Meine Bargeldklage geht den Weg zum Verfassungsgericht – gern mit Ihrer Unterstützung

21. 08. 2022 | Das Bundesverwaltungsgericht hat in meinem Verfahren um das Recht auf Barzahlung des Rundfunkbeitrags nach einer Schleife zum Europäischen Gerichtshof ein Urteil geschrieben, das sogar eine Anleitung zur rechtskonformen Bargeldbeseitigung enthält. Da ich wohl der Einzige bin, der den Rechtsweg ausgeschöpft hat und Verfassungsbeschwerde gegen die Legalisierung der schleichenden Bargeldbeseitigung einlegen kann, habe ich mich entschlossen, diesen Schritt zu gehen. Für Unterstützung wäre ich dankbar.

Das Verfahren läuft seit 2015 und die Gerichts- und Anwaltskosten (beider Seiten) werden beträchtlich sein. Wenn Ihnen der Erhalt des Bargelds wichtig ist, und sie es sich leisten können, können Sie mir gern bei der Klagefinanzierung helfen. Sie finden die Bankinformationen hier.

Ein abenteuerliches Urteil

Aus der uns am 20. Juli zugegangene ausführliche Begründung des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. April, die inzwischen veröffentlicht ist, will ich hier einige Highlights wiedergeben und kommentieren.

Zu entscheiden hatte das Gericht über meine Revision gegen das Berufungsurteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 13. Februar 2018. Es schreibt, letzteres habe zwar falsch geurteilt, dass das Bargeldverbot des Hessischen Rundfunks §14 Bundesbankgesetz nicht verletze, aber weil §14 Bundesbankgesetz wegen fehlender nationaler Zuständigkeit europäisches Recht verletze, kann ich mich nicht darauf berufen, unterliege und habe die Kosten des Verfahrens zu tragen.

In Randnummer 27 des Urteils bezieht sich das Gericht auf die Vorgabe des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), dass behördliche Ausnahmen von der Verpflichtung der Annahme von Bargeld nicht zur Abschaffung des Bargelds führen dürfen, und schreibt:

„Die Regelung des §10 Abs.2 der Beitragssatzung des Beklagten führt nicht zu einer rechtlichen oder faktischen Abschaffung der Euro-Banknoten. … Entscheidend ist, ob die nationale Regelung … dazu führt, dass sich das Regel-Ausnahme-Verhältnis zwischen der grundsätzlich gewährleisteten Möglichkeit, hoheitlich auferlegte Geldleistungspflichten mit Euro-Banknoten zu erfüllen, und dem Ausschluss dieser Möglichkeit umkehrt. Der EuGH nimmt insoweit nur die konkrete Regelung in den Blick (vgl. EuGH, Urteil vom 26. Januar 2021 – verb. Rs. C-422/19 und C-423/19 – Rn.62). Ob unterschiedliche Ausschlüsse oder Beschränkungen der Barzahlungsmöglichkeit in ihrer Summe die genannte Wirkung entfalten, ist daher in diesem Zusammenhang unerheblich. Für sich genommen hat §10 Abs.2 der Beitragssatzung des Beklagten offensichtlich nicht zur Folge, dass die Möglichkeit, eine Geldleistungspflicht mit Euro-Bargeld zu erfüllen, nicht mehr in der Regel, sondern nur noch als Ausnahme besteht.“

Es fällt schwer, hierin nicht eine Anleitung zur Bargeldabschaffung zu sehen. Das Gericht hätte auch schreiben können: ‚Liebe Gesetzgeber und Behörden, wenn ihr Bargeld abschaffen wollt, achtet darauf, dass ihr es nicht mit einem einzigen Verbotsgesetz macht. Macht es Stück für Stück, dann ist es unionsrechtskonform.‘

Gerechtfertigt sind Bargeldeinschränkungen „aus Gründen des öffentlichen Interesses“ nach den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs, wenn Barzahlung „unangemessene“ Kosten verursachen würde. Dazu schreibt das Bundesverwaltungsgericht (RN29):

„In Bezug auf den Gesichtspunkt der Kostenersparnis hat der Beklagte vorgetragen, angesichts von bundesweit fast 40 Millionen und in Hessen fast 3 Millionen zahlungspflichtigen Beitragskonten im privaten wie nichtprivaten Bereich handele es sich bei der Einziehung fälliger Rundfunkbeiträge um ein „Massenverfahren“, das ohne geeignete Regelungen mit dem Ziel der Verwaltungsvereinfachung nur mit einem außerordentlich hohen Personal- und Kostenaufwand zu bewältigen wäre. Diese Ausführungen sind ohne Weiteres plausibel. Dass der Umfang der zu erzielenden Kosteneinsparungen im Einzelfall ermittelt wird, ist nicht erforderlich.“

Man beachte: Bei den Kosten für den Rundfunk kommt es plötzlich nicht mehr nur auf die konkrete Maßnahme an, also auf das, was der Hessische Rundfunk in seiner Satzung stehen hat und tut. Hier werden auch gleich die anderen 37 Millionen Beitragszahler in den anderen Bundesländern herbeigezogen. Konsistent und unvoreingenommen geht anders.

