Besonders schöne Leserantworten auf EZB-Fragen

24. 03. 2020 | Kürzlich veröffentlichte ich die Antworten von vier Ökonomen und mir auf den Fragebogen der Europäischen Zentralbank (EZB) zu ihrer geldpolitischen Strategie. Viele Leser haben den Fragebogen zwischenzeitlich ebenfalls beantwortet. Einige haben mir ihre Antworten geschickt. Hier ein paar aus meiner Sicht besonders interessante Antworten auf einige der Fragen.

Wie wirken sich Veränderungen des allgemeinen Preisniveaus auf Sie aus?

Niedrigere Preise kommen mir zugute solange meine Preise unverändert bleiben. Höhere Preise sind für mich kein Problem solange meine Preise sich dem anpassen können. Was für eine undurchdachte Frage ist das denn?

Was bereitet Ihnen mehr Sorgen, eine zu hohe Deflation oder eine zu hohe Inflation?

Ist das die Frage, ob mir die Pest oder die Cholera lieber ist?

Wie relevant ist Ihrer Meinung nach der Anstieg der Wohnkosten für die Inflation?

Wenn die Mieten stärker steigen als Löhne und Gehälter, dann ist die Frage nach der Inflation nicht relevant. Dann muss man die Frage nach der Verteilungsgerechtigkeit stellen. Diese ist relevant für nachhaltige Entwicklung.

Welche wirtschaftlichen Faktoren bereiten Ihnen zurzeit Sorgen?

Als Bürger, die Einsparungen und Abbau im sozialen und gesundheitlichen Bereich. Als kleiner Unternehmer und Freiberufler  die Steuerlast und undurchsichtiges Steuersystem und fehlende Modernisierungen im Bereich der Infrastruktur.

Wie haben sich in den letzten zehn Jahren die sich verändernden wirtschaftlichen Bedingungen auf Ihr Leben ausgewirkt (zum Beispiel auf Ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt)?

Ich habe fantastische Chancen auf dem Arbeitsmarkt, dort herrscht Mangel, nur leider hat sich dadurch an der angebotenen Entlohnung nichts geändert. Deshalb arbeite ich selbstausbeuterisch selbstständig. Auffangen werde ich diese Entwicklung zukünftig möglicherweise über andere Organisationsformen, vielleicht genossenschaftlich.

Wie wirken sich die niedrigen Zinsen und die Geldpolitik ganz allgemein auf Sie und die Wirtschaft insgesamt aus?

1: Von niedrigen Zinsen könnte ich möglicherweise über Investitionen in meine Unternehmen profitieren, wenn Banken kleine Unternehmen mit kleinen Krediten versorgen würden, tun sie aber nicht mangels Gewinnmarge. Die Geldpolitik der EZB im Allgemeinen führt gesamtgesellschaftlich zu einem Wuchern der Investoren- und Finanzindustrie, in der sinnlose bis schädliche Produkte generiert werden. Entsprechend wirkt sich die einseitig banken- und finanzstützende Politik der EZB gesellschaftlich zerstörerisch aus.

2: Ich denke, dass diese Politik die wirtschaftliche Entwicklung stabilisiert. Die Stabilisierung einer Entwicklung, die in die falsche Richtung geht, kann allerdings von Nachteil sein.

Inwieweit fühlen Sie sich gut informiert über die EZB/Ihre nationale Zentralbank?

Überhaupt nicht. Die EZB existiert in Schule und öffentlicher Wahrnehmung nur als „Überschrift mit etwas grob beschreibendem Text“. Die Funktion und Arbeit der EZB wäre mir über die üblichen Floskeln hinaus („EZB PräsidentIn warnt vor XYZ“) kaum bekannt, wenn ich mich nicht aktiv bemühen würde. Es werden von kritischen Journalisten noch viele Informationsdefizite und Enscheidungen hinter verschlossenen Türen, sowie strukturelle, lobbyistische Verflechtungen beschrieben und angemahnt.

Wie könnte die EZB die Vorteile von Preisstabilität und die mit einer zu hohen Inflation verbundenen Risiken besser erklären?

Sie könnten uns erklären, wie die Geschäftsbanken auf unsere Kosten Gewinne machen.

Was können wir tun, damit Sie unsere Entscheidungen und deren Folgen für Sie besser verstehen?

Sich sprachlich vom Fachchinesisch, von Verklausulierungen und diffusen Texten wegbewegen zu personeller Präsenz in Umgangssprache.

Link zum Fragebogen der EZB

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