Wie Faesers Ministerium auf Anfrage mitteilte, fließt eine Förderung von bis zu einer Million Euro für die Durchführung des Projekts Jahr der Nachricht an die von der Nachrichtenagentur dpa gegründete gemeinnützige GmbH #UseTheNews. Förderzeitraum ist 1. November 2023 bis 31. Dezember 2024. Die Bundeszentrale für politische Bildung ist 2023 und 2024 mit je 30.000 Euro dabei. (Korrekturhinweis: Beginn des Förderzeitraums von 1.11.2024 auf 1.11.2023 Korrigiert.)
Die dpa arbeitet bei dem Projekt mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk und einigen der wichtigsten privaten Medienkonzerne des Landes zusammen. Die öffentliche Förderung ist in mindestens vierfacher Hinsicht problematisch bis skandalös:
- Die Aktion richtet sich gegen Online-Medien, die den etablierten Nachrichtenmedien Konkurrenz machen. Der Staat ergreift hier auf unfaire Weise Partei.
- Indem sie in großem Umfang Steuermittel an die führende Nachrichtenagentur und deren Kooperationspartner gibt, schafft die Regierung Anreize zu regierungsfreundlicher Berichterstattung bei den meinungsbestimmenden Medien.
- Indem der Staat den Kampf gegen sogenannte Desinformation fördert, schwingt er sich – auf oft eigennützige Weise – zum Richter über wahr und falsch auf.
- Eine SPD-Ministerin finanziert großzügig das Projekt einer Organisation, in der ziemlich viel SPD steckt.
Staatliche Förderung „seriöser“ Medien
Die Parteinahme für die etablierten Medien liest sich in einer Pressemitteilung der Bundesregierung vom 11. März zum Jahr der Nachricht so:
„In Zeiten von Desinformation und Deepfakes will die Initiative „Jahr der Nachricht“ jungen Menschen mehr Orientierung bieten. Das Ziel des Projekts von #UseTheNews: Seriösen Medien eine Plattform schaffen und den kompetenten Umgang mit Nachrichten stärken. Ziel des Projekts ist es (…) mehr Aufmerksamkeit auf seriöse Medien zu lenken.“
Man darf sicher sein: Wenn das Projekt so konzipiert worden wäre, dass regierungskritische Berichte von alternativen Medien als wichtige Informationsquelle genannt würden, wäre die Millionenförderung nicht zugesagt worden. Doch im Sprachgebrauch der dpa, des öffentlich-rechtlichem Rundfunks und der beteiligten Medienkonzerne steht Desinformation nicht nur für echte Falschinformationen. Es steht auch für unbequeme Informationen und Kommentare in alternativen Medien, die dem vorherrschenden Narrativ von Regierung und Leitmedien zu besonders sensiblen Themen widersprechen, Deshalb gibt es hier eine Interessenharmonie, die die Regierung mit der Millonenförderung würdigt und vertieft.
Welches die besonders sensiblen Themen sind, lässt Jens Petersen von dpa wissen: Krieg in der Ukraine und in Gaza, Klimawandel, Ampel-Streit und Rechtsextremismus. Dass eine Regierung vermeintlich unabhängige Medien dafür bezahlt, dass sie bezüglich der Streitereien innerhalb der Regierungskoalition „Wahrheit“ von „Desinformation“ scheiden, ist eine offenkundige Grenzüberschreitung.
Aber auch beim Thema Rechtsextremismus ist das ausgesprochen problematisch. Die größeren Regierungsparteien fahren schließlich gerade eine intensive Kampagne gegen eine große rechte Oppositionspartei. Und auch in Sachen Ukraine, Gaza und Klimawandel gelten nicht alle in der Regierung als objektiv und nicht alle etablierten Medien als regierungsfern.
Die Gefahr, dass das Konzept von Jahr der Nachricht wenig regierungsfreundlich ausfallen würde, war allerdings von Anfang an gering. In der Kampagne steckt nämlich einiges an SPD.
