In einer Pressemitteilung vom 29. September 2020 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) eine Kurzfassung des Plädoyers des EU-Generalanwalts veröffentlicht. Der EuGH folgt diesen Plädoyers meist. Da nicht offenkundig ist, was das für den Ausgang meines beim Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) anhängigen Verfahrens bedeuten würde, will ich die Kurzfassung des Plädoyers hier (leicht gekürzt) wiedergeben und kommentieren.
Vorwegschicken will ich, dass ich nach diesem Plädoyer zwar damit rechne, vom Bundesverwaltungsgericht gegenüber dem Hessischen Rundfunk Recht zu bekommen und meinen Rundfunkbeitrag bar bezahlen zu dürfen. Vom Niveau des rechtlichen Schutzes der Bargeldnutzung, wie es sich durch die Interpretation des Generalanwalts abzeichnet, wäre ich aber enttäuscht.
Wem das folgende zu lang und juristendeutsch ist, denen empfehle ich den Podcast zum Thema, der hier abrufbar ist. Außerdem finden Sie am Ende dieses Blogbeitrags eine leicht verdauliche zusammenfassende Schlussfolgerung.
Leitsätze des Generalanwalts
„Nach Ansicht von Generalanwalt Pitruzzella sieht das Unionsrecht grundsätzlich eine Pflicht vor, bei der Begleichung von Geldforderungen Euro-Bargeld anzunehmen. Die Union und die Mitgliedstaaten dürfen aber in Ausübung anderer Zuständigkeiten als der des Währungsrechts unter bestimmten Bedingungen die Verwendung von Euro-Banknoten als Zahlungsmittel für die Verfolgung von Gründen des öffentlichen Interesses begrenzen.
Satz eins klingt sehr gut. Mit Satz zwei öffnet der EU-Generalanwalt aber Scheunentore für die EU-Kommission und Regierungen, die dem Bargeld an den Kragen wollen. Zum Glück ist die Europäische Zentralbank ins Lager der Bargeldfreunde umgeschwenkt und das BVerwG scheint diesem Lager ebenfalls anzugehören. Sonst sähe es düster aus. Die Europäische Zentralbank soll nach dem ausführlichen Plädoyer nationale Beschränkungen der Bargeldnutzung daraufhin prüfen, ob sie erforderlich und verhältnismäßig sind. Falls das nicht der Fall wäre, und falls die nationale Regierung an der Regelung festhielte, müsste die (bargeldfeindliche) EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren einleiten.
Worum es geht
„Zwei deutsche Staatsbürger, die in Hessen (Deutschland) zur Begleichung des Rundfunkbeitrags verpflichtet sind, haben dem Hessischen Rundfunk angeboten, den Beitrag in bar zu bezahlen. Unter Berufung auf seine Rundfunkbeitragssatzung, die für die Zahlung des Beitrags die Möglichkeit der Barzahlung ausschließt, lehnte der Hessische Rundfunk die Zahlungsangebote der beiden Beitragspflichtigen ab und versandte ihre Festsetzungsbescheide. Die beiden Beitragspflichtigen fochten diese Bescheide an, und der Rechtsstreit kam vor das Bundesverwaltungsgericht. Dort tragen diese Beitragspflichtigen vor, dass sowohl das nationale Recht (konkret §14 des Gesetzes über die Deutsche Bundesbank, im Folgenden: BBankG) als auch das Unionsrecht eine unbedingte und unbeschränkte Pflicht zur Annahme von Euro-Banknoten als Mittel für die Begleichung von Geldschulden vorsähen. Diese Pflicht könne nur durch vertragliche Vereinbarung zwischen den Parteien oder aufgrund einer bundesgesetzlichen bzw. unionsrechtlichen Ermächtigung eingeschränkt werden. Gründe der Praktikabilität bei Zahlungen von einer großen Zahl von Beitragspflichtigen („Massenverfahren“) könnten den Ausschluss der Bargeldzahlung nicht rechtfertigen.
Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts verstößt der in der Beitragssatzung des Hessischen Rundfunks geregelte Ausschluss der Möglichkeit, den Rundfunkbeitrag in bar zu bezahlen, gegen §14 BBankG, eine höherrangige bundesrechtliche Bestimmung, die vorsieht, dass Euro-Banknoten das einzige „unbeschränkte“ gesetzliche Zahlungsmittel sind. Es möchte jedoch wissen, ob diese Bestimmung des BbankG mit der ausschließlichen Zuständigkeit der Union für die Währungspolitik in Einklang steht. Ferner möchte es wissen, ob das Unionsrecht nicht ein Verbot für öffentliche Stellen der Mitgliedstaaten enthält, die Erfüllung einer hoheitlich auferlegten Geldleistungspflicht mit Euro-Banknoten abzulehnen, was dazu führen würde, dass die Beitragssatzung des Hessischen Rundfunks gegen das Unionsrechts verstieße.
