Vergleich der Krisenperformance von Schweden und Deutschland

19. 08. 2020 | Auf dem Blog „deliberation daily“ hat Jens Happel verglichen, wie Schweden und Deutschland in zehn Beurteilungskategorien bisher durch die Corona-Krise gekommen sind. Schweden gewinnt für ihn haushoch. Er hat mir erlaubt, eine stark gekürzte Fassung hier zu posten. Im Original finden Sie mehr Details und Grafiken zur Statistik.

Corona: Schweden Deutschland

Von Jens Happel

Nachdem das erste halbe Jahr Corona vorbei ist, ziehe ich eine Zwischenbilanz zu Corona und vergleiche den schwedischen mit dem deutschen Weg.

Eine Vorbemerkung: Die Gefährlichkeit von Covid19 scheint unter anderem darin begründet, dass es nur wenig Immunität in der Bevölkerung gab. Dies führte z.B. in Italien und Frankreich zur Überlastung des Gesundheitssystems, da sich Covid19 zunächst unerkannt exponentiell ausbreitete.

Nun zu dem Coronavergleich zwischen Schweden und Deutschland.

1 Anzahl der Toten

Klare Sachen, Deutschland schneidet hier mit 111 Toten pro Million Einwohner deutlich besser ab als Schweden mit 571 Toten pro Million Einwohner. (Quelle: Worldometers.info)

2. Kollaps des Gesundheitssystem

Den Kollaps des Gesundheitssystem gab es in beiden Ländern nicht. Das Notfall Feldlazarett in Schweden, extra für Covid19 eingerichtet, wurde kürzlich unbenutzt abgebaut.

3. Erste Welle vorerst gestoppt?

Auch hier klare Sache, beide Länder haben die Pandemie im Griff. Die tägliche Anzahl an Toten tendiert in beiden Ländern gegen fast Null. Die Auslastung der Intensivstationen mit Covid-19 Patienten geht ebenfalls in beiden Ländern gegen fast Null.

4. Klare Zielvorgabe?

Beide Länder wollten eine Überlastung des Gesundheitswesen verhindern. In Schweden wurden mit diesem Ziel die Maßnahmen nach einiger Zeit verschärft und die Versammlungsgröße auf 50 reduziert. Danach passierte nicht mehr viel.

Sowohl Schweden als auch Deutschland haben Abstandsregeln und Hygieneregeln aufgestellt.

In Deutschland wurden die Einschränkungen des öffentlichen Lebens zusätzlich bis hin zum Lockdown immer weiter verschärft. Dieser wurde dann aufgehoben, aber zusätzlich eine Maskenpflicht eingeführt. Die zulässige Versammlungsgröße wird von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich gehandhabt. Teilweise sind Tagesausflüge von einem Bundesland in das nächste nicht erlaubt.

Die Kriterien zur Aufhebung der Maßnahmen wurden in Deutschland ständig geändert. In der Regel wurden die Kriterien verschärft. Folgende Kriterien wurden genannt.

  • • Verdopplungszeit 10 Tage
  • • Verdopplungszeit 14 Tage
  • • Reproduktionsfaktor unter 1
  • • 50 Fälle / 100.000
  • • 1000 Infektionen, dass entspricht 8 Fälle pro 100.000.
  • • Zur generellen Aufhebung wollte Gesundheitsminister Spahn sich zuletzt auf gar keine konkrete überprüfbare Zahl einlassen: „Es gibt nicht diese eine Zahl. Es gibt den Steigerungsfaktor, um wie viel dynamischer wird das Infektionsgeschehen. Es gibt die absolute Zahl der Infektionen. Mit um die 1.000 Neuinfektionen pro Tag kann das Gesundheitswesen umgehen.“

Wer ständig die Kriterien für eine Aufhebung der Maßnahmen ändert, hat wohl keinen Plan.

