SPD meint: Bundestag soll digitalen Euro erst debattieren, nachdem Brüssel und EZB alle Details entschieden haben

5. 07. 2024 | Die Unionsfraktion hat beantragt, eine breite Debatte über den digitalen Euro zu führen und die Regierung auf Respektierung des Votums des Bundestags zu verpflichten. Die Vertreter der Kanzlerpartei SPD lieferten in der Debatte und auf Abgeordnetenwatch ein peinliches Zeugnis davon ab, dass sie den Bundestag als bloßen Abnickverein dessen sehen, was Brüssel und Frankfurt sich ausdenken.

Am 4. Juli debattierte der Bundestag über Anträge von CDU/CSU und AfD zum digitalen Euro und zum Bargeld. Das Magazin Multipolar bietet einen ausführlichen Bericht von der Debatte und Abstimmung. Der ausgesprochen moderate Antrag der Union wurde von den Ampelparteien abgelehnt. Eine bemerkenswerte Koalition aus Union, AfD und BSW stimmte dafür. Ein Antrag der AfD gegen die Einführung des digitalen Euro wurde von allen Parteien außer BSW – das sich enthielt – abgelehnt. Die Begründungen, die ein Debattenredner der SPD und an anderer Stelle der Vorsitzende des Ausschusses für Arbeit und Soziales, ebenfalls von der SPD, für die Ablehnung gaben, lassen tief blicken.

Parlamente sollen auf Entscheidungen warten

Johannes P. fragte auf Abgeordnetenwatch den Ausschussvorsitzenden für Arbeit und Soziales und SPD-Abgeordneten Bernd Rützel, wie er zu der im Antrag der CDU geforderten breiten Debatte und der Beendigung der Subventionierung der privaten Better Than Cash Alliance durch die Bundesregierung stehe. Diese von IT- und Finanzkonzernen und deren Stiftungen, sowie dem US-Außenministerium gegründete Gruppe bezweckt explizit die weltweite Zurückdrängung des Bargelds. Auf die Frage nach der verräterischen Förderung der Better Than Cash Alliance antwortete Rützel mit vielsagendem Schweigen. Im Übrigen verwies er darauf, dass die EU-Kommission den digitalen Euro prüfe und gab deren Pro-Argumente eins zu eins wieder, garniert mit einer zusätzlichen Falschbehauptung:

„Die Einführung eines digitalen Euros wird derzeit innerhalb der Europäischen Kommission geprüft. Hintergrund ist die Zunahme des digitalen Zahlungswesens und die marktbeherrschende Stellung ausländischer Anbieter vor allem aus den USA. Hier europäische Alternativen anzubieten, erscheint mir sinnvoll. Mit den Vorschlägen soll sichergestellt werden, dass Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen eine zusätzliche Option erhalten, durch die sie mit einer weithin akzeptierten, kostengünstigen, sicheren und widerstandsfähigen Form öffentlichen Geldes digital bezahlen können. Dabei soll der digitale Euro das Bargeld nicht ersetzen, sondern ergänzen. Es ist eine Verpflichtung vorgesehen, im Handel analoge Bezahlmethoden anzubieten. (…)“

Es stimmt nicht, dass eine Verpflichtung für den Handel vorgesehen sei, analoge Bezahlverfahren (Bargeld) anzubieten. Im Gegenteil: Der Handel soll gemäß den Richtlinienentwürfen der Kommission zum digitalen Euro und zum Bargeld verpflichtet werden, den digitalen Euro zu akzeptieren, nicht aber Bargeld.

Mit ihrer Verordnung zur löchrigen Annahmepflicht, zeigt die EU-Kommission, dass sie das Bargeld beseitigen will
28. 6. 2023 | Die EU-Kommission hat Verordnungsentwürfe zum Status des gesetzlichen Zahlungsmittels von Euro-Bargeld und vom geplanten digitalen Euro vorgestellt. Bargeldnutzer sollen viel weniger Anspruch auf ihr bevorzugtes Zahlungsmittel bekommen als Nutzer von digitalem Euro-Zentralbankgeld. Es ist offensichtlich, dass die EU-Kommission (zusammen mit der EZB) das Bargeld durch den digitalen Euro nicht ergänzen, sondern verdrängen will.

