Gerichte und Rundfunk schlagen Kapriolen um das Bargeld und nähren Zweifel am Rechtsstaat

Ein Leser bekommt von einem Amtsgericht eine kurios rechtsfehlerhafte Auskunft zur Hinterlegung von Rundfunkbeiträgen, ein viertes königlich bayrisches Verwaltungsgerichtsurteil zugunsten der Rundfunkanstalten ergeht, und die Anstalten ignorieren weiter kühl die Entscheidungen von Amtsgerichten.

Rechtsstaat I

Inzwischen ist – wie der Hessische Rundfunk nicht versäumt hat, dem für mein Verfahren zuständigen Verwaltungsgericht Frankfurt mitzuteilen – ein viertes bayerisches Verwaltungsgerichtsurteil in Sachen Barzahlung zugunsten des Bayerischen Rundfunks ergangen: Ein Mal Augsburg, zwei Mal Regensburg und jetzt noch München. Irgendwie sind die Gerichte in Bayern besonders schnell und eifrig beim Fällen solcher Urteile. Aus den übrigen 15 Bundesländern scheint noch kein einziges vorzuliegen. Für mich klingt die Urteilsbegründung, was die Barzahlung angeht, fast possierlich staatstragend. Ein kleiner Auszug:

„Auch soweit der Kläger eine Verletzung von §14 Satz 2 Bundesbankgesetzt und damit einen Verstoß gegen das in Artikel 31 GG normierte Prinzip „Bundesrecht bricht Landesrecht“ geltend macht, kann er damit nicht durchdringen. Denn Zweck des §14 Satz 2 Bundesbankgesetzt ist es nicht, die Regelung von Zahlungsmodalitäten zum Zweck der Verwaltungsvereinfachung in Massenverfahren zu beschränken, sondern klarzustellen, das auf Euro lautende Banknoten das einzige unbeschränkte gesetzliche Zahlungsmittel sind, also grundsätzlich, anders als etwa Münzen in unbeschränkter Höhe anzunehmen sind. Die gesetzliche Regelung von Ausnahmen – wie … im Rundfunkbeitragsstaatsvertrag … soll hingegen nicht ausgeschlossen werden.“

Mit Verlaub: Natürlich wurde das Bundesbankgesetz nicht erlassen um die Regelung von Zahlungsmodalitäten im Massenverfahren zu beschränken. Der Gesetzgeber kam damals noch gar nicht auf die Idee, dass sich eine Behörde so etwas einfallen lassen könnte. Aber wenn es eine Annahmepflicht gibt, dann ist das eben die Folge. Das Gericht behauptet zwar, die gesetzliche Regelung von Ausnahmen solle nicht ausgeschlossen werden. Es gibt aber keinerlei Hinweis, wo sich eine gesetzliche Ermächtigung der Landesgesetzgeber finde, Ausnahmen von einem Bundesgesetz zur Bundesbank zu regeln. Es gibt diese Ermächtigung nicht.

Eine ausführliche Widerlegung der Rechtsmeinung der unteren bayerischen Verwaltungsgerichtsbarkeit findet sich in der Klagebegründung meines Anwalts Carlos Gebauer.

Die Verwaltungsgerichtsbarkeit in Bayern weist einige Besonderheiten auf. So ist der Verwaltungsgerichtshof (er heißt in anderen Bundesländern Oberverwaltungsgericht) wie auch die Verwaltungsgerichte in Bayern dem Geschäftsbereich des Innenministeriums, und nicht wie in den anderen Bundesländern, dem Justizressort zugeordnet. Präsident des Verwaltungsgerichtshofs, der Instanz über den Verwaltungsgerichten in Augsburg, Regensburg und München,  ist der ehemalige Mitarbeiter des bayerischen Innenministeriums  Stephan Kersten.  Dieser ist – halten sie sich und ihren Glauben an den Rechtsstaat fest – qua Amt Mitglied im Verwaltungsrat des Bayerischen Rundfunks. Außerdem ist er Richter am Bayerischen Verfassungsgerichtshof.

Wie es sein kann, dass ein Präsident eines obersten Landesgerichts und Richter am Verfassungsgerichtshof qua Amt nebenher eine Behörde beaufsichtigt, über die sein Gericht ggf. zu urteilen hat, entzieht sich meinem Rechtsstaatsverständnis. Wahrscheinlich hat einfach noch niemand die Muße gefunden, es höchstrichterlich überprüfen zu lassen, oder alle haben dieses Unterfangen in Anbetracht der Besetzung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs für zu wenig aussichtsreich gehalten.

