Warum sich vor allem die Linke vor einer Merz-CDU fürchten muss

Die Kommentatoren interpretieren die Kandidatur von Friedrich Merz für den CDU-Vorsitz bevorzugt als Problem für die AfD, weil Merz konservativ und leitkulturaffin ist. Das ist viel zu kurz gedacht. Das größte Problem hätte die Linke.

Friedrich Merz ist ein marktliberaler Sozialstaatskritiker und ein mit der internationalen Finanzbranche assoziierter Transatlantiker, der sich für die Durchsetzung einer deutschen Leitkultur ausgesprochen hat. Wenn er den CDU-Vorsitz übernehmen und die Partei in seine Richtung drehen sollte, könnte diese tatsächlich von der AfD einige Wähler zurückholen, und zwar vom marktliberalen, gemäßigt islamkritischen Flügel, also von der Alice-Weidel-Fraktion.

Das würde die AfD-Programmatik nicht unverändert lassen. Die AfD hat mit ihrer Programmatik immer sehr sensibel auf die Nachfrage und das Konkurrenzumfeld reagiert. Aus der Anti-Euro-Partei wurde in Rekordzeit die Anti-Einwanderungspartei. Eine Merz-CDU würde den neoliberalen Teil der AfD-Programmatik schwächen, über dem nicht mehr viel zu holen wäre. Stattdessen würde sich die AfD in Richtung des Front National in Frankreich entwickeln. Also in Richtung einer noch offener fremdenfeindlichen, nationalistischen Partei, die sich die Verteidigung der Arbeitsplätze und sozialen Errungenschaften der kleinen Leute gegen die Globalisierung und Finanzialisierung auf die Fahnen schreibt.  Eine solche Partei würde im Vorsitzenden der Atlantikbrücke und Aufsichtsratsvorsitzenden von Blackrock Deutschland ein ähnlich gutes Hassobjekt finden wie die derzeitige AfD in Angela Merkel.

Die SPD dürfte es als Kontrahentin einer Merz-CDU leichter haben als bisher, ihre Daseinsberechtigung deutlich zu machen, auch wenn sie weiter Stimmen an eine sich sozialer gebende AfD verlieren könnte.

Richtig Sorgen machen müsste sich die Linke. Sie würde zerrieben zwischen einer SPD, die wieder als linker Gegenpart der marktliberaleren CDU wahrgenommen würde, und einer AfD, die sich ohne liberal-bürgerliche Sprech- und Denkverbote als Interessenwahrerin der kleinen (deutschen) Leute geriert. Eine Linke mit offenen Grenzen im Programm und einem Faible für Weltoffenheit, das sie von unten betrachtet in die Nähe der Globalisierungselite rückt, hat da ganz schlechte Karten. Wer verhindern will, dass eine Merz-CDU den Sozialstaat ausblutet, wählt aufgrund der Machtverhältnisse eher SPD als Linke. Wer die Gefahr für den eigenen Anteil an Sozialtransfers und staatlichen Leistungen vor allem in Zuwanderung, Globalisierung und ‚Finanzialisierung sieht, wird AfD wählen – und nicht die Linke, jedenfalls nicht bei deren heutiger Programmatik. Ihre einzige Chance liegt darin, die Programmatik der offenen Grenzen SPD und Grünen zu überlassen und auf eine umzuschwenken, mit der man der AfD Paroli bieten kann und sich gleichzeitig auch von SPD und Grünen unterscheidet.

Ich meine damit eine Programmatik, die davon ausgeht, dass man nicht gleichzeitig offene Grenzen, gute Löhne und einen leistungsfähigen Sozialstaat haben kann, was ja der Grund ist, warum die Konzerne im Weltwirtschaftsforum so intensiv an der Willkommenskultur gearbeitet haben. Die Linke müsste eine Alternative zum Propagieren des blanken National-Egoismus durch die AfD bieten, das die Interessen der kleinen Leute in Deutschland als unvereinbar mit denen von Menschen aus armen Ländern darstellt. Das geht, wenn man darauf verweist, dass es nicht solidarisch, sondern unanständig ist, den armen Ländern die Leute wegzunehmen, die sie teuer aufgezogen und ausgebildet haben. In einer Anti-AfD-Programmatik zeigt man internationale Solidarität, indem man Flüchtlingen vor Ort stärker hilft, Waffenexporte unterbindet und die Handelsbeziehungen zugunsten der armen Länder fairer gestaltet.