Eine breite politische Debatte über Sinn, Zweck und Ziel des Vorhabens hält der Ausschussvorsitzende für unnötig. Diese will er den Technokraten in der EU-Kommission überlassen. Es reiche, wenn die Parlamente am Ende zu den Lösungen der Technokraten für ein von diesen selbst definiertes Problem nicken dürfen. „Beteiligung“ der Parlamente reicht ihm, Entscheidungsbefugnis der Volksvertreter will er nicht fordern: Im O-Ton:

„Das Vorhaben wurde und wird unter ständiger Einbindung der Mitgliedsstaaten entwickelt. Es geht jetzt in die Testphase verschiedener Varianten, deshalb ist eine Beteiligung der nationalen Parlamente noch nicht erforderlich. Erst wenn sich abzeichnet, wie genau der digitale Euro ausgestaltet sein soll, müssen und werden die nationalen Parlamente – also auch der Bundestag – beteiligt.“

Was die Bundesbank sagt, gilt

In der Bundestagsdebatte über die Anträge von Union und AfD gab der SPD-Abgeordnete Lennard Oehl lediglich unkritisch wieder, was die Bundesbank zum Thema digitaler Euro zu sagen hat, nahm die rückläufige Bargeldquote als Beweis, dafür, dass die Bürger digitales Bezahlen (mehr) schätzen und tat so, als müssten zuverlässige und bequeme digitale Bezahlverfahren erst noch erfunden werden. Obwohl die privaten Zahlungsdienstleister – einschließlich der amerikanischen – bei der Abwicklung von Zahlungen mit digitalen Euro ebenso mit im Boot sein sollen wie bei den derzeitigen digitalen Verfahren, stellte der SPD-Experte den digitalen Euro als Durchbruch in Sachen Datenschutz und Unabhängigkeit dar. Ein eigenes Bekenntnis zu Bedeutung des Schutzes der Barzahlungsmöglichkeit kam ihm nicht über die Lippen.

Fazit und Handlungsoption

Die Zentralbanken und sonstigen Technokraten bieten ein Sammelsurium von Gründen an, warum der digitale Euro gebraucht werde. Viele davon überzeugen nicht, weil der digitale Euro die angeblichen Ziele nicht erfüllen kann, oder weil es bessere oder einfachere Alternativen gibt, sie zu erreichen. Es zeugt von einem fragwürdigen Demokratieverständnis und grenzt an Arbeitsverweigerung, wenn Parlamentarier dafür eintreten, dass bei einer Maßnahme, die das Geldsystem massiv verändern könnte, eine parlamentarische Debatte über die Notwendigkeit, das Ziel und die grobe Richtung der Maßnahme entbehrlich ist. Wer sich darauf beschränken will, am Ende, wenn die Technokraten alle Entscheidungen getroffen haben, eine unverbindliche Stellungnahme abzugeben, ist in einer echten Volksvertretung fehl am Platz. Er wäre in einem nationalen Volkskongress besser aufgehoben.

Wer den frisch gewählten EU-Abgeordneten und den Bundestagsabgeordneten von der SPD ein Zeichen geben will, dass man mit Bargeldfeindlichkeit keine Wahlen gewinnt, der kann eine dieser Tage gestartete Petition an das EU-Parlament unterstützen, die verlangt, das Bargeld gesetzlich zu schützen. Es würde dadurch mit dem geplanten digitalen Euro auf die gleiche Schutzstufe gehoben. Dann müssen Abgeordnete, wie diejenigen der SPD, und muss die EU-Kommission Farbe bekennen, ob sie es mit der Behauptung ernst meinen, sie wollten das Bargeld mit dem digitalen Euro nicht verdrängen. Ich gehöre zu den Erstunterzeichnern. Davon später mehr in einem separaten Beitrag.

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