Obwohl wir (und in Luxemburg auch die Europäische Zentralbank) wiederholt darauf hingewiesen haben, dass auch Energieversorger u.a. Zahlungen in großen Massen erhalten und dabei Bargeld nicht ausgeschlossen haben, weil sie kostengünstige Verfahren dafür gefunden haben, und dass es Dienstleister gibt, die das sehr kostengünstig erledigen, schreiben die Verwaltungsrichter evidenzwidrig es sei „ohne weiteres plausibel“, dass ohne Bargeldausschluss ein „außerordentlich hoher Personal- und Kostenaufwand zu bewältigen wäre“.

In Randnummer 30 wird es dann nochmal besonders drollig:

„Durch eine Dauerüberweisung oder die Erteilung einer Einzugsermächtigung bzw. Zustimmung zur SEPA-Lastschrift erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass die Rundfunkbeitragspflicht auch tatsächlich erfüllt wird, da die fristgemäße periodische Zahlung des Rundfunkbeitrags nicht von der Initiative des Beitragspflichtigen abhängt. Dass der Rundfunkbeitrag wahlweise auch mittels Einzelüberweisungen gezahlt werden kann, lässt den durch den Barzahlungsausschluss insgesamt ermöglichten Effizienzgewinn bei der Beitragserhebung nicht entfallen.“

Die Landesgesetzgeber haben entschieden, dass Einzelüberweisungen zulässig sind. Trotzdem dient es dem öffentlichen Interesse das Bezahlen mit Bargeld zu verbieten, weil Barzahler, genau wie Leute, die einzeln überweisen, auch mal vergessen könnten, (rechtzeitig) zu bezahlen. Diese Logik muss man nicht verstehen, denke ich. Die Richterinnen und Richter sehen den Widerspruch auch selbst und lösen das Problem, indem sie sinngemäß dazuschreiben: „Das macht aber nichts.“

Grundrechte angeblich nicht unzulässig eingeschränkt

Bei den durch das Bargeldverbot betroffenen Grundrechten sehen die Bundesverwaltungsrichterinnen und -richter nur in einem Fall eine unzulässige Einschränkung, und zwar nur da, wo der Europäische Gerichtshof das vorempfunden hat, beim bisher nicht als Grundrecht bekannten Recht auf finanzielle Inklusion,

Finanzielle Inklusion ist ironischer Weise ein Kampf- und Tarnbegriff der Bargeldbeseitiger rund um die Better Than Cash Alliance.

In diesem Verfahren wird allerdings ausnahmsweise Bargeld als Voraussetzung und nicht als Hindernis für die finanzielle Inklusion gedeutet, also für die Teilhabe am Finanzwesen. Der Grundrechtszusammenhang wird, ein bisschen künstlich, durch das Recht auf Gleichbehandlung hergestellt, wonach Gleiches gleich und Ungleiches ungleich behandelt werden muss.

Im Ergebnis hatte der Europäische Gerichtshof gerügt, dass es keine Ausnahmen von Bargeldverbot für Leute ohne Konto gibt, für die es unverhältnismäßig teuer ist, den Rundfunkbeitrag bargeldlos zu bezahlen. Im Urteil des Europäischen Gerichtshof waren das Menschen ohne Konto. Das Bundesverwaltungsgericht macht daraus Beitragspflichtige, „die nachweislich weder bei privaten noch bei öffentlich-rechtlichen Kreditinstituten ein Girokonto eröffnen können“

Die Richterinnen und Richter geben keinen Hinweis, wie die betroffenen Beitragszahler dem Rundfunk nachweisen sollen, dass sie weder bei privaten noch bei öffentlich-rechtlichen Kreditinstituten ein Girokonto eröffnen können. Es gibt hunderte private und öffentlich-rechtliche Kreditinstitute. Sollen sie sich von jedem eine schriftliche Ablehnung eines Kontoantrags holen?

Weil es gar nicht nachweisbar ist, was das Bundesverwaltungsgericht da verlangt, muss der Rundfunk überhaupt nichts ändern, außer irgendwo einen Hinweis auf die unerfüllbare Voraussetzung anzubringen.