Rechtsstaat II

Ein Leser dieses Blogs hatte bei einem Amtsgericht in Baden-Württemberg bereits zwei Mal die Rundfunkgebühren hinterlegt, weil der Südwestdeutsche Rundfunk sich weigerte, das gesetzliche Zahlungsmittel anzunehmen. Dann änderte das Amtsgericht seine Rechtsmeinung und beschied meinem Leser schriftlich:

„Voraussetzung für die Annahme ist ein gesetzlicher Hinterlegungsgrund. Im Fall von § 372 BGB wird ein zivilrechtliches Schuldverhältnis vorausgesetzt. Dies kann vertraglich aber auch gesetzlich seinen Ursprung haben. Bei den Beiträgen zum Rundfunk handelt es sich aber gerade nicht um ein zivilrechtliches Schuldverhältnis. Hier liegt ein öffentlich-rechtliches Schuldverhältnis vor. Das führt dazu, dass § 372 BGB nicht anwendbar ist. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn ein entsprechender Verweis im Rundfunkstaatsvertrag oder der Rundfunkbeitragssatzung auf § 372 BGB erfolgen würde. Dies ist aber nicht der Fall. Deshalb bleibt es bei der Unanwendbarkeit von § 372 BGB.“

Hierzu möchte ich die Stellungnahme meines Anwalts Carlos Gebauer zitieren:

„Das ist ein netter Versuch des Amtsgerichts. Aber er geht fehl. § 372 BGB gilt im öffentlichen Recht ebenso. Dies folgt nicht nur daraus, daß die Vorschrift kein eingrenzendes Tatbestandsmerkmal dahingehend enthält, sich nur auf zivilrechtliche Zahlungsansprüche zu beziehen. Der Gesetzgeber hat darüber hinaus durch § 395 BGB explizit gezeigt, ebenfalls öffentlich-rechtliche (Zahlungs-)Ansprüche regeln zu wollen. Dieser Auffassung sind auch die einschlägige Literatur und die höchstrichterliche Rechtsprechung. Siehe etwa die Kommentierung von Erman-Wagner, BGB, 14. Auflage, 2014, vor § 387ff BGB, insbesondere Randnummer 9.“

§372 BGB lautet:

„Geld, Wertpapiere und sonstige Urkunden sowie Kostbarkeiten kann der Schuldner bei einer dazu bestimmten öffentlichen Stelle für den Gläubiger hinterlegen, wenn der Gläubiger im Verzug der Annahme ist. Das Gleiche gilt, wenn der Schuldner aus einem anderen in der Person des Gläubigers liegenden Grund oder infolge einer nicht auf Fahrlässigkeit beruhenden Ungewissheit über die Person des Gläubigers seine Verbindlichkeit nicht oder nicht mit Sicherheit erfüllen kann.“

Das ist der ganze Paragraph. Tatsächlich keinerlei Hinweis, dass er nur für zivilrechtliche Schuldverhältnisse gelten sollte. Es kann ja auch nicht sein, dass ein Schuldner einer staatlichen Abgabe schutzlos dem  etwaigen Annahmeverzug des staatlichen Gläubigers ausgesetzt sein soll. Wenn der Rundfunk etwa kein Konto mitteilte, auf das man den Beitrag einzahlen kann: Könnte dann das Amtsgericht auch sagen: Sorry, aber bei öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnissen gibt es keine Hinterlegung? Tut uns leid, wenn der Rundfunk Dir wegen Nichtbezahlens den Gerichtsvollzieher schickt, kannst Du nichts machen? Das ist doch lächerlich.

Der von Herrn Gebauer angeführt §395 BGB steht im gleichen Abschnitt zu den Schuldverhältnissen und besagt:

„Gegen eine Forderung des Bundes oder eines Landes sowie gegen eine Forderung einer Gemeinde oder eines anderen Kommunalverbands ist die Aufrechnung nur zulässig, wenn die Leistung an dieselbe Kasse zu erfolgen hat, aus der die Forderung des Aufrechnenden zu berichtigen ist.“

Wenn hier besonders erwähnt wird, dass für öffentlich-rechtliche Forderungen in diesem Punkt etwas Besonderes gilt, dann erschließt sich daraus, dass ansonsten für öffentlich-rechtliche Forderungen das Gleiche gilt wie für privatrechtliche.

Rechtsstaat III

Weitere Leser haben mir Schreiben des Beitragsservice bzw. der Rundfunkanstalten geschickt, die zeigen, dass diese sich weiterhin einfach über das Recht (in Form der Rechtsprechung) stellen und so tun, als sei die Entscheidung von Amtsgerichten, eine Hinterlegung des Rundfunkbeitrags wegen Annahmeverzugs anzunehmen, völlig irrelevant und der Rundfunk könnte das hinterlegte Geld noch einmal einfordern. So brütet man Staatsverdrossenheit und Widerwillen gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk aus.