Der jetzt genannte „Steigerungsfaktor“ bleibt ungenannt. Das Kriterium „um die 1000 Infektionen pro Tag“, weil das Gesundheitssystem damit umgehen könne, ist stark erklärungsbedürftig. Vom 17. März bis zum 18. April hatten wir einen ganzen Monat weit mehr als 2000 Fälle pro Tag, bei sehr viel weniger Tests pro Tag. Zudem waren die Anforderungen, um den Test überhaupt machen zu können, deutlich schärfer. Mit diesen wesentlich kritischeren 2000 Fällen pro Tag kam unser Gesundheitssystem bestens klar. Wo ist hier eine Logik zu erkennen? Das ist in Willkür ausgeartet.

5. Grundrechte eingeschränkt

In Schweden wurde den Eltern freigestellt die Kinder in die Schule (bis Klasse 8) zu schicken. Hey, man hat eine Wahlmöglichkeit, das hat doch irgendwie mit Freiheit zu tun. Blöd nur, dass die Kinder die zu Hause blieben keinerlei Fernunterricht erhielten. Versammlungen bis 50 Leute waren durchgängig erlaubt. So konnten Hochzeiten mit Feier und Beerdigungen mit Trauergemeinde abgehalten werden, Sterbende durften besucht werden, bei uns starben viele allein.

Deutsche Gerichte haben diverse Auflagen der Regierung als unverhältnismäßig einkassiert. Unsere Leitmedien haben in den allerwenigstens Fällen, ich habe ehrlich gesagt keinen einzigen gefunden, sich im Vorfeld des Urteils über die vom Gericht kassierten Auflagen mokiert. Dies ist ein klares Indiz dafür, dass die Leitmedien als 4. Gewalt schlafen.

6. Wirtschaftliche Schäden durch Schutzmaßnahmen

Schweden hatte wesentlich geringere wirtschaftliche Einbußen. Das Bruttoinlandsprodukt lag im zweiten Quartal um 8,2 Prozent unter dem Vorjahresquartal, gegenüber minus 11,7 Prozent in Deutschland. Der Einbruch war also 3,5 Prozentpunkte geringer, und das bei deutlich weniger teuren Gegenmaßnahmen durch die schwedische Regierung. In Schweden wird ein Schuldenanstieg von 36% des BIP auf 45% des BIP erwartet, in Deutschland hingegen von 60% auf 77%. also 9% gegenüber 17% Anstieg auf das jeweilige BIP bezogen. (Quellen hier und hier.)

Eindeutige Sache, Schwedens Wirtschaft hat deutlich weniger gelitten. Außerdem hat Schweden in der Corona Krise weniger neue Schulden aufgenommen. Unsere Medien haben permanent postuliert, Schweden habe nichts von seinem Weg, da es wirtschaftlich genau so hart getroffen würde und stützen sich dabei auf fragwürdige Studien.

7. Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen

Zur Ermittelung der Verhältnismäßigkeit muss untersucht werden, wie hoch die Anzahl der Toten zu sonstigen Ereignissen mit Todesfolge ist und welche Kollateralschäden für den Schutz der Bevölkerung in Kauf genommen werden.

Schweden hat die Übersterblichkeit in der Covid-19 Phase auf die Übersterblichkeit einer schweren Grippewelle begrenzt. In Deutschland wurde die Übersterblichkeit hingegen auf das Maß einer sehr leichten Grippewelle reduziert (Bild 11). Um hier Protest vorzubeugen, die schwedische Übersterblichkeit zeigt, dass Covid-19 etwas schlimmer war als eine schwere Grippewelle, da sie durch Maßnahmen erreicht wurde, die bei einer Grippewelle nicht getroffen wurden.

Bei uns sind die wirtschaftlichen Schäden deutlich größer, zudem gab es eine Zunahme an häuslicher Gewalt und mehr Bildungsausfall. Ich finde Deutschland hat überharte Maßnahmen getroffen. Das kann man natürlich anders sehen, aber diese Leute frage ich: „Wenn ihr das angemessen findet, sollen wir das jetzt wirklich alle paar Jahre so handhaben, um auch die „normalen“ Grippetoten immer auf dieses niedrige Maß zu drücken?“

Was die Angemessenheit der Strafen für PCR Test Verweigerer nach dem Urlaub von 25.000 Euro angeht, frage ich mich, ob unsere Politiker den Veitstanz im Bundestag aufführen. Die Strafe ist um ein vielfaches höher als das was bei Körperverletzung üblich ist.

