Sehr geehrter Herr Häring,
angesichts des Austritts von vier BSW-Abgeordneten in Brandenburg und den Stellungnahmen von Sahra Wagenknecht sollte, denke ich, auch mal über die Gründe etwas geschrieben werden, weshalb die Reform des Medienstaatsvertrages kritisch zu sehen ist.
Die Ministerpräsidentenkonferenz hat im Dezember 2024 einen Jugendmedienschutz-Staatsvertrag beschlossen, der die Befugnisse der Landesmedienanstalten deutlich ausweitet. Landesmedienanstalten sollen mit der Gesetzesänderung u.a. das Recht bekommen, Banken die Zahlung an Anbieter zu untersagen, die nach Einschätzung der zuständigen Landesmedienanstalt als „jugendgefährdend“ kategorisiert werden oder untenstehende Kriterien erfüllen. Laut dem neuen Jugendmedienschutz-Staatsvertrag wären Maßnahmen gegen Anbieter von Telemedien oder Betriebssystemen mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat zulässig, wenn die Maßnahme zum Schutz
„a) der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, einschließlich des Jugendschutzes, insbesondere im Hinblick auf
aa) die Verhütung, Ermittlung, Aufklärung, Verfolgung und Vollstreckung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten,
bb) die Bekämpfung der Verunglimpfung aus Gründen der Rasse, des Geschlechts, des Glaubens oder der Nationalität,
cc) Verletzungen der Menschenwürde einzelner Personen oder
dd) die Wahrung nationaler Sicherheits- und Verteidigungsinteressen,
b) der öffentlichen Gesundheit oder
c) der Interessen der Verbraucher und der Interessen von Anlegern
erforderlich ist.“
„Darüber hinaus kann die zuständige Landesmedienanstalt den am Zahlungsverkehr Beteiligten, insbesondere den Kredit- und Finanzdienstleistungsunternehmen, nach vorheriger Nennung unzulässiger Angebote im Sinne des § 4 Abs. 1 und 2 die Mitwirkung an Zahlungen für diese Angebote untersagen, ohne dass es einer vorherigen Inanspruchnahme des Anbieters durch die Aufsicht bedarf.““
Auf heise.de und in deren Kommentarfunktion wird beschrieben, dass Hersteller von Betriebssystemen verpflichtet werden, neue Filterfunktionen für den Jugendschutz einzubauen. Insgesamt könnte die Reform also eine Altersverifikation des Internets vorbereiten, wie sie in England und Australien bereits eingeführt wurde:
Die neuen Befugnisse der Landesmedienanstalten auf Grund des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags werden aktuell zunächst anhand von Pornoseiten ausprobiert. Es erscheint aber nicht undenkbar, dass Landesmedienanstalten demnächst auch regierungskritische Medien als jugendgefährdend (oder entsprechend der oben zitierten Passagen z.B. als „Bedrohung für nationale Sicherheitsinteressen“) einstufen könnten. Zitat aus einem weiteren Beitrag auf heise.de:
„Die Landesmedienanstalten wollen Finanzdienstleister dazu zwingen, Zahlungen an Erotikportale wie Pornhub und Youporn abzulehnen – auch Zahlungen Erwachsener. Rechtsgrundlage ist der neue Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV)… In der Folge haben 2024 mehrere Medienanstalten Sperranordnungen erlassen. Mittel der Wahl ist die Manipulation des Domain-Name-Systems (DNS) des Internets.“
Herzlichen Gruß
Andreas Heyer
Anmerkung von Norbert Häring: Als BSW-Mitglied möchte ich selbst zu diesem Sachverhalt hier nicht Stellung beziehen.