Leserreakton: Ukrainische Opposition vom Auslands Gnaden

1.03. 2014   In der Handelsblatt-Kolumne vom 25.2. hatte ich ausführliche die US-Außenstaatssekretärin Victoria Nuland zitiert, die einerseits  im fuck-the-EU-Telefonat mit dem US-Botschafter besprochen hatte, wer in die neue ukrainische Regierung sollte und wer nicht, andererseits im Dezember in Washington von fünf Milliarden Dollar gesprochen hatte, die die USA ausgegeben hätten, um die außerparlamentarische Opposition und Verbündete in Unternehmen, Regierung und Kirche zu unterstützen. Dazu schrieben mir empörte Leser:

LESER: Dass die USA nun einen Krieg mit einer waidwunden Großmacht riskierten ist doch einfach vollkommen überzogen. Zudem ist unter den bei Ihnen genannten Firmen, deren Rolle Sie als US-Imperialistenkonzerne insinuieren, mit System Capital Management auch die Firma des größten ukrainischen Oligarchen, mitnichten also US-Imperialisten. Und die US-Milliarden flossen seit Jahren in den Aufbau demokratischer Institute. das sollten Sie nicht verunglimpfen. Zudem brüskieren Sie  auch die Opposition, die nun wirklich zum allergrößten Teil vollkommen unabhängig von den USA – darunter Anti-US-Nazis! – ihren Kampf geführt haben.

LESER: Über Ihren Kommentar zur Entwicklung in der Ukraine muss ich mich doch sehr wundern. Bislang waren Sie mir nicht als Experte für Osteuropa-Politik aufgefallen. Dass Sie hier weitgehend unkritisch russische Verschwörungstheorien, an denen derzeit kein Mangel besteht, wiedergeben und zum Schluss auch noch eine Parallele zum 1. Weltkrieg konstruieren, um mehr Rücksichtnahme auf russische Interessen zu fordern, zeugt in meinen Augen entweder von Unkenntnis oder von blankem Zynismus. „Schuster bleib bei deinen Leisten“, dieses schöne Sprichwort ist mir beim Lesen Ihrer Kolumne spontan eingefallen.

HÄRING: Dass die Warnung vor Kriegsgefahr nicht „völlig überzogen“ war, dürfte inzwischen auch Trägern rosaroter Brillen klar geworden sein. Die Tatsache, dass Vitali Klitschko erst einmal kein Amt bekleidet, was Nuland auch nicht wollte, dafür aber Arseni Jatsenjuk Übergangspräsident ist, wie von Nuland gewünscht, spricht auch nicht gerade für eine von außen unbeeinflusste Machtübernahme der Opposition in der Ukraine. Was für ein Fachmann muss man eigentlich sein, um wichtige Punkte aus einer Rede widerzugeben, die bei uns einfach totgeschwiegen wird, weil hierzulande die Mär vom unbeeinflussten Aufstand des edlen ukrainischen Volkes gegen den bösen (aber peinlicherweise von einer Mehrheit der Ukrainer gewählten) Diktator aufrecht erhalten werden soll. Für eine vernünftige Diskussion muss erst einmal einer das aufschreiben, was ist. Es scheint dafür zu helfen, kein „Experte“ zu sein.

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