weiß man nicht, ob man lachen oder weinen soll. „Ein Teil der sogenannten alternativen Medien“ würde „regelrecht die politische Entfremdung schüren und [damit] das Vertrauen [in den Staat] untergraben“. Es sind also nach Ansicht des Inlandsgeheimdienstes nicht etwa die Regierung oder die Politik, sondern kritische Medien dafür verantwortlich, dass immer mehr Bürger sich politisch entfremden. Ein Satz, den wohl auch jeder Diktator unterschreiben könnte. Wenn der Staat mit geheimdienstlichen Methoden gegen unliebsame Journalisten vorgeht, ist endgültig eine rote Linie überschritten. Von Jens Berger.

Im September wird ein neuer Bundestag gewählt und zumindest mir fällt es schwerer denn je, mich überhaupt noch für eine Partei entscheiden zu können. Offenbar bin auch ich ein Opfer „politischer Entfremdung“. Die Diagnose wird wohl stimmen. Als politischer Mensch, der sich immer der linken Seite des politischen Spektrums zugehörig fühlte, müsste ich eigentlich für einen starken Staat plädieren, der im Sinne des Gemeinwohls regulierend in das Gesellschafts- und Wirtschaftssystem eingreift. Einen Staat, der sein Bestes tut, dass unser Land in friedlicher Koexistenz mit anderen Ländern leben kann. Doch kann man sich nach Jahrzehnten neoliberaler und immer militaristischerer Politik, die ganz offensichtlich nicht den Interessen des Gemeinwohls, sondern den Interessen der Finanzmärkte und transatlantischer Hasardeure dient, wirklich noch einen starken Staat wünschen? Ich bin da nicht sicher. Und diese Unsicherheit zeigt, dass ich mich politisch entfremdet habe.

Vollkommen absurd ist indes der Gedanke, dass ausgerechnet alternative Medien wie KenFM für diese Entfremdung verantwortlich sein sollen. Man muss sich nur die ganz hervorragende letzte Ausgabe der „Anstalt“ anschauen, die in aller Deutlichkeit die verfilzten, mafiösen und korrupten Strukturen der Dauer-Regierungspartei CDU/CSU aufzeigt. Ist es ein Wunder, dass man sich da politisch entfremdet? Soll man sich etwa mit einer Politik identifizieren, die sich Partikularinteressen und nicht dem Gemeinwohl verpflichtet sieht? Und wie sieht es mit den Alternativen aus? Soll man sich für die Grünen begeistern? Eine Partei, die auf dem Feld der Außen- und Sicherheitspolitik wie eine transatlantische Marionette der NATO wirkt, anderen Ländern ihre Vorstellungen von „westlichen Werten“ ohne mit der Wimper zu zucken auch mit militärischen Mitteln näherbringen will und sämtliche Ideale von einem friedlichen Zusammenleben der Völker ad absurdum führt? Oder soll man sich mit einer SPD identifizieren? Einer SPD, die spätestens seit der Agenda-Politik ihre eigenen Werte verraten und dabei ganz nebenbei die Gesellschaft so tief gespalten hat, dass es unmöglich erscheint, die Risse alsbald wieder zu kitten? Oder vielleicht dann doch der Linkspartei? Einer Partei, die zwar immer noch programmatische Lichtblicke zu bieten hat, sich aber auf dem selbstzerstörerischen Kurs der Identitätspolitik befindet und das Gemeinwohl offenbar nur noch als nachrangiges Ziel betrachtet? Von der FDP und der AfD müssen wir hier wohl nicht ernsthaft reden.

Ist Ken Jebsen dafür verantwortlich, dass man sich als kritischer Bürger nicht mehr mit einer dieser Parteien identifizieren kann? Hat er die Hartz-Gesetze verabschiedet? Hat er Belgrad bombardiert? Hat er die Banken gerettet und die Rechnung dafür der Allgemeinheit aufgetischt? Beteiligt er sich an militärischen Drohkulissen gegen Russland? Hat er sich an Lobbyisten und Verbände verkauft? Hat er eine desaströse Corona-Politik umgesetzt? Hat er das deutsche Rentensystem sabotiert, um Finanzkonzernen einen neuen Billionenmarkt zu erschließen? Lässt Ken Jebsen kritische Medien vom Inlandsgeheimdienst überwachen?

All das wäre mir neu. Man könnte ganze Bücher über die Gründe schreiben, warum immer mehr Menschen ihr Vertrauen in den Staat und die Politik verlieren. Der Name Ken Jebsen würde dort nicht auftauchen. Wohl aber die Namen traditioneller Medienmacher, die mit ihren Kampagnen maßgeblich dazu beigetragen haben, Mehrheiten für diese entfremdende Politik zu gewinnen und die heute mehr denn je gleichförmig genau diese Politik verteidigen, die zur Entfremdung beiträgt. Warum beobachtet der Verfassungsschutz nicht die BILD, die FAZ, den Tagesspiegel oder den SPIEGEL? Trägt die permanente Hetze der BILD gegen Ausländer, Flüchtlinge und Hartz-IV-Empfänger nicht zur Entfremdung bei? Sorgt die transatlantische Eskalationspolitik, wie sie neben der FAZ auch von vielen anderen Medien befördert wird, denn nicht für eine Entfremdung? Und was anderes außer eine Entfremdung stellen die spaltenden Corona-Maßnahmen dar, die von Medien wie dem Tagesspiegel und dem SPIEGEL förmlich herbeigeschrieben werden?

