Interview mit Jannis Miliós: Er hat keine Angst vor der EZB

Kurzfristig konnte ich ein einstündiges Interview mit Jannis Miliòs führen, dem marxistischen Ökonomieprofessor an der TU Athen, der als Architekt des Wirtschaftsprogramms der Syriza gilt. Das Interview steht (überwiegend hinter einer Bezahlschranke) auf Handelsblatt Online, und morgen im Handelsblatt. Gerüchte, dass Miliós möglicherweise als EU-Kommissar nach Brüssel geschickt werden könnte, bestätigte er nicht ausdrücklich, erklärte aber seine Bereitschaft, ein solches Amt

anzunehmen, wenn Regierungschef Alexis Tsipras es ihm antragen sollte. Vor der Drohung, die EZB könnte den griechischen Banken vollends den Zugang zu Euros absperren, hat Miliós keine Angst. „Das kann und wird die EZB nicht tun. Wenn ein Land die Währungsunion verlassen muss, zerfällt die Währungsunion, egal wie klein das Land ist“ sagte er und schließt daraus: „Wir sind aufeinander angewiesen. Wir sind keine Gegner sondern Partner.“

Es soll auch niemand denken, Miliós und Syriza seien  naiv in diese Konfrontation mit der EZB hineingestolpert. Wenn man das Buch „Blackbox EZB“ aus dem Jahr 2014 anschaut, an dem er mitschrieb, dann weiß man, dass er sich keinen Illusionen hingibt über die große Macht der EZB und darüber, wie sie diese Macht gegen unbotmäßige Regierungen einzusetzen weiß.

Nach diesem Gespräch zu urteilen, wird das Sofortprogram der Regierung, das Tsipras am Freitag und Samstag vorstellen wird, sehr moderat ausfallen und eine Betonung auf Stabilität und solide Finanzierung legen. „Unser Programm hat nichts Klassenkämpferisches oder Antikapitalistisches. Es ist ein Programm für die ganz große Mehrheit der Griechen, für die 99 Prozent. Es geht darum, die Demokratie wiederherzustellen und wieder soziale Kohäsion zu erreichen“, sagte er mir. Für ihn sei Marxismus nur eine gute Art Vorgänge in der Wirtschaft zu verstehen, aber kein Leitfaden für die Wirtschaftspolitik. Er betonte auch, die Syriza sei schon immer eine Anti-Schuldenpartei gewesen. Sie und ihre Vorgängerparteien hätten schon seit über zehn Jahren als Einzige die Schuldenmacherei kritisiert und auf die Gefahren hingewiesen. Sie seien im Parlament von Nea Demokratia und Pasok als Ewiggestrige verlacht worden, die nicht verstünden, dass Industrieländer das heute so machen.

Miliós trägt sogar die Zusage von Finanzminister Varoufakis mit, nie mehr Schulden mehr zu machen um laufende Ausgaben zu finanzieren, also alles außer Schuldendienst. Ein Prozent „Primärüberschuss“ sei in Ordnung. Die viereinhalb Prozent Überschuss, die die Vorgängerregierung versprochen habe, sei jedoch Wahnsinn gewesen. Miliós hat weiter angekündigt, die Verkleinerung der Zahl der Ministerien von 18 auf zehn stelle nur den Anfang eines grundlegenden Umbaus des öffentlichen Sektors hin zu mehr Sparsamkeit und Effizienz dar. Das solle aber eben nicht durch unfaire und oft kontraproduktive Entlassungen und Stellenstreichungen aus Prinzip geschehen.

Auf mich machte Miliós, der fließend Deutsch spricht, weil er in Osnabrück studiert und zwei Doktortitel erworben hat, eine sehr kompetenten, sympathischen und überaus vernünftigen Eindruck. Jemand, der nicht mit Floskeln um sich wirft, sondern genau weiß, was er will und was er sagt. Grund zur Hoffnung, dass Griechenland die Kurve bekommen kann. 

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