29. 01. 2021 | Hören | Der Bundestag hat einen entscheidenden Schritt bei der Umsetzung des ID2020-Projekts von Microsoft, Accenture und Rockefeller Stiftung getan, indem er die Steuer-Identifikationsnummer zur einheitlichen Bürgernummer für alle Behörden gemacht hat. Damit ist der Weg zur gläsernen Bürgerin vorgezeichnet.
Die Steueridentifikationsnummer soll zu einer umfassenden Bürgernummer werden, die den Behörden den Zugriff auf schon vorhandene Personendaten bei einer anderen Behörde ermöglicht. Das hat die rot-schwarze Regierungskoalition im Bundestag gegen geschlossenen Widerstand der Opposition und gegen alle Bedenken von Datenschützern beschlossen. Der Bundesrat muss noch zustimmen, bevor das Gesetz, das viele für verfassungswidrig halten, in Kraft treten kann.
Das Bundesverfassungsgericht hat in der Vergangenheit geurteilt, dass es dem Grundrecht auf Privatsphäre widerspricht, wenn der Staat eine Datenbank schafft, in der alle Daten zu einer Person versammelt sind. Denn das ermöglicht ein umfassendes Persönlichkeitsprofil, das weit über das für die einzelne behördliche Anwendung nötige Wissen hinausgeht.
Die Regierung will dieses Problem mit einem Trick umschiffen, mit dem Cookie-Banner-Prinzip der Vorspiegelung von freiwilliger Einwilligung. Die Nutzung dieses Prinzips für Überwachungszwecke haben Weltwirtschaftsforum und Accenture, zusammen mit der US-Heimatschutzbehörde mit ihrem Known-Traveller-Digital-Identity-Projekt propagiert und seither wird es an vielen Stellen in Deutschland, Europa und der Welt entsprechend eingesetzt.
Zwischen Frankreich und England wird die Known Traveller Totalüberwachungsfantasie Wirklichkeit
Beim Known Traveller geht das so, dass Reisende sich bei Kontrollinstanzen mit biometrischen Merkmalen (Foto) voranmelden und diesen „freiwillig“ Zugriff auf eine Datenbank gestatten, in der alle wichtigen „Identitätsdaten“ über sie selbst versammelt sind. Was wichtige Identitätsdaten sind, wird dabei sehr weit ausgelegt.
Bei der Bürgernummer geht das so, dass die Bürgerinnen Ihre Zustimmung geben müssen, damit eine Behörde die Daten von einer anderen Behörde abfragt. Aber wie viel Freiwilligkeit gibt es gegenüber einer Behörde? Was tut man, wenn man vor die Wahl gestellt wird, entweder freiwillig alle Daten preiszugeben, zum Beispiel Steuerdaten, oder eben auf Herz und Nieren geprüft zu werden (weil man ja offenbar etwas zu verbergen hat)?
Ganz abgesehen davon ist es ja etablierter Grundsatz der Beseitigung von Datenschutz, diesen scheibchenweise abzutragen. Zunächst einmal wird die Daten-Infrastruktur aufgebaut, aber mit Zugangshürden zu den Daten versehen. Erst im zweiten Schritt und bei nächster Gelegenheit, werden diese Hürden dann mehr oder weniger allmählich abgebaut. Bei der Einführung der Steuer-Identifikationsnummer 2008 wurde uns mitgeteilt: „Diese Nummer wird ausschließlich zu steuerlichen Zwecken genutzt“. Versprechen gebrochen. Wie war das mit dem Versprechen, Maut-Überwachungsdaten nur zur Maut-Erhebung zu nutzen, als sich die Gelegenheit bot, Sexualverbrecher mit den Daten zu überführen? Der Beispiele gibt es viele.
Die NSA wird ohnehin nicht nach einer Einwilligung fragen, wenn sie über die in die IT-Ausrüstung der US-Produzenten eingebauten Hintertüren, oder eine freundschaftliche Anfrage bei den hiesigen Diensten nachschaut, was es über bestimmte Bundesbürgerinnen an behördlichen Informationen gibt.