Laut Gesetz ist es Aufgabe des Verfassungsschutzes, Informationen zu sammeln und auszuwerten, die Bestrebungen gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung der Bundesrepublik offenlegen. Plant Ken Jebsen die Abschaffung des Grundgesetzes? Oder ist es nicht vielmehr so, dass mittlerweile fast jedes wichtigere Gesetz der Bundesregierung erst einmal vom Bundesverfassungsgericht bemängelt wird und nachgebessert werden muss? Alleine die Vorstellung, kritische Medien stellten eine Bedrohung der Demokratie dar, ist absurd.

Ach ja, da sind ja noch die angeblich so bösen „Querdenker“, die auch in der Begründung, KenFM zu überwachen, pausenlos auftauchen. Jebsens Portal würde sie radikalisieren, so der Verfassungsschutz. Liest man sich einmal den Bericht unserer Kollegen Ala und Christian Goldbrunner von der letzten Demonstration der Personen, die faktenwidrig von den Medien als „Querdenker“ bezeichnet werden, durch, weiß man, wer hier eskaliert und wer dafür sorgt, dass sich in der Tat immer mehr Menschen radikalisieren. Ken Jebsen ist es nicht.

Letztlich trägt der Staat mit seiner Entscheidung, kritische Medien durch den Inlandsgeheimdienst überwachen zu lassen, mehr zur politischen Entfremdung seiner Bürger bei, als es sämtliche kritische Medien in ihren Lebzeiten je tun könnten. Mit der Beobachtung von KenFM durch den Inlandsgeheimdienst ist eine weitere rote Linie überschritten worden. Die deutsche Politik betreibt im eigenen Land genau das, was sie so gerne „autoritären Regimen“ vorwirft. Aber vielleicht sollte man das nicht so laut sagen. Das könnte ja zur politischen Entfremdung beitragen und dann wäre man selbst ein Fall für den Verfassungsschutz.

Anmerkungen von Norbert Häring

Jens Berger spricht mir aus der Seele. Diese Vorgänge sind verheerend für eine freiheitliche Gesellschaft. Wo ist der Unterschied zur ehemaligen DDR, wenn Kritik an der Korruption und dem Versagen der Regierenden ganz offen als „Delegitimierung des Staates“ kriminalisiert wird. Mit Totengräbern der Demokratie (im Titel) meine ich vor allem Leute wie Georg Mascolo, ehemaliger Chefredakteur des Spiegel und heute „Terrorismusexperte“ der ARD und als Leiter des „Rechercheverbunds“ von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung ein Mundstück des sogenannten Verfassungsschutzes, von dessen wohlwollenden Zulieferungen er abhängt.

Dieser „Journalist“ ist sich nicht zu schade, gemeinsam mit dem sogenannten Verfassungsschutz einen Feldzug gegen die konkurrierenden alternativen Medien zu führen. Er schreibt Sätze bar jeder journalistischen Integrität wie: „Soufi-Siavash betreibt seit einigen Jahren das umstrittene Medienportal „KenFM“, auf dem unter anderem Beiträge mit Falschinformationen über die Corona-Pandemie verbreitet werden.“

Er ist sich nicht zu schade, freundlich über antidemokratische Monströsitäten seiner Verfassungsschutzfreunde zu berichten wie:

„Dafür wurde eigens eine neue Kategorie geschaffen, der Phänomenbereich trägt den sperrigen Namen „Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“, das dazugehörige Sammelbeobachtungsobjekt heißt: „Demokratiefeindliche und/oder sicherheitsgefährdende Delegitimierung des Staates“.Der Berliner Verfassungsschutz hat sich nun dafür entschieden, mit „KenFM“ auch ein Medium zu beobachten, das dafür verantwortlich gemacht wird, mit Falschinformation und Verschwörungserzählungen zur Radikalisierung der Szene beizutragen.“

Wenn das nicht von Walter Ulbricht sein könnte, weiß ich auch nicht: „Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“ als Bezeichnung für Kritik an den Regierenden. Überschritten wurde die Rote Linie zum Totalitären allerdings schon mit dem Gesetz von Ende 2020, das es staatlichen Medienanstalten erlaubt, alternative Medien zu zensieren, bis hin zu Sperrung der entsprechenden Seiten im Internet. Die Medienanstalten sind damit bereits eifrig zu Gange.

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*Jens Berger ist Redakteur der Nachdenkseiten, wo dieser Beitrag zuerst erschien.

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