Wie eine Abschätzung der Angemessenheit der Eingriffe ohne Erfassung der Kollateralschäden gelingen kann, bleibt das Geheimnis der Regierung und der Medien. Schweden hat meines Wissens auch nicht die Kollateralschäden untersucht, aber hat von vornherein versucht die negativen Auswirkungen der Maßnahmen so klein wie möglich zu halten.

Die Kehrseite war natürlich die höhere Sterberate. Die schwedische Bevölkerung, Politik und Medien haben aber bislang die Übersterblichkeit bei schweren Grippewellen noch nie als Politikversagen betrachtet. Deswegen waren die Maßnahmen der schwedischen Regierung nach meinem dafürhalten angemessen.

Der deutsche Weg hat größere Kollateralschäden und mehr Eingriffe in die Freiheitsrechte. Wenn dieser Weg richtig war, müssten wir ihn ab sofort bei jeder Grippewelle machen. Ich bezweifele, dass das passieren wird.

8. Pandemie genutzt, um unliebsame Gesetze durchzudrücken

Spahn und die Regierungskoalition haben zwei Mal den Datenschutz ausgehebelt. Einmal beim zweiten Pandemieschutzgesetz und einmal beim ePA-Datengesetz. Beim zweiten Mal besonders perfide. Spahn legte den Gesetzesentwurf zwar dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz vor, strich aber vor der Abstimmung ein entscheidendes Einwilligungserfordernis wieder heraus. Dieses Version wurde dann nicht mehr dem Datenschutzbeauftragten vorgelegt.

In Schweden ist mir so ein Fall nicht bekannt.

10. Verhalten der Medien, Meinungsfreiheit

In Schweden konnten 20 Wissenschaftler in mehreren Zeitungen (den Staatsepidemiologen Anders) Tegnell kritisieren, in Deutschland kommen Kritiker deutlich seltener in den Leitmedien zu Wort. So bekommen Prof. Bhakdi, Prof. Reiss sowie Prof. Hockertz in den Leitmedien kaum Raum. Alle drei sind ausgewiesene Experten mit wissenschaftlicher Karriere in Fachgebieten, in die auch Covid-19 fällt. Auf Youtube wurden zeitweise Videos von Ihnen gelöscht.

Die Leitmedien geben dem Protest das Gesicht eines deutschen Nationalisten (Zitat aus Tagesspiegel). So richten sie die Aufmerksamkeit auf den unglaubwürdigsten „Anführer“ des Protests, den sie finden konnten. Die Meinungen von absoluten Fachleuten mit anderer Meinung werden hingegen entweder totgeschwiegen oder in journalistisch unterirdischer Qualität verfassten Faktenchecks gleich ganz diskreditiert.

Auch Wikipedia macht mit. Sie löschten auf ihrer Webseite aus der Liste der Epidemien und Pandemien den Hinweis, dass 2017/2018 zwischen 350.000 und 600.000 Menschen  an der Grippe gestorben sind. Mutmaßlich, weil viele Kritiker der Maßnahmen dorthin verlinkt hatten, um Covid-19 mit der pandemischen Grippe 2017/2018 zu vergleichen. Jetzt, als auf worldometers.info die Anzahl der weltweiten Corona Toten „endlich“ größer ist als die 600.000 Grippetoten steht es wieder drin, passt ja auch wieder ins Narrativ.

Hinweis: Dies ist ein Crosspost, ein Gastbeitrag, der nicht notwendigerweise in jedem Punkt der Meinung des Betreibers dieses Blogs (Norbert Häring) entspricht.Der Beitrag erschien am 13.8. auf „dd deliberation daily„.

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