Das ist eine deutlich restriktivere Auslegung als sie der Europäische Gerichtshof und der EU-Generalanwalt formuliert haben.

Im Urteil des Europäischen Gerichtshofs hieß es, (meine Fettung):

„77 Es ist jedoch Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob eine solche Beschränkung im Hinblick auf dieses Ziel verhältnismäßig ist, insbesondere in Anbetracht dessen, dass die anderen rechtlichen Mittel zur Zahlung des Rundfunkbeitrags möglicherweise nicht allen beitragspflichtigen Personen leicht zugänglich sind, was bedeuten würde, dass für Personen, die keinen Zugang zu diesen Mitteln haben, eine Möglichkeit der Barzahlung vorgesehen werden müsste.“

Aus „leicht zugänglich“ macht das Bundesverwaltungsgericht „nachweislich bei keinem privaten oder öffentlich-rechtlichen Kreditinstitut…“. Rundfunkfreundlicher geht es eigentlich nicht mehr.

Und das Bundesverwaltungsgericht selbst schreibt (Rdnr.35; meine Fettung):

„Der Senat nimmt insoweit auf die in den Schlussanträgen des Generalanwalts Giovanni Pitruzzella vom 29. September 2020 in den verbundenen Rechtssachen C‐422/19 und C‐423/19 (a. a. O. Rn. 136 mit Fn. 76) zitierte Studie der EZB von 2017 Bezug, nach der zum damaligen Zeitpunkt in Deutschland 0,96 % und in der gesamten Eurozone sogar 3,64 % der Haushalte keinen Zugang zu Bank-/Finanzdienstleistungen hatten („unbanked households„, vgl. Ampudia/Ehrmann, „Financial inclusion: what’s it worth?“, Working Paper Series der EZB, Nr. 1990, Januar 2017, Tabelle 1; https://www.ecb.europa.eu/pub/pdf/scpwps/ecbwp1990.en.pdf).“

Es setzt damit, ebenso wie der EU-Generalanwalt, auf den es sich bezieht, Haushalte ohne Zugang zu Bankdienstleistungen mit Haushalten ohne Konto gleich, unabhängig davon, warum sie kein Konto haben.

Beim Recht auf informationelle Selbstbestimmung wenden die Verwaltungsrichter den gleichen Kunstgriff an, wie bei der Verneinung der Rechtswidrigkeit einer graduellen Bargeldabschaffung. Das Bargeldverbot bei Rundfunk sei für sich genommen zu unerheblich, die Informationen, die aus den Überweisungen zu gewinnen sind, zu harmlos, um eine ernsthafte Grundrechtseinschränkung festzustellen (Rdnr.48 und 50):

„Anders als z. B. eine allgemeine Obergrenze für sämtliche Barzahlungen betrifft der hier in Rede stehende Barzahlungsausschluss lediglich eine bestimmte hoheitlich auferlegte Geldleistungspflicht. Vor allem aber steht die Erfüllung der Rundfunkbeitragspflicht von vornherein nicht im Zusammenhang mit einer von der Geldnutzung abhängigen Freiheitsbetätigung. … Angesichts seiner Geringfügigkeit ist der Eingriff in das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG aus den bereits genannten Gründen der Kostenersparnis und effizienten Durchsetzung der Beitragserhebung ohne Weiteres gerechtfertigt.“

Ein weiteres Mal widersprechen sie sich damit selbst. Sie schreiben nämlich auch (Rdnr.47):

„Wird eine Vielzahl unterschiedlicher Zahlungsdaten gesammelt und mit anderen Daten verknüpft, besteht die Gefahr der Erstellung aussagekräftiger Persönlichkeits- und Bewegungsprofile. Grundrechtsträger, die die Auswertung ihrer Zahlungsdaten fürchten, könnten sich deshalb zu einer Anpassung ihrer von der Geldnutzung abhängigen Freiheitsbetätigung veranlasst sehen.“

Wenn aber durch die Rundfunkbeitragsverordnungen Menschen gezwungen werden, ein Konto zu eröffnen, dann tun sie das entweder allein um den Beitrag zu überweisen. Dann wären die Kontoführungskosten, die bei Basiskonten erheblich sein könnten, allein als Nebenkosten der Begleichung der Beitragsschuld zu werten, und wären dann unangemessen hoch. Denn schon sechs Euro Kosten für eine Barüberweisung werten die Richterinnen und Richter als klar zu hoch.