Wer ist #UseTheNews?
Irreführend schreibt die Regierung über die „Initiative“ #UseTheNews, die das Jahr der Nachricht konzipiert hat und durchführt, sie werde „von der dpa sowie von einigen öffentlich-rechtlichen Medien“ unterstützt. Auf der Netzseite der 2020 gegründeten GmbH, um die es sich bei dieser „Initiative“ handelt, steht etwas anderes.
Danach sind Initiatoren die dpa, die Stadt Hamburg, die Hamburger Hochschule HAW und das Hans-Bredow-Institut für Medienforschung. Schon bevor die Innenmisterin tief in das Staatssäckel griff, gab es also schon eine sehr fragwürdige Kooperation einer SPD-geführten staatlichen Instanz mit einem dominierenden Akteur der Medien, der den Regierenden eigentlich auf die Finger schauen sollte.
Die öffentlich-rechtlichen Medien ARD, WDR, SWR und Deutschlandradio werden als Medienpartner von #UseTheNews aufgeführt, zusammen mit dem Who-is-Who der privaten Medienkonzerne und ihrer Verbände, darunter RTL, Spiegel, Funke-Gruppe und viele andere. Auch die führenden Nachrichtenagenturen der Niederlande, der Schweiz und Österreichs, ANP, Keystone-SDA und APA sind dabei.
In der Ankündigung der Stadt Hamburg zum Jahr der Nachricht heißt es, #UseTheNews habe auch einen Partner in den USA, der die Initiative dort vorantreibe. Dabei handelt es sich um das Nonprofit-Unternehmen News Literacy Project (NLP), das mit allen wichtigen Nachrichtenagenturen, Nachrichtenkanälen und überregionalen Zeitungen vernetzt ist und mit einem Etat von rund sechs Millionen Dollar pro Jahr Fake News bekämpft. (Hinweis: Informationen zu News Literacy Project am 17.5.24 nachgetragen.)
Tonangebend bei #UseTheNews ist Gründerin dpa. Geschäftsführer ist der langjährige dpa-Journalist und -Manager Meinolf Ellers. Zum siebenköpfigen Projektteam gehören zwei weitere dpa-Mitarbeiterinnen, sowie zwei Mitarbeiter der HAW und je einer der Stadt Hamburg und des Bredow-Instituts.
Wer und was stecken hinter dem Jahr der Nachricht?
Bei den Kostenträgern für das Jahr der Nachricht kommt noch mehr SPD hinzu. Die Kosten tragen laut der Netzseite des Projekts, #UseTheNews, das Faeser-Ministerium, die diesem angegliederte Bundeszentrale für politische Bildung, der Bildungsverlag Westermann und die Madsack-Stiftung. Die Madsack Mediengruppe, zu der das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) und 19 regionale Tageszeitungen gehören, hat die SPD als größte Kommanditistin.
Mit dem Geld der Steuerzahler dürfen die teilnehmenden etablierten Medien Programme finanzieren, die die Branche normalerweise als Kundenbindungsprogramme über den Werbeetat finanziert, etwa „ein neues Nachrichtenformat auf Social Media und bundesweite Newscamps für Jugendliche. Auch werden Schulklassen und Lokalredaktionen miteinander verknüpft und journalistische Projekte initiiert.“
Bei den Partnern ist wiederum das Who-is-Who der Medienkonzerne und der öffentlich-rechtlichen Medien dabei. Man findet sogar TikTok unter den Partnern, was angesichts des vorgeblichen Fokus auf „seriöse Medien“ etwas überraschend ist. Auch Correctiv darf natürlich nicht fehlen, wenn ein SPD-Ministerium Geld zu verteilen hat.
