Axel Weber will höhere Leitzinsen (Teil2)

Der Chef der Schweizer Großbank UBS und frühere Bundesbankpräsident Axel Weber wirbt für höhere Leitzinsen. Sein Argument: die niedrigen Zinsen können Ungleichgewichte, sprich Überbewertungen an den Finanzmärkten auslösen, die zu einer neuen Krise führen könnten. Mit seiner Diagnose hat Weber recht.

Er hat auch recht mit seiner Feststellung, dass die sogenannten makroprudenziellen Überwachungsinstrumente nicht ausreichen, dem entgegenzuwirken, zumindest, so wie sie derzeit konzipiert sind.

Weber räumt ohne weiteres ein, dass der Leitzins für den produzierenden und konsumierenden Bereich der Wirtschaft, also alles außerhalb der reinen Finanzsphäre nicht zu niedrig ist, sondern eher zu hoch. Er ist bereit, die Arbeitnehmer den Preis dafür bezahlen zu lassen, dass die Finanzinvestoren und Spekulanten in ihrem Überschwang gebremst werden. Sie zahlen ihn, indem sie mit einer höheren Wahrscheinlichkeit arbeitslos werden oder bleiben, oder indem ihre Lohnzuwächse gedrückt werden. Nicht andres steht nämlich hinter der beschönigenden Formulierung, dass das Inflationsziel unterschritten wird, wenn die Leitzinsen mit Blick auf die Finanzmärkte höher gesetzt werden, als zur Konjunkturlage passt.

Wenn es keine Alternative gibt, was Weber voraussetzt, dann muss man die Arbeitnehmer vielleicht in diesen sauren Apfel beißen lassen, damit sie nicht später unter einer möglichen Finanzkrise noch mehr leiden. Aber die Alternativlosigkeit ist nicht real. Sie beruht nur auf der Einhaltung eines Dogmas, das durch die Finanzkrise bereits komplett diskreditiert worden ist. Das Dogma lautet: die Finanzmärkte sind möglichst unbeeinflusst zu lassen, denn sie sind vollkommen effizient und steuern das Kapital dahin, wo es seine beste Verwendung findet.

Diesem Dogma folgen auch die makroprudenziellen Regeln, die derzeit diskutiert oder schon eingeführt werden. Sie bestehen im Wesentlichen darin, unter bestimmten, genau definierten Bedingungen in Bezug auf die Entwicklung der Gesamtwirtschaft die Kreditvergabe durch die Banken zu erschweren. Dabei wird kaum ein Unterschied nach Art des Kredits gemacht, und die sinnvolle Festlegung der Schwellenwerte ist sehr schwer.

Weber selbst widerspricht dem Dogma der Finanzmarkteffizienz, indem er sagt, Finanzmärkte neigen zu Blasen. Das bedeutet: Geld fließt, zum Beispiel in den Aktienmarkt, das in einem produzierenden Unternehmen besser aufgehoben wäre. Wenn die Finanzmärkte, in der Realität vor allem die Geschäftsbanken wie die UBS, das Geld nicht in die beste Verwendung lenken, dann entfällt die Rechtfertigung dafür, dass der Staat als Aufsicht und Regulierer die Banken machen lässt. Er ist dann aufgerufen, gesamtwirtschaftliche Erwägungen über das davon abweichende kurzfristige Gewinnkalkül der Banken zu stülpen.

Kreditsteuerung ist  möglich und wurde in der Vergangenheit auch vielerorts gemacht, auch von der Bundesbank. Es gab eine Zeit, das war die Norm, dass ein neues Finanzinstrument genehmigt werden musste, was nur geschah, wenn ein gesamtwirtschaftlicher Vorteil damit verbunden war und nicht spekulatives Interesse überwog. Und es gab und gibt die Möglichkeit, übermäßige Kreditausweitung im Finanzsektor, ohne direkten Bezug zur Realwirtschaft, zu begrenzen. Die Informationen dafür sind vorhanden. Jeder Kredit wird nach seinem Zweck klassifiziert und an die Zentralbank berichtet. Ein Investitionskredit wird ganz anders besichert, als ein Kredit zum Kauf von Aktien oder einer Immobile. Umgehung ist zwar nicht unmöglich, aber im Prinzip nachvollziehbar und kontrollierbar. Die Zentralbanken sind gegenüber den Geschäftsbanken mächtig genug, dass diese sich nicht trauen werden, den Intentionen der Zentralbank nachhaltig zuwiderzuhandeln.

Aber es ist natürlich verständlich, dass der Chef einer großen Geschäftsbank lieber mit der Prämisse arbeitet, dass die Notenbank die Geschäftsbanken machen lässt, was sie wollen.

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