19. 12. 2016 | Ein Leser, der seit gut zwei Jahren ein YouTube-Portal betreibt, berichtet mir davon, dass es offenbar seit einigen Tagen einen neuen Umgang von YouTube mit Spam gibt. Dabei werde ihm die bisherige Möglichkeit genommen, Nutzerkommentare, die YouTube als „wahrscheinlich Spam“ klassifiziert, überhaupt noch zu sehen, geschweige denn, die Einstufung zu ändern und sie zu veröffentlichen. Das nährt einen Verdacht.
Der Kanalbetreiber Helmut Lenders beschreibt das bisherige Vorgehen so:
„YouTube ordnet eingehende Kommentare zu Videos automatisch in zwei Kategorien: ‚Überprüfung ausstehend‘ und ‚wahrscheinlich Spam‘. Die mit ‚Überprüfung ausstehend‘ klassifizierten Kommentare veröffentlicht YouTube selbständig ohne meine Zustimmung. Ich kann diese Kommentare allerdings lesen und löschen. Die mit ‚wahrscheinlich Spam‘ klassifizierten Kommentare wurden mir bislang ebenfalls zum Löschen oder zum Veröffentlichen angezeigt.“
Das neue Vorgehen sei so:
„Seit einigen Tagen wird mir nur noch die Gesamtzahl der mit ‚wahrscheinlich Spam‘ klassifizierten Kommentare angezeigt. Ich kann diese aber nicht lesen und schon gar nicht mehr löschen oder veröffentlichen.“
Hinzu kommt auf Nutzerseite:
„Leute, die meinen Kanal abonniert haben, berichten mir, dass es ihnen auch seit einigen Tagen unmöglich sei, den Like- oder Don‘t-like-Daumen zu benutzen. Das bedeutet u.a. auch, dass YouTube mich dadurch in seinem internen Ranking nach unten geschoben hat und dadurch meine Videos nicht mehr oder zumindest vermindert in den Empfehlungen auftauchen, was ich allerdings leicht verschmerzen könnte.“
(20.12.: eine Blogleserin berichtet allerdings, sie könne die Video normal liken und disliken. N.H.)
Sein Vedacht:
„Ich glaube nicht, dass dies ein Bug ist. meiner Meinung nach versucht YouTube auf diese Weise unerwünschte Kommentare und Meinungen zu unterdrücken.“
Einen Hinweis von Youtube auf eine neue Vorgehensweise habe Lenders nicht wahrgenommen. Er habe YouTube deswegen angeschrieben, aber bisher keine Antwort erhalten.
Sein Verdacht scheint nicht gänzlich unplausibel, haben doch just vor einigen Tagen YouTube, Facebook, Twitter und Microsoft eine gemeinsame Zensurdatenbank vereinbart. Außerdem hat Facebook, dass derzeit wesentlich stärker von der Politik unter Handlungs- und Erklärungsdruck gesetzt wird, angekündigt, auszuprobieren, wie man „Fake News“ weniger Verbreitung geben kann, u.a. dadurch, dass ihre Rankings auf verschiedene Weise gedrückt werden. Vielleicht tut ja YouTube bereits unauffällig genau das und ist Lenders YouTube-Kanal auf einer der derzeit umlaufenden schwarzen Listen von angeblichen Putin-Propagandisten, Fake-News-Produzenten oder Verschwörungstheoretikern vertreten, die es zu zensieren gelte. Ganz abwegig ist der Gedanke nicht, da auf seinem Kanal (1,55 Mio Aufrufe seit Nov. 2014), den ich bisher nicht kannte, nach dem ersten Eindruck zu urteilen, gehäuft Leute wie Oskar Lafontaine, Dirk Müller, Daniele Ganser und Julian Assange zu sehen, und Wörter wie Drohnenkrieg und Ramstein zu hören sind. In den USA scheint Google News bereits eine Website ausgelistet zu haben, die zeitweise auf einer schwarzen Liste einer obskuren Organisation namens PropOrNot stand
Ich bitte das „?“ im Titel und die Formulierungen „nicht gänzlich unplausibel“ und „Verdacht“ zu beachten, die ich genau so meine. Es ist ein noch wenig substantiierter Verdacht, beruhend auf einer Einzelerfahrung. Da jedoch Unternehmen wie YouTube und Facebook sich keinen Namen wegen Transparenz erworben haben, hoffe ich auf diesem Wege schneller in der Lage zu sein, den Verdacht auszuräumen oder zu erhärten, als mit einer Anfrage beim Unternehmen. Ich nehme gern Hinweise auf Erfahrungen anderer Kanalbetreiber und –nutzer auf entsprechende oder gegenteilige Erfahrungen entgegen, ebenso Hinweise auf übersehene Infos von YouTube, die das Ganze aufklären könnten. Ich bitte um Nachsicht, das ich seit einiger Zeit nicht mehr in der Lage bin, alle Zuschriften zu beantworten. Ich lese aber alle. Ich plane etwaige weiterführende Infos als Nachträge in diesem Blogbeitrag zu veröffentlichen, eventuell auch als neuen Beitrag.
Leserinfos
20.12.: Eine Leserin berichtet, sie könne die Videos ganz normal liken und disliken.