Der wichtigste und teuerste Bestandteil von Jahr der Nachricht dürfte eine sogenannte Testimonial-Kampagne mit werbenden Berühmtheiten sein, die in Videos und Printanzeigen kundtun, dass man sich (nur) bei den etablierten Medien informieren soll. Koordiniert wird die Kampagne von der Organisation der Mediaagenturen (OMG). Jens Petersen von dpa dazu:
„Den Kern der nationalen Kommunikation bildet unter dem Claim „Vertraue Nachrichten, die stimmen statt Stimmung machen“ eine großflächige Testimonial-Kampagne. Zu den prominenten Gesichtern zählen unter anderem die Schauspielerin und Sängerin Lina Larissa Strahl, TikTok-Creatorin Nadine Breaty, Nachrichtensprecherin Damla Hekimoglu (unter anderem Tagesschau24), TikTokerin Jeannie Wagner sowie die RTL- und ntv-Moderatorinnen Pinar Atalay und Nadja Kriewald. Die Motive sind deutschlandweit in TV, Radio, Print sowie auf digitalen Plakatflächen und in den sozialen Netzwerken zu sehen.“
Dass der zitierte Claim (Anspruch) einen Grammatikfehler aufweist, scheint niemanden zu stören.
Umgang mit Desinformation und Fake News
In einem Handout von dpa/#UseTheNews zu Desinformation wird erklärt, warum diese so gefährlich sei. Aufgeführt werden die Punkte „Meinungsmanipulation und Spaltung der Gesellschaft“ und „schürt Misstrauen gegenüber Staat und Demokratie“ sowie „Selbstgefährdung durch falsche Informationen zu Impfungen“. Man ahnt die Richtung.
Anders als die Begriffe Desinformation und Fehlinformation, die angeblich Experten benutzen, ist der Begriff Fake News übrigens „problematisch“, denn er wird gern vom Volk benutzt, um die Arbeit „der Medien“ abzuwerten.
Um Desinformation in den sozialen Medien zu erkennen, wird empfohlen zu schauen, wem der Autor der Information folgt. Gesinnungsprüfung als erster Schritt also. Außerdem soll man per Stichwortsuche checken, was die (staatlich-unterstützten) etablierten Medien zu dem Thema schreiben und nur das glauben.
Und ganz wichtig: man soll bei den Faktencheckern nachschauen. Natürlich nur bei Faktencheckern, die wie diejenigen der dpa, der Tagesschau, von afp und von Correctiv zuverlässig die Regierungslinie als die einzig wahre gelten lassen, oft auf Basis des Faktums:: „Die Regierung hat (uns) gesagt, dass es so ist.“
Meine Verrisse von regierungshörigen, hochgradig tendenziösen bis irreführenden Faktenchecks von dpa, ARD, correctiv und Co. sind Legion.
Verständlich, dass die Regierung sich gern mit großzügiger Förderung der Kundenbindungsprogramme dieser Alliierten für so viel Schützenhilfe revanchieren mag.
Man weiß nicht, ob man es unfreiwillig komisch oder hochgradig dreist nennen soll: Das Bundesinnenministerium hat 2020 das Strategiepapier für eine bis dahin beispiellose Angstkampagne von Regierung und Medien geliefert, um die Bevölkerung gefügig zu machen. Und nun finanziert ebendieses Ministerium eine Kampagne ebendieser Medien, die den Menschen weismachen soll, dass sie nicht auf regierungskritische Medien hören sollen, weil diese mit Angstmache und Emotionalität arbeiteten, und – man höre und staune – mit Angriffen auf Menschen mit anderer Meinung, statt mit Argumenten. Aus dem dpa-Handout:
„Emotionale Themen und Wörter sprechen unsere Gefühle an und lenken von Fakten ab. Statt sich mit den Argumenten von Diskussionspartner:innen auseinanderzusetzen, wird mit persönlichen Angriffen deren Glaubwürdigkeit attackiert.“
Dabei erinnern wir uns nur zu gut an die bis dahin renommierten Wissenschaftler, die plötzlich routinemäßig als umstritten und schlimmeres abqualifiziert wurden, an die Kritiker der überzogen Maßnahmen, die pauschal als Idioten, Nazis oder Antisemiten verunglimpft wurden, an die (noch nicht geimpften und maskierten) Kinder, die mit Pestratten verglichen wurden, an die Blinddärme, die keiner braucht und keiner vermissen würde. Alles von exponierten Vertretern der Medien, die uns nun mit viel Regierungsgeld Vorsicht im Umgang mit emotionalisierenden Berichten der unabhängigen Konkurrenz beibringen sollen. Das hat schon was.
