Flassbeck greift den DGB an, weil der gegen Ausschüsse zur Lohndämpfung ist

Heiner Flassbeck und Friederike Spiecker fehlen die Worte. Sie sind empört, dass der DGB sich bei der Kanzlerin gegen das Ansinnen der EU-Kommission verwahrt hat, nationale Ausschüsse für Wettbewerbsfähigkeit einzurichten. Ich hatte die Ausschüsse verdammt und den Protestbrief des DGB begrüßt. Blog-Leser baten mich daher um Stellungnahme.

Um es ganz ungeschminkt zu sagen: Flassbeck und Spiecker geben sich aus meiner Sicht Wunschdenken hin, keinesfalls verboten, aber auch keine gute Basis für die Heftigkeit der Kritik, mit der sie den DGB überziehen.

„Immerhin hat die Kommission jetzt klar erkannt, was wir seit Jahren wie einsame Rufer in der Wüste predigen: Die Währungsunion kann nicht ohne Lohnkoordination funktionieren.“

Die beiden zitieren dann Stellen aus den Kommissionstexten, die sich mit sehr viel gutem Willen in diese Richtung interpretieren lassen. Aber woher nehmen Flassbeck und Spiecker so viel guten Willen, den sie der Kommission unterstellen? Um zu schauen, ob ich mich vielleicht verrannt habe, habe ich nochmal in den ausführlicheren Texten der Kommission nachgelesen, auf die Flassbeck und Spiecker verlinken und sich stützen, zum Beispiel diesen (deutsch). Ehrlich, ich finde nichts, was die wohlwollende Interpretation von Flassbeck und Spiecker stützen würde, nichts was auch nur halbwegs deutlich in Richtung Befürwortung höherer Löhne in Überschussländern gehen würde. Warum sollen wir annehmen, dass die Kommission die Macht oder auch nur die Absicht haben könnte, so etwas durchzusetzen, wenn sie sich nicht einmal traut, so etwas auszusprechen. Dafür findet man in dem Text jede Menge, was die Interpretation stützt, dass es um Lohndrückerei geht und sonst gar nichts, und zwar überall, auch in Deutschland.  Dazu sollte man auch den Teil zum Europäischen Semester lesen, da die Empfehlungen der Ausschüsse in diesen Prozess einfließen sollen. Auch dort: nichts in Richtung höhere Löhne in Überschussländern. Wissen Flassbeck und Spiecker denn nicht, wofür die Euphemismen „Wettbewerbsfähigkeit“ und „Strukturreformen“ stehen, kurz auch zunehmend nur noch „Reformen“ genannt, Begriffe von denen die Kommissionstexte und der Fünfpräsidentenbericht, auf dem sie fußen, nur so wimmeln und den die Wettbewerbsräte sogar im Namen tragen. Ist es da wirklich so abseitig, wenn Arbeitnehmervertreter misstrauisch werden und sich nicht darauf verlassen, dass sich die höheren Einsichten von Flassbeck und Spiecker schon durchsetzen werden, bis die Ausschüsse Realität geworden sind.

Flassbeck und Spiecker schreiben:

„… der Ansatz geht in die richtige Richtung, wenn sichergestellt wird, dass erstens mit „ob die Löhne sich entsprechend der Produktivität entwickeln“ eine Übereinstimmung vom Zuwachs der Reallöhne mit dem der gesamtwirtschaftlichen Produktivität gemeint ist (oder andersherum: die Nominallöhne so zulegen wie gesamtwirtschaftliche Produktivität und 2%-Zielinflationsrate zusammen) und zweitens die nationalen Ideen auf europäischer Ebene in ein großes Bild eingefügt werden. Letzteres will die Kommission ja auch offenbar tun („Vergleiche „mit den Entwicklungen in anderen Ländern des Euro-Währungsgebiets und in den wichtigsten vergleichbaren Handelspartnerländern“ an[.]stellen).“

 Das „wenn“ ist ein riesiges „wenn“ und seine Erfüllung oder auch nur die Absicht der Erfüllung ist in keinster Weise durch die Kommissionstexte gedeckt. Die beiden übersehen auch, dass mit „Vergleiche“ jeweils Vergleich mit den erfolgreichen, wettbewerbsfähigen Ländern gemeint ist, teilweise sogar ausdrücklich.

Nicht von ungefähr ist in der von Flassbeck und Spiecker zitierten Belegstelle:

„Gleichzeitig sollte das Verfahren bei makroökonomischen Ungleichgewichten auch angemessene Reformen in Ländern fördern, die hohe und anhaltende Leistungsbilanzüberschüsse angehäuft haben…“,

die wichtige Einschränkung enthalten

„…  falls diese beispielsweise auf eine unzureichende Binnennachfrage und/oder ein niedriges Wachstumspotenzial zurückzuführen sind, da dies auch von Bedeutung ist, um innerhalb der Währungsunion eine wirksame Beseitigung von Ungleichgewichten zu gewährleisten.“ 

Hohe und anhaltende Überschüsse sind also für sich noch kein Grund etwas zu ändern. Erstaunlich, dass ausgerechnet Flassbeck und Spiecker von so einer Textstelle euphorisiert werden. Sie monieren zu Recht, dass die Kommission den Link von Löhnen zu Binnennachfrage vermeidet. Das tut sie sicher nicht versehentlich. So lässt die Formulierung allen Platz für die bereits gut eingeübte Argumentation, dass auch in Deutschland vor allem „Reformen“ nötig sind, die das Wachstumspotential vergrößern, was in diesen Kreisen gemeinhin mit Arbeitsmarkt- und Sozialreformen übersetzt wird, die zu geringeren Löhnen und Lohnnebenkosten, beziehungsweise größerer Lohnspreizung nach unten führen.

 

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