Der UN-Migrationspakt will dazu beitragen, dass Migration überall und von allen als etwas Positives verstanden wird. Mit seiner Annahme hat sich die Bundesregierung verpflichtet, „das Abkommen in Kooperation und Partnerschaft mit den Medien umsetzen.“ Sie hat sich verpflichtet, hochwertige Berichterstattung von Medien über Migrationsfragen zu fördern und Medienleute entsprechend zu sensibilisieren und zu unterrichteten. Die Macher des Heute Journals scheinen sich dieser Vereinnahmung nicht entziehen zu wollen. Die Wahrheit in der Berichterstattung muss dahinter notfalls zurückstehen.
„Die Flucht über das Mittelmeer ist 2018 noch gefährlicher geworden“, sagte die Nachrichtensprecherin im Heute Journal am 30.1.2019 (Minute 16). „Laut der Uno ertranken im Schnitt sechs Menschen pro Tag beim Versuch, nach Europa zu gelangen. Ein Grund seien weniger Suchaktionen.“
Das war die komplette Nachricht. Die Zuschauerinnen und Zuschauer können nicht anders als daraus zu schlussfolgern, dass weniger Rettungsbote im Mittelmeer zu mehr Ertrunkenen geführt haben. Ist ja auch plausibel. Wer dennoch den Weg auf die Website des UN-Hochkommissariats für Flüchtlingsfragen (UNHCR) findet, staunt nicht schlecht, wenn er feststellt, dass laut deren Daten die Zahl der Ertrunkenen gegenüber 2017 um knapp 30 Prozent gesunken ist, von 3139 auf 2275. Im Vorjahr starben noch acht Menschen pro Tag im Mittelmeer, 2016 sogar 13. Sechs pro Tag ist immer noch viel zu viel, aber es ist weniger als die Hälfte von vor zwei Jahren und deutlich weniger als im Vorjahr.
Das Gemeinte wird beim UNHCR immerhin noch erkennbar, beim Heute Journal nicht mehr. Die Anzahl derer, die sich in die Boote begaben, ging noch stärker zurück als die Anzahl der Ertrunkenen.Eine Relation von Ertrunkenen zu Angekommenen ist also gestiegen.
Was man daraus folgern will, mag jeder und jede für sich entscheiden, wenn sie die Fakten kennen. Die Schlussfolgerungen des Publikums mit derartig verfälschender Berichterstattung zu manipulieren, ist jedenfalls nicht legitim und auch nicht zielführend, wenn man wirklich die immer noch schrecklich hohe Zahl der Ertrinkenden weiter reduzieren will.
Auch das UNHCR lädt in den ersten Zeilen der Zusammenfassung seines Berichts auf recht manipulative Weise zu der falschen Schlussfolgerung ein, weniger Rettungsschiffe hätten zu mehr Ertrinkenden geführt. Wer allerdings nur wenige Zeilen weiterliest, findet durchaus den Hinweis darauf, dass die Anzahl der Toten deutlich zurückgegangen ist.
Das Heute Journal muss sich also vorhalten lassen, Informationen entweder bewusst zu verfälschen, oder seinem Millionenpublikum zu hochsensiblen Themen einfach nur Pressetexte vorzulesen, ohne das allerkleinste Minimum an Prüfung. Beides ist mit journalistischem Ethos und der Verantwortung gegenüber dem beitragszahlenden Publikum in eklatanter Weise unvereinbar.
[31.1.2019]