Todeszuckungen des Rundfunkbeitrags

Der Norddeutsche Rundfunk gibt wegen Überlastung keine Antwort mehr auf Widersprüche gegen Festsetzungsbescheide. Der Beitragsservice straft seine Sprecherin Lügen und die Rundfunkanstalten wollen private Inkassounternehmen losschicken, weil die Städte und Gemeinden sich nicht von ihnen ausbeuten lassen wollen.

Nachdem mir ein zweiter Leser geschrieben hat, er habe auf seinen Widerspruch gegen einen Festsetzungsbescheid nur ein unverbindliches Schreiben des nicht rechtsfähigen Beitragsservice bekommen, bat ich ihn, mir dieses Schreiben zukommen zu lassen. Und tatsächlich schreibt der Beitragsservice:

„Wir haben Sie über die rechtlichen Hintergründe unserer Entscheidung informiert und zunächst auf die Erstellung eines Widerspruchsbescheids verzichtet. Sollten Sie trotz unserer Ausführungen den Klageweg beschreiten wollen, bitten wir Sie um entsprechende Mitteilung. Sie erhalten dann einen rechtsmittelfähigen Widerspruchsbescheid. Dafür bitten wir Sie um Geduld, weil uns zurzeit sehr viele Anfragen erreichen.“

Eine Rundfunkanstalt, die sich für eine Behörde mit entsprechenden hoheitlichen Befugnissen hält, verweigert Bürgern, die ihren Bescheiden widersprechen, eine Antwort, die ihnen den Rechtsweg eröffnet. Stattdessen schickt sie ein juristisches Nichts los, das diesen Bürgern per Formschreiben mitteilt, man werde ihren Widerspruch einfach ignorieren, wenn sie diesem juristischen Nichts nicht nochmals bestätigen, dass sie es schon ernst meinen. In dem Schreiben wird weder im Briefkopf noch im Abspann die Rundfunkanstalt als möglicher Absender genannt.

Das ist ein auf spektakuläre Weise nicht behördengemäßes Vorgehen. Das Landgericht Tübingen kann sich bestätigt fühlen, mit seiner kürzlich gefällten Entscheidung, die Rundfunkanstalten seien keine Behörden, unter anderem weil sich Behörden – anders als die Rundfunkanstalten – an Recht und Gesetz hielten. Bei der mündlichen Verhandlung über mein Barzahlungsbegehren äußerste auch das Frankfurter Verwaltungsgericht gewisse Zweifel, ob der Hessische Rundfunk eine Behörde sei.

Würde den Rundfunkanstalten die Behördeneigenschaft rechtskräftig abgesprochen, so könnte das dramatische Auswirkungen haben. Laut Jahresbericht des Beitragsservice beantragten die Rundfunkanstalten 2015 die spektakuläre Zahl von 1,4 Millionen Zwangsvollstreckungen. Trotzdem sind die ausgewiesenen Verwaltungskosten des Rundfunkbeitrags sehr gering. Das hat seinen Grund darin, dass der Rundfunk in aller Regel auf eigenes Vollstreckungspersonal verzichtet und stattdessen die Städte und Gemeinden im Wege der Amtshilfe damit betraut, den verhassten Beitrag, den viele nicht zahlen wollen und viele nicht zahlen können, per Gerichtsvollzieher einzutreiben. Diese Amtshilfe bekommt der Rundfunk meines Wissens zu einem Pauschalpreis, der die Kosten bei weitem nicht deckt.

Die Städte und Gemeinden sind entsprechen zunehmend unwillig diesen Vollstreckungswahnsinn weiterhin auf eigene Kosten weiterzutreiben. Laut letztem Jahresbericht musste der Rundfunk bereits die Anzahl der beantragten Vollstreckungen nach einem regionalen Quotensystem deckeln.

Würde klargestellt, dass die Rundfunkanstalten nicht Behörden gleichgestellt sind, so könnte ich mir gut vorstellen, dass dies bedeuten würde, dass sie keine Amtshilfe mehr bekommen, und selber sehen müßten, wie sie ihre Forderungen eintreiben.

Vor diesem Hintergrund bekommt die Meldung von Spiegel Online eine ganz andere Qualität, wonach die Rundfunkanstalten planten, private Inkassounternehmen mit dem Eintreiben rückständiger Beiträge zu betrauen. Das könnte sowohl Reaktion auf den zunehmenden Unwillen der Städte und Gemeinden sein, als auch eine Vorbereitung auf den möglichen Wegfall der Behördeneigenschaft und damit der Amtshilfe.

Interessant ist noch der Satz im Schreiben des Beitragsservice, wonach man wegen der vielen Anfragen mit dem Erteilen von rechtsfähigen Widerspruchsbescheiden nicht hinterherkomme. Damit dementiert der Beitragsservice eine Behauptung seiner Sprecherin gegenüber der Presse bei der Vorstellung des Jahresberichts. Eva-Maria Michel, Justitiarin und stellvertretende Intendantin des WDR, sowie Leiterin der Öffentlichkeitsarbeit des Beitragsservice, sprach von ein paar Einzelkämpfern, die Ärger machten, aber die Anzahl der Nachahmer sei absolut überschaubar und mache keine Probleme.  Davon kann wohl kaum die Rede sein, wenn Rundfunkanstalten ihren rechtlichen Verpflichtungen wegen zu vieler Widersprüche schon nicht mehr nachkommen können oder wollen.

Änderungshinweis: Am 31.10. um 19:18 Uhr habe ich korrigiert, dass die Rundfunkanstalten die Amtshilfe zur Zwangsvollstreckung zu einem bei weitem nicht kostendeckenden Pauschalpreis bekommen. Zuvor hatte ich geschrieben „kostenlos“.

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