Nimmt man an, dass das zwangsweise eröffnete Konto auch zu anderen Zwecken genutzt wird, wenn es schon einmal vorhanden ist, dann kommt man in Konflikt mit der Feststellung oben, dass bei der Sammlung einer Vielzahl von Zahlungsdaten eben doch ein relevanter Eingriff in das Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung vorliegt.

Hat der falsche Senat verhandelt?

Mein Anwalt, Carlos A. Gebauer aus Düsseldorf, der mich in diesem Rechtsstreit seit 2015 vertritt, hat schon 2019 einen formalen Fehler des Bundesverwaltungsgerichts gerügt. Nach seiner Auffassung wäre es in Leipzig nicht Sache des Sechsten (Rundfunk-)Senats gewesen, die Sache zu verhandeln, sondern Aufgabe des Neunten (Abgaben-)Senats.

Um sein Urteil zu begründen, hat der entscheidende Sechste Senat sogar eine elementare Rechtsprechungslinie des eigentlich zuständigen Neunten Senats aufgegeben: Beitragsbescheide des Rundfunks sollen nach dem Urteil des Sechsten Senats bis auf weiteres auf Grundlage einer rechtswidrigen Satzung ergehen können. Ob dieser Abschied vom verfassungsrechtlichen Gebot ununterbrochener Legitimationsketten, ausgesprochen von unzuständigen Richtern, vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand haben wird, muss sich zeigen.

Sind Rundfunkanstalten „Mitgliedstaaten“ im Sinne des EuGH?

In Randnummer 22 des Urteils sieht sich das Bundesverwaltungsgericht an die Entscheidung des EuGH vom 26. Januar 2021 in meinem Fall gebunden. Dieser „lässt den Mitgliedstaaten die Befugnis, bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen Ausnahmen von der Annahmepflicht vorzusehen“.

Ohne weitere Prüfung und Diskussion geht das Gericht offenbar davon aus, dass dieses Recht der Mitgliedstaaten den Rundfunkanstalten ebenfalls direkt dieses Recht gibt, also ohne dass der Bundesgesetzgeber sie dazu ermächtigt. Das erstaunt, rügt doch dasselbe Gericht im selben Urteil (RN13) das vorangegangene Revisionsurteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs dafür, dass es die notwendige Ermächtigung durch ein Bundesgesetz nicht berücksichtigt hat. Wörtlich:

„Wie der Senat bereits in seinem Vorabentscheidungsersuchen ausgeführt hat, verpflichtet die Vorschrift [§14 Bundesbankgesetz; N.H.] öffentliche Stellen zur Annahme von Euro-Banknoten bei der Erfüllung hoheitlich auferlegter Geldleistungspflichten. Ausnahmen lassen sich entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs nicht ohne Weiteres auf Gründe der Verwaltungspraktikabilität oder Kostenersparnis stützen, sondern setzen eine Ermächtigung durch ein Bundesgesetz voraus. An dieser … Auslegung des § 14 Abs. 1 Satz 2 BBankG hält der Senat auch unter Berücksichtigung der hieran geäußerten Kritik fest. Insbesondere ist der einseitig zivilrechtlich geprägten Ansicht entgegenzutreten, der Schuldner einer hoheitlich auferlegten Geldleistungspflicht habe bei sog. Massenverfahren mit Blick auf den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) einen generellen Ausschluss der Annahme von Bargeld ohne gesetzliche Grundlage hinzunehmen.“

Wenn laut EuGH nur die Mitgliedstaaten das Recht haben, Ausnahmen vorzusehen, und der Rundfunk kein Mitgliedstaat ist, dann sollte wieder das gelten, was im obigen Zitat angemahnt wird, dass es nämlich einer bundesgesetzlichen Ermächtigung bedarf, eine Ausnahme von der auch laut EuGH grundsätzlichen Bargeldannahmepflicht vorzusehen.

Wenn eine bundesgesetzliche Ermächtigung nötig wäre, damit öffentliche Stellen die Bargeldannahme verweigern dürfen, dann wäre die Salamitaktik, die das Bundesverwaltungsgericht den Bargeldabschaffern so gut wie empfiehlt, sehr viel schwieriger umzusetzen. Denn ein solches Bundesgesetz würde in der Regel viele Behörden gleichzeitig ermächtigen, sodass sich Richterinnen und Richter bei der Grundrechtsprüfung nicht so leicht auf Geringfügigkeit der Einschränkung  herausreden könnten.

Ich danke Prof. Ludwig Gramlich für hilfreiche Anregungen und Ermunterung.

Hier noch einmal die Bankinformationen.

Mehr über mein Verfahren zur Barzahlung des Rundfunkbeitrags

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