Das ID2020-Projekt mit den weltweit einheitlich lesbaren, biometrisch eindeutig unterlegten Identifikationsnummern ist gerade und vor allem für die globale Bevölkerungsüberwachung über Ländergrenzen hinweg von zentraler Bedeutung. Denn, während das Problem der eindeutigen Identifikation innerhalb Deutschlands ein Randproblem ist, das kaum die Einführung so einer verfassungsrechtlich problematischen zentralen Nummer für alles rechtfertigt, sieht das grenzüberschreitend ganz anders aus.
Für die automatisierte Schleppnetzüberwachung von Milliarden Menschen sind NSA, Microsoft, Facebook und andere Organisationen und Unternehmen mit entsprechenden Ambitionen zwingend darauf angewiesen, eindeutige Identifikatoren zu haben. Nur so können sie die Informationen, die es in vielen tausend verschiedenen Datenbanken über all diese Menschen gibt, verlässlich zusammenführen.
ID2020 ist eine gemeinnützige Organisation mit Sitz in New York, die finanziert wird von Microsoft, Accenture, der Impfallianz Gavi (die wiederum von Microsoft-Gründer Gates finanziert wird) und der Rockefeller Stiftung. Letztere ist berüchtigt für ihr dystopisches Post-Pandemie-Szenario namens „Lock Step“ (Gleichschritt), das Szenario einer Weltbürgerschaft, die sich nach einer Pandemie autoritär regieren und gern total überwachen lässt. Einer der Autoren des Szenarios sagte erst vor wenigen Monaten in einem Interview:
„Wir werden nach und nach sehr viel mehr Überwachung akzeptieren. Und am Ende wird es uns nicht stören, weil es – für die meisten Menschen in den meisten Situationen – mehr nützt als schadet.“
Ziel der Organisation ist es, jedem Erdenbürger eine biometrisch mit ihm verknüpfte digitale Identität zu geben. Das bedeutet, dass automatisierbarer Zugriff auf alle Informationen geschaffen werden soll, die über alle Menschen auf der Welt digital verfügbar sind. Mit Gesichtserkennungssoftware kann das im öffentlichen Raum auch ohne Zutun des Überwachten geschehen.
Der Weg in den Überwachungskapitalismus
Das Hauptproblem ist längst nicht mehr der Überwachungsstaat, jedenfalls nicht der im traditionellen Sinn, sondern der konzerngetriebene Überwachungskapitalismus. Was wird passieren, wenn die Bürgernummer einmal für alle hoheitlichen Anwendungen etabliert ist? Dasselbe was in anderen Ländern auch passiert ist und passiert. Die Privaten übernehmen das Angebot dankend. Überall wird ein Feld zum Eintrag der Bürger-ID auftauchen. Wenn dann irgendwann die meisten privaten Unternehmen ihre Konsumenten-Geschäftspartner mit deren Bürgernummern in den Datenbanken haben, sind diese Datenbanken ganz einfach und viel zuverlässiger als bisher zusammenführbar.
Schon heute kaufen Datenbroker alle möglichen Daten über uns aus allen möglichen Quellen auf und fügen sie zu sehr umfangreichen Dossiers über die Mehrzahl der Erdenbürgerinnen zusammen. Dossiers, die jeder haben kann, der das Geld dafür hinlegt. Solange die sichere automatische Identifizierung nicht gewährleistet ist, sind diese Dossiers allerdings nur begrenzt zuverlässig.
Einheitliche Identifikationsnummern für alle Zwecke innerhalb eines Landes sind da extrem hilfreich. Die global einheitliche Nummer braucht es da gar nicht. Mit 200 verschiedenen Klassifizierungen und einer begrenzten Anzahl DoppelstaatsbürgerInnen kommen die IT-Systeme schon zurecht.
Aber vielleicht widersetzt sich ja der Bundesrat. Dann wäre der Marsch in den Überwachungskapitalismus in Deutschland verlangsamt und Zeit gewonnen, um ihn aufzuhalten, bevor er unumkehrbar wird.