So demokratiefern geht es bei der WHO zu

2. 10. 2024 | Im Interview mit den Nachdenkseiten hat Andrej Hunko davon erzählt, wie er es als wohl einziger Parlamentarier geschafft hat, an der Weltgesundhetsversammlung teilzunehmen, und wie undemokratisch es dort zugeht. Der Pandemievertrag ist dort fürs Erste gescheitert, aber die Reform der Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV) wurde bei Nacht und Nebel durchgewunken.

Andrej Hunko war Abgeordneter der Linken und ist zum Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) übergetreten (zu dessen Unterstützern ich zähle). Im Interview erzählt er von der Versammlung der Delegationen aller Mitgliedsländer der Weltgesundheitsorganisation (WHO), die einmal im Jahr in Genf stattfindet und das oberste Entscheidungsgremium der WHO ist.

„Übrigens waren die aktivsten Staaten, die auf Teufel komm raus versucht haben, die Änderungen der IGV durchzusetzen und den Pandemievertrag noch irgendwie zu retten, Deutschland, die USA und Neuseeland. Karl Lauterbach war selbst vor Ort. Ich war der einzige teilnehmende Abgeordnete, der nicht einer Regierung angehörte. Es gibt in der WHO keine Kultur einer Teilnahme von Abgeordneten, Journalisten oder kritischen NGOs. Es ist eine reine Veranstaltung von Regierungen und Stakeholdern.“

Mit „Stakeholder“ sind im wesentlichen die vielen Unternehmen gemeint, die mit und an der WHO verdienen wollen, und sie dafür unterstützen, und die großen Stiftungen, von denen die WHO viel Geld für von diesen ausgesuchte Projekte und Programme bekommt. Der Interviewer fragte, warum dort keine Parlamenarier sind: „Weil sie keinen Zugang oder weil sie kein Interesse haben?“. Antwort:

„Keinen Zugang. Der Gesundheitsausschuss des Europarats hat mich gewählt, als Beobachter zur Weltgesundheitsversammlung zu fahren. Die WHO hat mich jedoch zunächst abgewiesen und mir gesagt, eine Teilnahme von Abgeordneten sei nicht vorgesehen, und hat mich an meine nationale Regierung verwiesen. Ich habe mich dann beim Bundesgesundheitsministerium gemeldet. Dort hat man mir gesagt, wir sind Regierung, du bist Parlament, wir sind nicht für dich zuständig. Erst nach erneuter Intervention des Europarates bei der WHO habe ich ein oder zwei Tage vor der Veranstaltung eine Zusage bekommen, dass ich teilnehmen kann. Ich hatte auch nicht überall Zutritt. Es gab geheime Treffen, doch an den Hauptdebatten konnte ich teilnehmen. Das halte ich für sehr befremdlich. Die WHO hat keine parlamentarische Kontrolle, keine parlamentarische Begleitung in dem Sinne, dass auch Abgeordnete, Parlamentarier oder kritische Journalisten den Prozess beobachten können. Klar kann man sich vielleicht im Internet einiges anschauen, aber nicht vor Ort.“

Diese Erfahrung und Information finde ich wichtig im Rahmen der Diskussion, wie demokratisch kontrolliert und legitimiert es bei der WHO und dem ganzen Gebiet der Global Health zugeht? Nämlich sehr wenig.

Hunko kündigte an, dass das BSW einen Antrag im Bundestag einbringen wird, der die Regierung auffordert, dem Inkrafttreten der Ergänzungen der Internationalen Gesundheitsvorschriften, die auf sehr windige Weise zustande kamen, für Deutschland zu widersprechen:

„Ich war erschüttert über das in den Debatten vorherrschende Narrativ, dass die nächste Pandemie quasi vor der Tür steht und dass man noch schneller und härter reagieren muss als bei Corona. Eine kritische Aufarbeitung der Corona-Zeit war in keinem Beitrag zu spüren. Ganz am Ende der Versammlung wurden die Änderungen in einem sehr fragwürdigen Verfahren beschlossen. Und in der Tat ist es so, dass sie zu einer weiteren Zentralisierung der Entscheidungsbefugnisse der WHO und zu einer stärkeren Informationskontrolle führen. Sie gehen in die gleiche Richtung, wie auch der Pandemievertrag gehen soll. Im Unterschied (zum Pandemievertrag) können die Änderungen der Internationalen Gesundheitsvorschriften am Parlament vorbeigehen. Es muss keinen Parlamentsbeschluss geben. Bis zum nächsten April kann die Bundesregierung dem widersprechen. Dazu werden wir auch einen Antrag einbringen, dass sie das tut. (…) Die Änderungen wurden praktisch in einer Nachtsitzung von Freitag auf Samstag mehr oder weniger vom Präsidium festgestellt. Es gab keine formale Diskussion und Abstimmung. Auf jeden Fall ist es sehr beunruhigend, wie da vorgegangen wird.“

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