Der Beitragsservice schreibt per Musterbrief:

„die Hinterlegung der zu zahlenden Rundfunkbeiträge beim Amtsgericht ist rechtlich nicht zulässig …“

Die Rechtsmeinung einer nicht rechtsfähigen Inkassostelle der Rundfunkanstalten steht also über der des Amtsgerichts. Dreist. Und weiter:

„… und entbindet nicht von der pünktlichen Zahlung der Rundfunkbeiträge.“

Unsinn: Die Hinterlegung ist die Zahlung. Es geht nicht um Pünktlichkeit.

„Ebenso wie die Steuern sind Rundfunkbeiträge öffentlich-rechtliche Forderungen, deren Zahlung öffentlich-rechtliche Institutionen in die Lage versetzen soll, Ihren Auftrag zu erfüllen. Deshalb führen auch Rechtsmittel gegen Steuerbescheide oder Beitragsbescheide nicht dazu, dass die Zahlung zunächst aufgeschoben wird. Das hat der Gesetzgeber ausdrücklich so angeordnet.“

Das mag schon sein, aber darum geht es hier nicht. Es geht nicht um Aufschub der Zahlung. Es geht darum, ob die Zahlung erfolgt ist, und nach BGB ist die Schuld mit der Hinterlegung erloschen.

„Ganz abgesehen davon liegen auch die Voraussetzungen für eine Hinterlegung nicht vor, weil sich die Rundfunkanstalten nicht in Gläubigerverzug befinden. Denn die Zahlung der Rundfunkbeiträge ist nur durch Überweisung zulässig, wie jüngst das Verwaltungsgericht Regensburg ausdrücklich bestätigt hat.“

Der erste Satz des Absatzes widerholt die Behauptung oben, die Hinterlegung sei nicht zulässig und stellt wieder die Rechtsmeinung eines namenlosen Scheibers einer nicht rechtsfähigen Inkassostelle über die des zuständigen Amtsgerichts. Zum Verwaltungsgericht Regensburg ist zu sagen, dass seine (rechtsfehlerhafte) Entscheidung keinen Bewandnis für das Amtsgericht eines anderen Bundeslandes hat, anders als etwa Entscheidungen des Bundesgerichtshofs hinsichtlich des Annahmezwangs bei Bargeld, von denen man schon erwarten dürfte, dass das Verwaltungsgericht Regensburg sie kennt und respektiert.

„Wir können Ihnen daher nur davon abraten, Rundfunkbeiträge beim Amtsgericht zu hinterlegen, zumal sie dann auch die dafür anfallenden Kosten zusätzlich zu tragen haben und die Vollstreckung nicht verhindern.“

Das ist jetzt ganz wild. Das Beitragskonto weist angeblich ein Minus auf, das die schon hinterlegten Beträge enthält. Der Untertan soll also wegen Insubordination unter die Rundfunkanstalt den schon bezahlten Beitrag nochmal bezahlen. Andernfalls wird trotz Bezahlung vollstreckt, mit allen Konsequenzen, die das für den Betroffenen haben kann, bis hin zur Kontenpfändung und zum persönlichen Bankrott, wenn etwa eine Bank ausstehende Kredite deshalb fällig stellt. Und wenn der Rundfunk sich dann irgendwann doch bequemt das für ihn unwiderruflich hinterlegte Geld abzuholen, muss der vollstreckte Untertan, der den Beitrag schon zwei Mal bezahlt hat, auch noch die Kosten des Abholens und die Hinterlegungsgebühr entrichten.

Das ist eine so dreist falsche Rechtsauskunft, dass klar wird, warum der Rundfunk es vorzieht, diese über seine nicht rechtsfähige Inkassostelle ohne Unterschrift zu verschicken. Dann kann niemand dafür belangt oder als Jurist bis auf die Knochen vor der Öffentlichkeit blamiert werden. Der Rundfunkjustiziar, der sich diese Formulierungen ausgedacht hat, möge bitte vortreten und sich hinter diese Behauptungen stellen.

Ergänzend ist zu bemerken, dass die Justiziarin des Westdeutschen Rundfunks und Pressesprecherin des Beitragsservice jüngst der Presse gesagt hat, man habe für die Barzahlungsanbieter extra Barzahlungsmöglichkeiten geschaffen. Das kontrastiert doch sehr mit der Rechtsauskunft an die Barzahlungsanbieter durch eben diesen Beitragsservice und der ruppigen Drohung mit Vollstreckung. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

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