6. 07. 2018 | Die Europäische Zentralbank begeht Misswirtschaft und beschädigt ihren Ruf, indem sie entgegen dem Votum der EU-Bürgerbeauftragten weiterhin zulässt, dass ihr Präsident Mario Draghi Mitglied in der von internationalen Spitzenbankern durchsetzen Group of Thirty (G30) bleibt. Sie setzt sich damit auch in Gegensatz zu einem Votum des EU-Parlaments. Das ist das abschließende Verdikt der EU-Bürgerbauftragten Emily O’Reilly.
Die Bürgerbeauftragte wählt deutliche Worte in ihrem abschließenden Bericht.
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„Die Antwort der EZB war nicht befriedigend. Sie leugnete weiterhin die Folgen der Mitgliedschaft ihres Präsidenten in der G30 und weigerte sich, ihre einschlägigen Regeln und Prozeduren zu verbessern.“
Wir wollen hier nicht noch einmal in die Details gehen. Das habe wir verschiedenlich schon getan (siehe Links am Ende). Aber die Ausflüchte Draghis und der EZB, mit denn sie bei der Bürgerbauftragten aufliefen, sind es wert, erwähnt zu werden.
So berief sich die EZB auf ein Votum des EU-Parlaments, wonach Mitgliedschaft in Foren oder anderen Organisationen, in denen auch Spitzenmanager von der EZB beaufsichtigter Banken Mitglied sind, ausnahmsweise unter bestimmten Bedingungen akzeptabel sei. Die erste lautet: „Wenn diese Mitgliedschaft in Einklang mit der etablierten Praxis auf globalem Niveau steht.“ Entgegen den Behauptungen der EZB ist das aber nicht der Fall. Im Gegenteil, schreibt O’Reilly:
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„Wenn es eine etablierte Praxis von Zentralbanken gibt, die der EZB ähnlich sind, wie zum Beispiel die US Federal Reserve, dann weist diese Praxis in die Richtung der Empfehlung der Bürgerbeauftragten, dass der EZB-Präsident seine Mitgliedschaft ruhen lassen sollte.“
Denn, die letzte Präsidentin des Federal Reserve Board, Janet Yellen, war Mitglied der G30, bevor sie 2010 in ihr öffentliches Amt berufen wurde. Daraufhin lies sie ihre Mitgliedschaft sofort ruhen, und wurde erst wieder G30-Mitglied, nachdem sie ihre Gouverneurinnenamt beendet hatte. Das war etablierte Praxis auch bei früheren Fed-Chefs und Vize-Chefs. O’Reilly weist außerdem darauf hin, dass auch die Präsidenten der Zentralbanken von Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien, Polen, Indien, Brasilien, Russland, Canada und Australien nicht Mitglied der G30 sind, sodass man kaum von einer etablierten Praxis auf globaler Ebene sprechen kann.
Man darf gespannt sein, wie das EU-Parlament mit dieser Missachtung nicht nur der Bürgerbeauftragten, sondern auch der eigenen Resolution durch den EZB-Präsidenten umgeht.
Besonders sauer stieß der Bürgerbeauftragten auf, dass bis heute geheim ist, wer die Mitglieder im Board of Trustees der G30 sind, die bestimmen, welche Notenbankchefs und Chefs großer internationaler Finanzinstitute Teil dieses elitären Kungelclubs werden dürfen, der vor 40 Jahren von der Rockefeller Stiftung gegründet wurde.
In den deutschen und englischen Wikipedia-Einträgen zur Group of Thirty steht noch nichts von dieser Untersuchung der EU-Bürgerberbeauftragten. Wenn jemand Zeit hätte, das zu ändern, wäre das sehr verdienstvoll. Auch im Wikipedia-Beitrag zu Mario Draghi gibt es den Abschnitt „Kritik“, in dem sich ein entsprechender Hinweis gut machen würde.
Für Leser, die der Vorgeschichte nicht gefolgt sind, hier ein kleines Dossier.
Der Skandal um Draghi und die Group of Thirty wird größer 18.8.2015
Die neuen Benimmregeln des EZB-Direktoriums haben ein skandalöses Loch 18.10.2015
Die Group of Thirty beendet vielleicht bald ihre skandalöse Existenz 22.1.2017
Für Draghi und den Kungelclub G30 wird es enger 9.7.2017
EZB verteidigt Draghis G30-Mitgliedschaft mit Auslassungen, Halbwahrheiten und falschen Behauptungen 19.11.2017
[6.7.2018]