Ein Keynesianer weist meine Kritik zurück

 Auf Makroskop hat Dirk Ehnts eine Replik auf meine Kritik an Paul Steinharts Verriss des Aufsatzes von Heine/Sablowski (H+S) veröffentlich. Es geht darum, ob die Lohnpolitik für die Misere der Währungsunion verantwortlich ist (Flassbeck, Steinhart, Ehnts), oder auch die Geldpoltik im weiteren Sinne (H+S; Storm, Häring). Ich will aus Ehnts Resümee eine Manöverkritik, sowie einen Vorschlag zur Güte ableiten.

Ehnts Schlusssatz lautet:

„Aber auch ohne die Immobilienbooms in Irland und Spanien wäre es aufgrund der deutschen Lohnpolitik früher oder später wohl dazu gekommen, dass sich innerhalb der Eurozone Leistungsbilanzungleichgewichte entwickeln würden. Und um die Erklärung eben dieser Ungleichgewichte ging es ja Flassbeck und Lapavitsas.“

Keiner der Kontrahenten würde widersprechen, denke ich. Ich jedenfalls nicht. Insbesondere, wenn man das „wohl“ mitliest. Es gibt also gar keinen Grund für Streit. Die These von H+S, Storm und mir ist lediglich, dass der große Umbruch aufgrund der Einführung der Währungsunion erst einmal und vor allem in viel günstigeren Verschuldungsmöglichkeiten aufgrund des Wegfalls der Abwertungsmöglichkeit bestand, die einen nicht nachhaltigen Wirtschaftsboom und hohe Leistungsbilanzdefizite produzierten. Unser Petitum ist nicht, dass eine produktivitätsorientierte und sinnvoll koordinierte Lohnpolitik, wie sie Flassbeck und Mitstreiter fordern, unwichtig oder falsch wäre. Wir plädieren alle für kräftigere Lohnsteigerungen in Deutschland. Unser Petitum lautet allerdings, dass das nicht reicht. Es ist auch wichtig, sich um die Dysfunktionalitäten des Finanzsystems zu kümmern.

Ich verstehe immer noch nicht, warum Flassbeck und Mitstreiter diese Ergänzung ihrer These so beharrlich bekämpfen. Das Postulat: „Ihr sollt keine anderen Forderungen neben meinen erheben“ ist der progressiven Sache nicht dienlich. Es spaltet. Mein Vorschlag zur Güte:

Man muss nicht in allen Prioritäten genau übereinstimmen um gemeinsam für das gleiche Ziel wirken zu können.

 

Antwort zu Einzelfragen

(für Masochisten und für die, die sich vertieft für diese Kontroverse interessieren)

Ich gebe gerne zu, dass der Titel meines Blogbeitrags „Keynesianer beharren auf Alleinschuld der Lohnpolitik“ zugespitzt war. Mann könnte ihn auf „Primat der Lohnpolitik“ abschwächen. Dass die Beteiligten, einschließlich Ehnts sich gegen Versuche wenden, Finanzströmen eine auch nur annähernd gleich wichtige Rolle zuzuweisen wie den Löhnen und deshalb das Augenmerk auf sie zu richten, sollte nicht streitig sein.

Ehnts verteidigt, dass Steinhart die Argumentation von Heine/Sablowski mit der von Hans-Werner Sinn gleichsetzt und dann nur noch auf Sinns Argumente eingeht. Dafür muss bei beiden ein Satz von H+S  herhalten:

„Der Zustrom von Kapital ist bestimmend für den Importsog und die damit verbundenen Leistungsbilanzdefizite in den Krisenländern.“

Damit argumentierten sie wie Sinn, meint auch Ehnts. Das stimmt jedoch nicht. Sinn argumentiert, als bestünde Geld noch im Wesentlichen aus Goldmünzen, die  von hier nach da verbracht werden, um Leistungsbilanzdefizite zu finanzieren. Er argumentiert, dass „Kapital“ bzw. Ersparnisse, die vor der Krise von Deutschland nach Spanien flossen, in Deutschland eine entsprechende Kapitalknappheit verursacht hätten. Das ist ganz klar nicht mit der Funktionsweise eines Buchgeldsystems mit Geldschöpfung durch die Banken vereinbar.

Aber nicht jeder, der den unglücklichen aber üblichen Begriff Kapitalströme benutzt, muss sich vorhalten lassen, ein derart falsches Bild im Kopf zu haben. Heine/Sablowski lassen das zwar im Vagen, ihre Argumentation ist aber einer vernünftigen Interpretation innerhalb des tatsächlichen Geldsystems ohne weiteres zugänglich, wenn man bereit ist kleine, unbedeutende Fehler zu übersehen. Deshalb kann man sie nicht einfach mit Sinn in einen Topf werfen und das zum Vorwand nehmen, auf die empirische Evidenz für ihre These nicht weiter einzugehen. Auch Ehnts geht nicht auf diese empirische Evidenz ein.

Das ist unbefriedigend.

Dann zitiert Ehnts mein Resümee, letztlich sei die Europäische Zentralbank (EZB) in gehörigem Umfang schuld an der Misere, weil sie die spanische und andere Kreditblasen als unproblematisch ignoriert und großzügig alimentiert habe, wodurch erst möglich wurde, dass deutsche Banken die wachsenden Leistungsbilanzdefizite dieser Länder so großzügig finanzierten. Er fragt dann:

„Ist also die EZB Verursacher der Krise, oder ist es vielleicht doch die deutsche Lohnpolitik?“

Ehnts stellt fest, der Behauptung läge ein fehlerhaftes Verständnis des Geldsystems zugrunde. Dann erklärt er das Geldsystem auf eine Weise, der ich vollumfänglich zustimme. Etwas kürzer habe ich das – meine ich – genauso getan. Aber eine Antwort auf die Frage, die Ehnts selbst gestellt hat, oder den Nachweis, dass meine Behauptung falsch ist, habe ich auch bei mehrmaligem Lesen nirgends gefunden. Er scheint zu sagen, das ist normal, oder wie der Schwabe sagt „Des ghört so.“

Auch das ist unbefriedigend.

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