Der Rundfunkrat sollte sich mit der skandalösen Tagesschau von Freitag beschäftigen

Was in der 20-Uhr-Tagesschau am Freitag vom EU-Gipfeltreffen mit dem griechischen Premierminister Tsipras vom Vorabend „berichtet“ wurde, ist ein Fall für den Rundfunkrat. So ziemlich alles an dem Bericht war entweder falsch oder sehr einseitig dargestellt. Der erste Satz war noch okay. Tsipras wolle in den nächsten Tagen seine Reformpläne vorlegen. Dann fängt es an abzugleiten. „Die Liste ist Voraussetzung dafür, dass Geld aus dem

bereits verlängerten Hilfsprogramm fließt“, sagt der Sprecher. Das ist etwas unvollständig, weil das nicht eine objektive Voraussetzung ist, sondern Ausfluss der Eurogruppen-Vereinbarung vom 20. Februar. Die Verkürzung klingt harmlos, aber wenn man das hier ausdrücklich gesagt hätte, wären die Falschdarstellungen später viel leichter aufgefallen.

Der griechische Regierungschef hatte auf schnelles Geld ohne weitere Auflagen gehofft“, bringt der Sprecher seine nur aus einem Blick in Tsipras Gehirn zu gewinnende Erkenntniss in recht  tendenzöser Wortwahl zu Gehör.  Es gab vor dem Gipfel keine Aussagen von Tsipras, wonach er auf schnelles Geld ohne weitere Auflagen hoffe. Darin sei er aber enttäuscht worden, fährt der Sprecher schadenfroh fort.

Die Anwesenden zeigten keine Neigung, von dem abzuweichen, was die Finanzminister der Eurogruppe vor genau vier Wochen vereinbart haben“, geht es weiter. Das ist die deutsche Sicht. Kein Wort davon, dass Tsipras zu dem Gipfel mit der Forderung gefahren ist, die Vereinbarung vom 20. Februar umzusetzen, und nicht immer neue Bedingungen nachzuschieben. Stattdessen nur Angela Merkel mit dem Statement: „Geld gibt es nur, wenn die Voraussetzungen wie im Papier vom 20. beschrieben, da sind.“ Und das heiße, erläutert der Sprecher: „dass Reformen nicht nur vorgeschlagen, sondern beschlossen und teilweise umgesetzt sind.“

Das ist schlichtweg falsch. Das mögen Wolfgang Schäuble oder Angela Merkel – oder wessen Spin-Doktor die Tagesschau-Leute gesprochen haben – so halten, dass sie Zahlungen nur unter dieser Bedingung zustimmen wollen. Aber objektive Wahrheit ist es nicht. Mit der Vereinbarung vom 20. Februar hat es auch nichts zu tun. Da steht nichts dergleichen. Da steht vielmehr (meine Übersetzung):

Die griechische Regierung wird eine erste Liste von Reformmaßnahmen auf Basis des derzeitigen Arrangements bis Montag 23. Februar vorlegen. Die Institution werden eine erste Einschätzung abgeben, ob diese Liste umfassend genug ist, um eine validen Ausgangspunkt für einen erfolgreichen Abschluss der Überprüfung darzustellen.“

Dieser Teil ist abgehakt. Der Test wurde bestanden. Weiter im Vereinbarungstext:

Diese Liste wird weiter spezifiziert und dann mit den Institutionen bis Ende April vereinbart.“

Ende April: wir haben Mitte März. Nicht in Ansätzen steht in der Vereinbarung etwas dahingehend, dass die Maßnahmen schon beschlossen und teilweise umgesetzt sein müssen, schon gar nicht Mitte März. Das ist eine reine Erfindung von irgendjemand Interessiertem, die die Tagesschau ungeprüft als objektive Wahrheit ausgibt. Nun ist es ja durchaus wichtig, wie die Bundesregierung die Vereinbarung interpretiert, aber das ist als Interpretation der Bundesregierung zu berichten, nicht als objektive Wahrheit von Tagesschaus-Gnaden, zumal wenn es so offenkundig vom Wortlaut der Vereinbarung abweicht.

Dann wird als scheinbare (skandalöse) Neuigkeit präsentiert, dass Tsipras mit seiner Reformliste von zuvor (mit der alten Regierung) vereinbarten Maßnahmen abweichen will. Darüber wurde bereits vor der Vereinbarung vom 20. Februar heftig und öffentlich gerungen. Das Ergebnis war, dass die Vereinbarung festhält, dass die griechische Regierung vereinbarte Maßnahmen durch andere ersetzen darf, solange dadurch nicht (gelockerte) Haushaltsziele gefährdet werden.

Genau das darf Angela Merkel dann im O-Ton sagen, um von Brüssel-Korrespondent Rolf-Dieter Krause fließend ergänzt zu werden (was die völlig unangebrachte extreme Nähe der Berichterstattung mit der amtlichen deutschen Regierungslinie nur noch unterstreicht) mit dem Hinweis, das sei noch zu beweisen, dass das finanziell aufgeht.