Nur die EU ist regelungsbefugt
„Speziell in Bezug auf die Währungspolitik ist der Generalanwalt der Ansicht, dass sich die der Union zugewiesene ausschließliche Zuständigkeit nicht auf die Festlegung und Durchführung einer Währungspolitik in operativer Hinsicht (Geldpolitik im engeren Sinne) beschränke, sondern auch alle Zuständigkeiten und Befugnisse umfasse, die für die Schaffung und das reibungslose Funktionieren der einheitlichen Währung, des Euro, erforderlich seien. (…) Daraus folge, dass eine von einem Mitgliedstaat, dessen Währung der Euro ist, erlassene Vorschrift des nationalen Rechts, die aufgrund ihres Zieles und Inhalts die den Euro-Banknoten zukommende Eigenschaft eines gesetzlichen Zahlungsmittels regele, in die ausschließliche Zuständigkeit der Union eingreife und daher mit dem Unionsrecht unvereinbar sei.
Mit anderen Worten. Ob §14 Bundesbankgesetz noch gilt oder nicht, hängt davon ab, ob damit beabsichtigt ist, abweichend oder ergänzend zu EU-Regelungen festzulegen, was es bedeutet, dass Euro-Banknoten gesetzlichen Zahlungsmittel sind. Um es vorwegzunehmen: Der Generalanwalt sagt zwar, das BVerwG müsse das entscheiden, macht aber deutlich, dass seiner Meinung nach diese Absicht gegeben ist und daher §14 Bundesbankgesetz nicht mehr anwendbar ist.
„Dies vorausgeschickt, stellt der Generalanwalt jedoch klar, dass die ausschließliche Zuständigkeit der Union für die einheitliche Währung nicht so weit gehe, dass sie eine allgemeine Zuständigkeit zur Regelung der Modalitäten der Erfüllung privatrechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Geldleistungspflichten umfasse, die bei den Mitgliedstaaten verblieben sei. Demzufolge dürfe ein Mitgliedstaat nationale Rechtsvorschriften erlassen, die aufgrund ihres Zieles und ihres Inhalts keine Regelung der den Euro-Banknoten zukommenden Eigenschaft eines gesetzlichen Zahlungsmittels, sondern eine Regelung der Organisation und Funktionsweise der öffentlichen Verwaltung darstellten, die diese Verwaltung verpflichte, Barzahlungen der Bürger anzunehmen.
Es ist also dem Bundesgesetzgeber erlaubt, seinen Behörden und denen der Länder per Gesetz aufzutragen, Bargeld anzunehmen, auch wenn sie das nach EU-Recht nicht in jedem Fall müssten. Möglicherweise kann das BVerwG §14 Bundesbankgesetz in diese Richtung auslegen. Das schiene mir allerdings etwas gewagt. Wahrscheinlich müsste ein solches Gesetz extra neu verabschiedet werden.
§14 Bundesbankgesetz nicht mehr anwendbar
Jetzt kommt die Passage, der wir oben vorgegriffen haben:
„Es sei Sache des Bundesverwaltungsgerichts, das allein für die Bestimmung der genauen Tragweite der nationalen Rechtsvorschriften zuständig sei, zu prüfen, ob §14 BBankG eine Regelung darstelle, die aufgrund ihres Zieles und Inhalts eine Regelung der den Euro-Banknoten zukommenden Eigenschaft eines gesetzlichen Zahlungsmittels einführe. Nach dem Eindruck des Generalanwalts soll §14 BBankG den unionsrechtlichen Begriff der den Banknoten zukommenden Eigenschaft eines gesetzlichen Zahlungsmittels ergänzen. Sollte dies der Fall sein, wäre davon auszugehen, dass §14 BBankG die den Euro-Banknoten zukommende Eigenschaft eines gesetzlichen Zahlungsmittels regele und damit in die ausschließliche Zuständigkeit der Union für die Währungspolitik eingreife, so dass sie nicht anzuwenden sei.
Die Sichtweise, dass der Bundesgesetzgeber mit §14 das gesetzliche Zahlungsmittel ergänzend zum EU-Gesetzgeber regeln wollte, stützt der Generalanwalt, wohl recht solide, auf die Formulierung, Euro-Banknoten seien das „einzige unbeschränkte“ gesetzliche Zahlungsmittel, wobei „einzig“ und „unbeschränkt“ im korrespondierenden Art. 128 AEUV des EU-Rechts nicht vorkomme.
