Eine Flüchtlingspolitik, die die Schwächsten gegen die Schwachen ausspielt, treibt diese zu rechten Parteien

14. 09. 2015 | Wolfgang Clement, ehemaliger Wirtschaftsminister und ehemaliger SPD-Politiker, bringt es auf den Punkt. „Jeder legale Arbeitsplatz ist zumutbar. Die Mehrheit derer, die jetzt zu uns kommen, werden das auch so sehen. Und andere müssen es lernen“, das sind die Schlusssätze seines Kommentars zur Flüchtlingspolitik im Handelsblatt am Montag. „Alle Ventile öffnen!“, lautet der zweideutige Titel.

Clement bezieht den Titel auf den Arbeitsmarkt. Diskutierte Vorschriften zur Unterbindung des verbreiteten Unterlaufens von Arbeitnehmerrechten via Werkverträgen oder gar ein „Entgeltgleichstellungsgesetz“ kämen nun nicht mehr in Frage, da alle Ventile aufgemacht werden müssten, um möglichst viele Flüchtlinge möglichst schnell in Arbeit zu bringen. Andere fordern bereits mit Verweis auf die Flüchtlinge, den Mindestlohn zu senken oder wieder abzuschaffen.

Viele Menschen mit geringer Bildung oder aus anderen Gründen schlechten Arbeitsmarktchancen machen sich deshalb Sorgen um ihre eigenen Lebenschancen. Ein Hauptschüler, der vorher schon wenig Aussicht auf ein würdiges Arbeitsleben hatte, kann sich nun weitgehend abschminken, dass aus ihm noch etwas wird, wenn er mit studierten Flüchtlingen aus Syrien um Lehrstellen und Arbeitsplätze konkurrieren soll. Diese Verlierer sind die Adressaten von Clements ruppiger Ansage: „Die anderen müssen es lernen“, dass jeder legale Arbeitsplatz zumutbar ist.

Clement ist damit nur ehrlicher und direkter als die anderen Vertreter der etablierten Parteien. Diese halten den wirtschaftlich Perspektivelosen in Deutschland zwar keine Standpauken, aber sie ignorieren deren ganz reale und existenzielle Probleme in Zusammenhang mit dem Flüchtlingszustrom völlig und nahezu ausnahmslos. Zur Solidarität würde auch gehören, diese Probleme anzuerkennen und zu versprechen: „Wir lassen Euch damit nicht allein“. Aber nichts dergleichen geschieht. Von niemand. Stattdessen eine wohlfeile moralische Entrüstung des bürgerlichen Mittelstands, für den die Flüchtlinge eher ein Gewinn als eine Bedrohung sind, über die ewiggestrigen braunen Gedanken irgendwelchen Packs.

Natürlich sind menschenfeindliche Sprüche und Schlimmeres zu verurteilen. Aber wer es beim Moralisieren belässt und auch die noch nicht radikalisierten Verlierer dieser Entwicklung völlig allein mit ihren Sorgen lässt, der öffnet die Ventile nach rechts ganz weit, also zu den Parteien, die keine Solidarität predigen, sondern durch Härte und Abschottung gegen die Schwächsten den Schwachen Hilfe versprechen.

P.S. Clement und sein ehemaliges Ministerium treten übrigens auch im vorangegangenen Blog „Abwege einer menschenfeindlichen Wissenschaft“ auf, mit moralphilosophischen Überlegungen darüber, ob arbeitsunwillige Sozialhilfeempfänger auf gleicher Ebene wie tierische Parasiten stehen, oder noch tiefer.

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