Im Übrigen ist es ein bestehendes Sanierungsprogramm, das bis Ende Juni verlängert wurde. Das läst nur wenig Spielraum zu“,

fährt Krause ebenso falsch wie tendenziös fort. Der Spielraum ist nicht objektiv gegeben, sondern steht im Zentrum der Verhandlungen. Krause stellt die deutsche Regierungssicht als objektive Wahrheit dar. In der Vereinbarung vom 20. Februar ist deutlich von Flexibilität die Rede.

Zum Abschluss will Krause noch das Wort Zahlungsunfähigkeit sagen, aber ohne etwas zu behaupten, was er dann auch belegen müsste. Und so sagt er:

Die immer noch mögliche Zahlungsunfähigkeit Griechenlands ist bei diesem Gipfel nicht wahrscheinlicher geworden – aber auch nicht unwahrscheinlicher.“

Das ist dümmlich, tendenziös und böswillig und wegen jedes einzelnen dieser Attribute der Hauptnachrichtensendung der ARD unwürdig. Man stelle sich vor, die Tagesschau würde einen Korrespondenten an einem schlechten Tag von Siemens sagen lassen:

Die immer noch mögliche Zahlungsunfähigkeit von Siemens ist heute nicht wahrscheinlicher geworden – aber auch nicht unwahrscheinlicher.“

Das wäre wohl richtig, würde aber kaum vor einer deftigen Schadenersatzklage wegen übler Nachrede schützen. Aber Griechenland kann kaum klagen, und die ARD nutzt das aus.

Griechenlands Ministerpräsident erweckt den Eindruck, dass sein Land auch ohne schmerzhafte Maßnahmen zu sanieren sei. Außerhalb Griechenlands denkt das kaum jemand“,

macht Krause weiter. 

Das ist – mit Verlaub – wieder eine maliziöse Falschdarstellung. Tsipras wehrt sich gegen Maßnahmen, die extrem schmerzhaft sind und die nichts saniert haben, sondern die Wirtschaft ruiniert haben, sodass die Schuldentragfähigkeit heute viel geringer ist als vor fünf Jahren. In der Vereinbarung vom 20. Februar steht in Anerkennung dessen nichts mehr von weiteren Rentenkürzungen, Lohnkürzungen und Entlassungen. Nichts von dem, was Tsipras im Wahlkampf und danach seinem Volk und seinen Partnern gesagt hat, erweckt den Eindruck, dass ab jetzt alles leicht und schmerzlos für Griechenland sein wird oder sein soll. Er hat sich ausdrücklich zum Haushaltsausgleich und zu einschneidenden Reformen bekannt. Er hat den Fuhrpark der Regierung verkauft und fliegt Economy. Krause liefert nichts und hat wohl auch nichts um seine Behauptung zu belegen, mit der er Ressentiments gegen die faulen Griechen schürt, die auf „unsere“ Kosten leben wollen, ohne sich einschränken zu wollen. Das verfügbare Haushaltseinkommen der Griechen ist in den letzten Jahren um ein DRITTEL gesunken. Wie weit muss es Ihrer Meinung nach noch gedrückt werden, Herr Krause,  bis es genug geschmerzt hat? Auf die Hälfte? Auf ein Drittel? Reicht nicht, immer noch mehr als das der Rumänen? Stimmt eigentlich. Und die Leute in Burundi? Die sind noch ärmer. Herr Krause, gehen Sie nach Athen und reden sie dort solchen menschenverachtenden Unsinn in die Kameras! Trauen Sie sich das?

Lieber Rundfunkrat: Ihr wisst, dass es nicht Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Fernsehens ist, die Sichtweise der deutschen Bundesregierung und der Brüsseler Bürokraten und Politiker  als objektive Wahrheit verpackt unters Volk zu bringen und Verhandlungs-„Gegner“ der  Bundesregierung durch tendenziöse und bösartige Berichterstattung unter Druck zu setzen. Es ist Euer Auftrag, dafür zu sorgen, dass die öffentlich-rechtlichen Sender ihren Informationsauftrag erfüllen. Tut bitte endlich etwas.

Es ist ja auch keine einmalige Entgleisung. Es hat System:

ARD und ZDF machen unbeirrt weiter mit Fehlinformationen über Athen (mit Update 1.3.)

Hier eine Analyse der Vereinbarung vom 20.2.:

War das die Zitterpartie wert? Was Athen jetzt zusagte, hatte es schon lange vorher angeboten

Und das ZDF ist auch nicht besser (21.3.)

Heute Show schneidet wieder ein Video manipulativ zu

P.S. Habe am 21.3. eine Programmbeschwerde an den ARD-Programmdirektor geschickt.

Schlagwörter: Tagesschau, Rundfunkrat, Griechenland, Eurogruppe

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