Wenn das BVerwG die Regelungsabsicht hinter §14 ebenso sieht wie der Generalanwalt, entfällt mit diesem Paragraphen die Basis dafür, dass das Gericht eine unbedingte Bargeldannahmepflicht für öffentliche Verwaltungen nach deutschem Recht festgestellt hat. Dann muss das BVerwG direkt EU-Recht zugrundelegen, und zwar so, wie das der Europäische Gerichtshof vorgibt. Im weiteren untersuchen wir, wie das aussehen würde, wenn der EuGH dem Generalanwalt folgen würde. Davon ist nach meinem Eindruck aus der mündlichen Verhandlung leider auszugehen.
Spitzfindige Basis für Einschränkungen
„Anhand einer Prüfung der relevanten Auslegungselemente, die das Unionsrecht zur Verfügung stellt, kommt Generalanwalt Pitruzzella zu dem Ergebnis, dass beim gegenwärtigen Stand des Unionsrechts der Begriff der Banknoten zukommenden Eigenschaft als gesetzliches Zahlungsmittel dahin zu verstehen sei, dass er eine grundsätzliche Pflicht des Gläubigers einer Zahlungsverpflichtung beinhalte, Banknoten anzunehmen, abgesehen von zwei Ausnahmen: zum einen der Fall, in dem die Vertragsparteien in Ausübung ihrer Privatautonomie andere Zahlungsmittel als Bargeld vereinbart hätten, und zum anderen der Fall, in dem die Union oder ein Mitgliedstaat, dessen Währung der Euro sei, in Ausübung ihrer eigenen Zuständigkeiten außerhalb der Währungspolitik Rechtsvorschriften erlassen hätten, die aufgrund ihres Zieles und Inhalts keine Regelung der Eigenschaft eines gesetzlichen Zahlungsmittels darstellten, sondern für die Verfolgung von Gründen des öffentlichen Interesses Begrenzungen für die Verwendung von Euro-Banknoten als Zahlungsmittel vorsähen.
Ab hier wird das Plädoyer für mich schwer erträglich. Für die zweite Ausnahme stützt sich der Generalanwalt ebenso wie die EU-Kommission und früher die EZB auf den obskuren Erwägungsgrund 19 in der Euro-Einführungsverordnung von 1998. Ein Erwägungsgrund in einer 22 Jahre alten Verordnung, die mehrmals durch neuere Gesetze und Verträge zu gleichen Sachverhalten überholt wurde, wird herangezogen, um ein im EU-Vertrag nicht vorgesehenes Recht der EU-Kommission und der Mitgliedsregierungen zu behaupten, aus fast beliebigen sonstigen Gründen die Nutzbarkeit des gesetzlichen Zahlungsmittels zu beschränken oder gar weitgehend auszuhöhlen. Nennen Sie mich einen schlechten Verlierer: Das riecht für mich danach, dass man die vielen Beschränkungen, die die bargeld- und bürgerfeindliche EU-Kommission schon eingeführt oder zugelassen hat, irgendwie rechtfertigen will und dafür ganz tief in die juristische Trickkiste greift.
Der 19. Erwägungsgrund der Verordnung (EG) Nr. 974/98 des Rates vom 3. Mai 1998 über die Einführung des Euro lautet: „Banknoten und Münzen in nationaler Währungseinheit verlieren spätestens sechs Monate nach Ende der Übergangszeit die Eigenschaft eines gesetzlichen Zahlungsmittels. Von den Mitgliedstaaten aus Gründen der öffentlichen Ordnung eingeführte Begrenzungen für Zahlungen in Banknoten und Münzen sind mit der den Euro-Banknoten und Euro-Münzen zukommenden Eigenschaft eines gesetzlichen Zahlungsmittels nicht unvereinbar, sofern andere rechtliche Mittel für die Begleichung von Geldschulden bestehen.“
Ich meine mit mühsam ausgegrabenen Dokumenten aus den EU-Archiven belegen zu können, dass dieser Erwägungsgrund – ebenso wie im Wesentlichen die ganze Verordnung – sich nur mit der Regelung der Übergangszeit der Euro-Einführung befasst.
Dabei geht es insbesondere um die Zeit, in der die nationalen Währungen krumme Untergliederungen des Euro waren, den es als Euro-Banknoten noch nicht gab. Diese nationalen Währungen wurden aber, obwohl sie dem gesetzlichen Zahlungsmittel Euro-Bargeld gleichgestellt waren, in anderen Ländern als dem jeweils eigenen nicht akzeptiert. Für dieses und ähnliche Probleme der Übergangszeit stellte Erwägungsgrund 19 klar, dass solche Beschränkungen in Ordnung sind. (Mehr dazu hier).