Aus Anlass eines peinlichen „Faktenchecks“ von dpa zum geplanten WHO-Pandmievertrag habe ich mich ausführlich mit dem Morast an finanzieller und sonstiger Interessenverquickung der sogenannten Faktenchecker und ihrer Dachorganisationen mit WHO, US-Regierung, reichen US-Stiftungen, EU und Nato befasst.
Die Rolle der dpa in der Medienlandschaft
Die dpa ist die mit großem Abstand führende Nachrichtenagentur in Deutschland und enorm wichtig für die sehr oft beobachtete Gleichrichtung der Berichterstattung. Berichte von dpa finden sich entweder Wort für Wort oder etwas umformuliert und vielleicht angereichert in den meisten etablierten Medien. Es gibt sehr wenige Medienhäuser in Deutschland, die nicht die Nachrichten von dpa beziehen. Was über die Agentur läuft, setzt die Agenda für die Berichterstattung vieler Nachrichtenseiten.
Getragen wird die Nachrichtenagentur von ihren Kunden, den (meisten) Zeitungshäusern und Medienkonzernen des Landes.
Das Gebaren der dpa und seiner Kunden in Verhandlungen zum WHO-Pandemievertrag und zur Verschärfung der Internationalen Gesundheitsvorschriften ist symptomatisch dafür. Die dpa berichtet praktisch nicht über dieses wichtige Thema und so halten es auch die allermeisten deutschen Medien. Erst als und nur weil das Thema in den sozialen und unabhängigen Medien (wie diesem Blog) hochkochte, publizierte die dpa ein paar tendenziöse „Faktenchecks“, die die vorgebrachten Kritikpunkte ins Reich der Desinformation verwiesen. Soweit die etablierten Medien überhaupt berichten, was sie mangels dpa-Berichten sehr selten tun, bestimmt dieser Spin bis heute den Tenor.
Doch die dpa bestimmt nicht nur, was die meisten Leser von Regionalzeitungen und vielen reichweitenstarken Internetportalen mit welchem Spin lesen und was viele Rundfunknutzer sehen und hören. Sie macht auch gegen Geld für Facebook sogenanntes Factchecking. Das bedeutet, dass sie indirekt entscheiden darf, welche Beiträge auf Facebook weite Verbreitung finden dürfen, und welche ausgebremst werden. Und seit April 2022 entscheidet dpa für Facebook, welche Nachrichtenstücke von deutschen Medien über den Kanal Facebook News ausgespielt werden.
Dass die Agentur ihr Quasi-Nachrichtenmonopol auch auf die sozialen Medien ausdehnt, indem sie dort bestimmt, was richtig und was falsch ist, was Verbreitung finden darf und was gebremst oder zensiert wird, und dann auch noch für die Nachrichtenauswahl dort zuständig ist, ist hochgradig problematisch.
Fazit
Zu dem, was man landläufig unter freiheitlich-demokratischem Staatswesen versteht, passt das staatlich geförderte Jahr der Nachricht ganz und gar nicht. Freuen wir uns daran, dass die Ministerin einer verzweifelten Kanzlerpartei durch hemmungsloses Ausleben ihrer totalitären Impulse die Staatsnähe der dominierenden Medien weithin erkennbar macht.
Hinweis: Ich wurde durch einen Kommentar von Julian Reichelt in Nius auf das Thema aufmerksam.
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Video zu Hintergründen der Millionensubvention für die dpa
24. 03. 2024 | Intersubjektiv hat ein neues Aufklärungsvideo erstellt. Viel Spaß beim anschauen. Gern weiterverbreiten.|