Die Euro-Krise wurde von den Eliten fehlerfrei bewältigt

Wer eine unzureichende Bewältigung der Eurokrise kritisiert, vor allem durch deutsche Entscheidungsträger, macht einen grundlegenden Fehler. Es gibt für die deutsche Wirtschaftselite keine Krise. Alles läuft hervorragend. Das zeigen die Vermögenspreise.

Das Wachstum im Euroraum ist schwach, die Arbeitslosigkeit hoch, in manchen Ländern extrem hoch. Das verleitet viele dazu, den wirtschaftspolitischen Entscheidungsträgern Versagen vorzuwerfen. Vor allem den Deutschen, die bei vielen Maßnahmen zur Krisenbewältigung im Bremserhäuschen sitzen, wird der Vorwurf der Inkompetenz gemacht. Das ist verfehlt. Der Vorwurf unterstellt eine Zielfunktion, die die Entscheidungsträger wahrscheinlich nicht haben.

Schauen wir uns die Lage einmal aus der Sicht der Wirtschaftselite an, von der man annehmen darf, dass ihre Sicht der Dinge und ihre Präferenzen die wirtschaftspolitischen Entscheidungsträger stark beeinflussen. Die Wirtschaftselite, dass ist in nicht ganz enger Abgrenzung das Prozent der Bevölkerung, dem ein Drittel des Gesamtvermögens gehört. In ganz weiter Abgrenzung könnte man auch auf die fünf reichsten Prozent gehen, denen die Hälfte des Gesamtvermögens gehört.

Das Flossbach von Storch Research Institute berechnet einen Vermögenspreisindex, in den vor allem die Preise von Immobilien, Aktien und Anleihen eingehen, gewichtet mit den Anteilen dieser Vermögensklassen am Gesamtvermögen.

In den Nordländern, die von Deutschland dominiert werden, sind die Vermögenspreise seit 2009 um etwa ein Viertel gestiegen. Um mindestens so viel ist das Vermögen der Wirtschaftselite gestiegen. Es dürfte noch mehr sein, je enger man die Elite fasst, denn nach den Untersuchungen des Instituts stiegen die Preise der Vermögensbestandteile, die überproportional von den Reichsten gehalten werden, tendenziell am stärksten. Wenn das keine gute Krisenbewältigung ist. Selbst wenn man mit dem Zwischenhoch vor Krisenbeginn im Jahr 2007 vergleicht, ergibt sich noch eine Zunahme der Vermögenspreise von etwa 15 Prozent.

Die „Wirtschaft“ im Sinne von „die deutsche Wirtschaftselite“ kann also ausgesprochen zufrieden mit der deutschen Wirtschaftspolitik und der Art der Krisenbewältigung in Europa sein.

Etwas anders sieht es in den südlichen Ländern aus, wo die Vermögenspreise bis Ende 2012 kräftig gesunken sind und sich erst seither wieder in einer leichten Aufwärtsbewegung befinden. Ein gewisser Interessengegensatz zwischen den Vermögenden im früheren D-Mark-Block und in den peripheren Ländern überrascht aus diesem Blickwinkel nicht. Dabei sind die zwei Entwicklungen keineswegs unabhängig voneinander zu sehen. Kapitalflucht aus den peripheren Ländern in die Nordländer treibt in letzteren die Vermögenspreise nach oben. Noch wichtiger: wenn Unternehmen in den peripheren Ländern, etwa Fiat,  deutliche höhere Fremdkapitalkosten haben als etwa VW, so bedeutet das einen massiven Wettbewerbsvorteil für unsere Industrieunternehmen, der durch Lohnzurückhaltung nicht aufzuwiegen ist. Das hat unter anderem den deutschen Autoherstellern große Marktanteilsgewinne seit Krisenausbruch ermöglicht. Größere Zurückhaltung der Notenbank mit Maßnahmen, die Kapitalflucht und Zinsaufschlägen entgegenwirken sollen, hilft, diesen deutschen Wettbewerbsvorteil zu bewahren. Das ist der Hauptgrund, warum die Deutschen im Bremserhäuschen sitzen.

Der Wettbewerbsvorteil der deutschen Industrie hat es ermöglicht, die Arbeitnehmer in Form einer guten Beschäftigungsentwicklung und einer nicht mehr ganz so schwachen Lohnentwicklung partizipieren zu lassen, sodass deren Vertreter mit der Euro-Politik ebenfalls im Grunde zufrieden sind, auch wenn sie ebenso pflichtgemäß wie vergebens mehr Nachfragebelebung fordern.

Man sollte aber den sicherlich existenten Interessengegensatz der Eliten im Norden und in der Peripherie nicht überbetonen und auch nicht das Interesse der Süd-Eliten gänzlich mit den dortigen Vermögenspreisen gleichsetzen. Die Eliten sind vermögensmäßig diversifiziert und naturgemäß die ersten, die ihr Geld im Norden in Sicherheit gebracht haben. Und in Sachen Herstellung einer Interessenharmonie hat es sich als sehr hilfreich erwiesen, dass die Geldgeber-Troika aus dem Norden sehr viel weniger Engagement zeigte, auf Einschnitte bei den örtlichen Eliten zu drängen, als dabei, auf Einschnitten bei den unteren 95 Prozent zu bestehen.  

Es gibt also eine Interessenharmonie zwischen der Wirtschaftselite des ehemaligen D-Mark-Blocks als Hauptprofiteurin und deren Industriearbeiterschaft sowie den Eliten der peripheren Länder, die jeweils ein bisschen was abbekommen. Die Gebissenen sind die Mehrheit der Menschen in den peripheren Ländern. Die sind richtig gebissen. Aber das liegt nicht daran, dass irgendwer bei der Krisenbewältigung Fehler gemacht hat. Es liegt daran, dass diese Menschen in Kauf genommene Kollateralschäden der Krisenbewältigung sind. 

Wer sich darauf beschränkt, Fehler bei der Krisenbewältigung zu beklagen und über diese vermeintlichen Fehler zu diskutieren, als hätten alle Beteiligten die gleiche imaginäre gesamtgesellschaftliche Nutzenfunktion im Sinn, der spielt wissentlich oder naiv seine Rolle in einem Verschleierungs-Spiel.

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