Obwohl dieser Aspekt Thema in der Anhörung war und wir dem Gerichtshof die entsprechenden Unterlagen zukommen ließen, geht der Generalanwalt mit keinem Wort auf die Genese und das Ziel der Verordnung und des Erwägungsgrunds ein. Das scheint mir nicht in Ordnung, wenn man so weitreichende Folgerungen darauf stützt wie es der Generalanwalt tut. Dass der Generalanwalt durchaus weiß, wie man die Entstehungsgeschichte eines Gesetzes einbeziehen kann, beweist er bei §14 Bundesbankgesetz, den er mit einer Argumentation aus der Entstehungsgeschichte für nicht mehr anwendbar hält. Dieser selektive blinde Fleck ist sehr unsauber und wirkt zielgerichtet, ebenso wie die Tatsache, dass er nicht versucht, zu definieren, was das im nächsten Zitat genannte „anderes rechtliches Mittel“ zur Begleichung von Geldschulden ist. Es wäre wohl auch schwer zu definieren. Es sei denn, man lässt sich auf den Charakter der Übergangsregelung der Verordnung ein, dann ginge es recht leicht, wie ich gezeigt habe. (Auch Kartoffeln sind als Mittel zur Begleichung von Geldschulden nicht verboten.) Aber es kommt noch dicker:
Weite Grenzen für Einschränkungen
„Solche Beschränkungen seien jedoch nur dann mit dem unionsrechtlichen Begriff der Euro-Banknoten zukommenden Eigenschaft als gesetzliches Zahlungsmittel vereinbar, wenn sie nicht de iure oder de facto zur vollständigen Abschaffung der Euro-Banknoten führten, wenn sie aus Gründen des öffentlichen Interesses beschlossen würden und wenn andere rechtliche Mittel für die Begleichung von Geldschulden bestünden. Sie müssten zudem verhältnismäßig sein und daher geeignet sein, das verfolgte Ziel des öffentlichen Interesses zu erreichen, und dürften nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich sei.
Das ist krass: „wenn sie nicht de iure oder de facto zur vollständigen Abschaffung der Euro-Banknoten führten“. Es reicht dem EU-Generalanwalt, wenn irgendwo noch ein paar 5-Euro-Scheine im privaten Bereich zirkulieren. Solange das der Fall ist, können Regierungen und die EU-Kommission die Eigenschaft von Euro-Banknoten als gesetzliches Zahlungsmittel fast nach Belieben aushöhlen. Sie müssen nur ein Ziel des öffentlichen Interesses verfolgen (oder vorschieben). Bekämpfung von Schwarzarbeit, Steuerhinterziehung, Terror und ähnliches gehen immer als (vorzuschiebende) Gründe des öffentlichen Interesses gegen das Bargeld. In seinem ausführlichen Plädoyer scheint er der Bundesregierung sogar nahezulegen, ein solches Ziel für den Ausschluss der Barzahlung beim Rundfunkbeitrag nachzuschieben und deutet an, dass das aus seiner Sicht dann in Ordnung wäre.
Kaum Bürgerrechte
„Der Generalanwalt stellt ferner fest, dass die Union zwar nicht in allen Fällen ein absolutes Recht auf Barzahlung vorsehe, doch könne der dem Bargeld zuerkannte Wert, gesetzliches Zahlungsmittel zu sein, eine unmittelbare Verbindung zur Ausübung von Grundrechten in den Fällen haben, in denen die Verwendung von Bargeld ein Element sozialer Eingliederung sei. Die Verwendung von Währung in einer anderen Form als der physischen des Bargeldes setze nämlich gegenwärtig die Verwendung grundlegender Finanzdienstleistungen voraus, zu denen eine nicht unbedeutende Zahl von Personen noch keinen Zugang habe. Für diese schutzbedürftigen Personen sei Bargeld die einzige zugängliche Form von Währung und damit das einzige Mittel zur Ausübung ihrer Grundrechte, die mit der Verwendung von Geld verbunden seien. Maßnahmen, die die Verwendung von Bargeld als Zahlungsmittel beschränkten, müssten deshalb die Funktion sozialer Eingliederung berücksichtigen, die Bargeld für solche schutzbedürftigen Personen erfülle, und gewährleisten, dass tatsächlich andere rechtliche Mittel für die Begleichung von Geldschulden bestünden. Es bestehe eine Pflicht, Maßnahmen zu ergreifen, die geeignet seien, es schutzbedürftigen Personen ohne Zugang zu grundlegenden Finanzdienstleistungen zu ermöglichen, ihre Verpflichtungen, insbesondere die öffentlich-rechtlicher Art, ohne zusätzliche Belastungen zu erfüllen.
