Digitalministerium finanziert Fahrgast-Überwachungsprojekt von Mastercard

24. 07. 2025 | „ID-based Ticketing“ heißt das von der Kreditkartenfirma Mastercard entwickelte System, das die Nahverkehr Schwerin GmbH in ihren Straßenbahnen testet, gefördert vom Bundesdigitalministerium. Die Behauptung, das Bezahlen damit sei anonym stimmt nicht. Mastercard und die US-Dienste bekommen Bewegungsprofile frei Haus.

Was die Bundesregierung in Wahrheit von der digitalen Souveränität hält, die sie laut Koalitionsvertrag anstrebt, und was sie von Entscheidungsfreiheit der Bürger hält, sieht man am Projekt IDA in Schwerin, das sie fördert.

In Schwerin wird ID-based Ticketing erprobt, aus unerfindlichen Gründen mit IDA abgekürzt. Erläuterungen gibt es in Medienberichten und von der Schwerin Nahverkehr GmbH. Von den Entwicklern, Mastercard und ICA Traffic GmbH konnte ich keine Informationen zu dem System finden. Wenn ich die eher vagen Erläuterungen aus Schwerin richtig deute, funktioniert das System so: man hält seine kontaktlose Bezahlkarte oder sein Smartphone (wohl mit aktiver Bezahl-App) an das Lesefeld eines kleinen Fahrscheinautomaten in der Straßenbahn. Dieses errechnet aus der Kartennummer oder einer nicht näher bezeichneten Identifikationsnummer des Smartphones eine Token-ID und speichert diese in einer nicht näher bezeichneten Cloud. Über ein nicht näher bezeichnetes Mastercard-Bezahlsystem wird der Fahrpreis vom Konto des Fahrgastes abgebucht.

Kontrolleure haben Lesegeräte, die feststellen können, ob die gespeicherte Token-ID mit der dazu gespeicherten Fahrberechtigung von der vorgezeigten Karte oder dem vorgezeigten Smartphone stammt. Damit die Leute das System nutzen, gibt es 50 Cent Rabatt auf den Fahrpreis.

Die Werbefigur, eine Füchsin namens IDA, „fährt smart“, heißt der Slogan. Damit weiß man schon, wie bei allem, was smart heißt, dass es um Überwachung geht. Wenn die Erprobung erfolgreich verläuft, soll laut Pressemitteilung das „vollständig bargeld- und papierlose Fahrkartensystem“ ab 2027 die bisherigen Fahrkartenautomaten komplett ablösen. Dann soll also getreu der „Digital-only“-Maxime der Bundesregierung vollständiger Digitalzwang im Schweriner Nahverkehr und darüber hinaus herrschen. Was einem an dem System gefällt und was nicht, kann man Nahverkehr Schwerin per kurzem Fragebogen auf einer Netzseite mitteilen.

Das Bezahlen mit IDA sei anonym, heißt es auf der Netzseite des Projekts. Das stimmt ziemlich sicher nicht. Nur für den Zahlungsempfänger bleibt der Zahler anonym. Mastercard als Abwickler hat alle Informationen und speichert sie in der Cloud. Wenn sich das System in Deutschland durchsetzt, bekommt Mastercard von allen Nutzern ein Bewegungsprofil. Es ist keine Information zu finden, wie lange die Daten gespeichert werden. Daten, die Mastercard hat, können auch die US-Regierung und deren Geheimdienste abgreifen – und tun das auch nach allem, was man weiß.

Vor kurzem erst musste der Chefjustiziar von Microsoft Frankreich bei einer Anhörung vor dem französischen Parlament einräumen, dass er nicht garantieren könne, dass der Konzern auf seinen Servern gespeicherte Daten nicht an die US-Regierung weitergeben wird. In Kalifornien wird derzeit ein Energieversorger verklagt, weil er Daten von sehr vielen Kunden an die Polizei weitergegeben hatte. Kunden mit erhöhtem Stromverbrauch bekamen Besuch von der Polizei, weil sie in Verdacht gerieten, Marihuana anzubauen. Das von Edward Snowden öffentlich gemachte Spionageprogramm PRISM des US-Geheimdienstes NSA erlaubte es diesem schon 2013, nahezu in Echtzeit auf Serverdaten von kooperierenden Konzernen zuzugreifen und so festzustellen, was bestimmte Personen gerade taten. Wenn man Systeme wie IDA nutzen muss, um den Nahverkehr zu nutzen und Mautgebühren zu bezahlen, gibt es vor derartiger Totalüberwachung und Schleppnetzfahndung kein Entkommen mehr.

Es gibt per IDA auch Fahrkarten zum Kinderpreis. Offenbar geht man beim Schweriner Nahverkehr und im Digitalministerium davon aus, dass alle Kinder ein Smartphone mit Bezahl-App oder Bezahlkarten haben. Es gibt keinen Hinweis, wie Kinder verfahren sollten, bei denen das nicht zutrifft.

Was in Schwerin getestet wird, ist eine Primitivversion des ID-based- oder Account-based-Ticketing. Normalerweise bietet dieses den Vorteil, dass man kein Ticket auswählen muss, sondern am Ende eines Tages automatisch den günstigsten Tarif berechnet bekommt – also zum Beispiel den Preis einer Tagekarte statt des Preises mehrerer Einzelfahrten. In Schwerin muss man dagegen auswählen, ob man eine Einzelfahrt oder eine Tageskarte haben möchte.

Rechtlich problematisch ist, dass die Schweriner Nahverkehrs GmbH keine vernünftige Aufklärung zu Datenschutzfragen rund um das System gibt. Man müsste als Nutzer schon wissen, wie lange die Daten auf wessen Servern gespeichert werden und wer Zugriff auf welche Daten hat. Auch der Vorgang der (angeblichen) Ananonymisierung müsste nachvollziehbarer und präziser beschrieben werden.