All diese Forderungen wird man auch von einer sich sozialer gebenden AfD nicht zu hören bekommen. Für eine derartige linke Partei gäbe es zwischen einer Merz-CDU und einer nationalsozialen-AfD eine Marktlücke. Für eine dritte grünrote Partei mit ein bisschen mehr Sozialrhetorik dagegen nicht mehr.

P.S. (21 Uhr):  Ich muss mich in Sachen AfD und Entwicklungshilfe korrigieren und Abbitte leisten. Aus Fairnessgründen lasse ich meinen Text stehen und korrigiere ihn offen. Von der AfD kann man entgegen meiner Behauptung im letzten Absatz solche Forderungen offenbar durchaus hören, wie aus der nachfolgenden Lesermail von Reinhard Lange hervorgeht. Es gilt: Was richtig ist, bleibt auch dann noch richtig, wenn die AfD es sagt und fordert. Eine für linke Zeitgenossen wählbare Alternative zu den oftmals nationalistischen und ausländerfeindlichen Tonlagen von Vertretern der Alternative für Deutschland zu bieten, bleibt ein politisch lohnendes Unterfangen. 

Lesermail:

Aus dem Grundsatzprogramm der AfD: ‚Entwicklungshilfe sollte stets Hilfe zur Selbsthilfe sein. Hiervon zu trennen ist die humanitäre Hilfe, die sogenannten Transfers. Es liegt im deutschen Interesse, wenn die Menschen in Entwicklungsländern eine Perspektive für ein menschenwürdiges Leben in ihrer Heimat erhalten. Die Auswanderung von Menschen in wirtschaftlicher Not nach Deutschland löst die Probleme vor Ort nicht. Angesichts des riesigen Bedarfs an Unterstützung der Entwicklungsländer einerseits und der Begrenztheit der Mittel andererseits ist angezeigt, die Maßnahmen zu konzentrieren. Nur solche Projekte sind zu unterstützen, die das Empfängerland bzw. die einheimischen Unternehmen nach Ablauf der Projektdauer ohne fremde Hilfe selbständig weiterführen können. Fluchtursachen in den Herkunftsländern müssen bekämpft werden, auch wenn dies für die westliche Wirtschaft nachteilig ist.‘ (Hervorhebung RL)

Die letzte Bemerkung ist doch echt der Hammer. Da wird im Grundsatzprogrammm der AfD die Verbesserung der Lebensumstände der Menschen in den Herkunftsländern der Flüchtlinge über das Wohl auch der deutschen Wirtschaft gestellt. Oder hier von einem Bundestagsabgeordneten der AfD: ‚Flüchtlingen effizienter helfen – vor Ort in jeweiliger KonfliktregionDer Libanon und Jordanien sind seit Jahrzehnten Anlaufstellen für Flüchtlinge und Migranten aus dem Nahen und Mittleren Osten. Seit Ausbruch des Bürgerkriegs in Syrien haben diese Länder noch einmal rund eineinhalb Millionen Flüchtlinge bei sich aufgenommen. Diese humanitäre Hilfeleistung verdient großen Respekt und vor allem Unterstützung‘, sagt Dr. Anton Friesen, Mitglied des Auswärtigen Ausschusses und des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe.(…)

Deutschland und die EU müssen Flüchtlingen endlich effizienter helfen. Das geht nur vor Ort in der jeweiligen Konfliktregion. Dadurch kann mit weniger Mitteln mehr notleidenden Menschen geholfen werden. Möglicherweise hätte Alice Weidel das alles nicht gesagt. Aber es sind trotzdem und entgegen Ihrer Behauptung Forderungen der AfD.“

[31.10.2018]

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