Immerhin macht sich der Generalanwalt hier für Leute ohne Bankkonto stark. Aber. Er erwähnt nicht die anderen Grundrechte der Bürger, insbesondere nicht das Recht auf Wahrung der Privatsphäre. Im ausführlichen Plädoyer behauptet er, ohne diese anderen Rechte und Interessen im einzelnen zu nennen, sie ließen sich auch auf andere Weise als durch Barzahlung sichern oder verfolgen. Wie man anonym, also unter Wahrung seiner Privatsphäre bezahlen können soll, wenn man es digital tun muss, bleibt sein Geheimnis. Sehr ärgerlich. Ich gehe allerdings davon aus, dass das BVerwG die eigene, weitergehende Sichtweise der Rechte und Interessen der Bürger in sein Urteil einfließen lassen kann.
„Es sei jedoch Sache des vorlegenden Bundesverwaltungsgerichts, zu prüfen, ob eine nationale Vorschrift wie die Beitragssatzung des Hessischen Rundfunks, die Begrenzungen für Zahlungen in Banknoten vorsehe, mit dem Unionsrecht und mit der den Euro-Banknoten zukommenden Eigenschaft als gesetzliches Zahlungsmittel vereinbar ist. Insoweit stellt der Generalanwalt fest, dass die Maßnahme für die Zahlung des Rundfunkbeitrags offenbar einen absoluten und ausnahmslosen Ausschluss von Euro-Banknoten vorsehe, ohne dass die Funktion sozialer Eingliederung, die Bargeld für die erwähnten schutzbedürftigen Personen erfülle, berücksichtigt worden sei.
Im letzten Satz macht der Generalanwalt deutlich, dass die Rundfunkanstalten aus seiner Sicht von Menschen ohne Konto Bargeld annehmen oder ihnen eine andere Form anbieten müssen, ihren Beitrag ohne Zusatzkosten – wie sie bei Barüberweisungen anfallen – zu entrichten.
Digitaler Euro geht klar
„Schließlich lasse sich weder aus der Vorschrift des AEUV, mit der die Eigenschaft eines gesetzlichen Zahlungsmittels zu einem Begriff des Primärrechts gemacht werde, noch aus einer anderen Unionsrechtsvorschrift ableiten, dass der Verfassungsgesetzgeber der Union beabsichtigt habe, die Möglichkeit der Union auszuschließen, parallel zu Euro-Banknoten und Euro-Münzen anderen, nicht notwendigerweise körperlichen Formen von Währung den Wert eines gesetzlichen Zahlungsmittels zu verleihen, wie z. B. Einer digitalen Währung (Central Bank Digital Currency).
Das sehe ich auch so. Wenn die Europäische Zentralbank eine digitale Zentralbankwährung herausgeben will, kann der EU-Gesetzgeber diese zu einem weiteren gesetzlichen Zahlungsmittel machen.
Zusammenfassung
Offen ist, ob das Bundesverwaltungsgericht zu dem Schluss kommt, dass §14 Bundesbankgesetz noch anwendbar ist. Es sieht wohl eher schlecht dafür aus.
Wenn er noch gilt, ist er unionsrechtskonform auszulegen. Für die Bedeutung der Eigenschaft des gesetzlichen Zahlungsmittel ist dann allein bindend, was das EU-Recht sagt und wie der Europäische Gerichtshof es auslegt.
Der EU-Generalanwalt sieht zwar eine grundsätzliche Bargeldannahmepflicht für öffentliche Stellen, aber gleichzeitig, sehr weitgehende Möglichkeiten für die Mitgliedstaaten (und die EU-Kommission), diese einzuschränken.
Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit von Bargeldbeschränkungen, zum Beispiel durch den Rundfunk, kann das BVerwG relativ frei entscheiden. Ich sehe daher der Entscheidung des Gerichts in meinem Verfahren gegen den Hessischen Rundfunk zuversichtlich entgegen.
Aber insgesamt wäre ich unzufrieden mit dem Ausgang des Verfahrens, wenn der Europäische Gerichtshof dem Generalanwalt folgen würde, weil dieser die europarechtlichen Tore für Bargeldbeschränkungen sehr weit aufstößt.
Mehr
Ein guter Bericht über das Plädoyeer des Generalanwalts in Legal Tribune (dt)
Das ausführliche Plädoyer des Generalanwalts
Dossier zum Krieg gegen das Bargeld
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