Rollenmuster als Karrierehindernis: Wenn Ehrgeiz unattraktiv macht

Julia Balk, Norbert Häring. Frauen verdienen hartnäckig weniger als Männer und schaffen es nur sehr selten in der Privatwirtschaft bis ganz nach oben. Das deutet entweder auf Diskriminierung hin, oder auf hartnäckige Rollenmuster. Meldungen, wonach Männer heute intelligente Frauen mit Karrierechancen bevorzugen, könnten verfrüht gewesen sein. Ehrgeiz scheint Frauen in männlichen Augen immer noch unattraktiv zu machen.

„Die Quote wirkt“, verkündete Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig Ende letzten Jahres, weil der Frauenanteil in den Aufsichtsräten der zur Quote verpflichteten Unternehmen 2016 gestiegen war – von 23,3 auf 27,5 Prozent. Nicht jeder ist davon so beeindruckt wie die Ministerin, zumal der Frauenanteil in den Vorständen der börsennotierten Unternehmen mit 6,7 Prozent immer noch sehr gering ist. Der Anteil steigt kontinuierlich, aber langsam. Wenn die Entwicklung sich im selben Tempo fortsetzte, würde es laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung 60 Jahre dauern, bis in den Vorständen und Aufsichtsräten so viele Frauen sitzen wie Männer.

Angesichts der schulischen Erfolge von Mädchen im Vergleich zu Jungen und des Wandels im gesellschaftlichen Frauenbild überrascht die Hartnäckigkeit, mit der Führungspositionen in männlicher Hand bleiben. Anders als früher sei Intelligenz und Erfolg heute etwas, was Frauen nicht mehr verstecken müssten, sondern etwas, was von ihren Partnern durchaus geschätzt werde, haben die amerikanische Psychologie-Professorin Alice Eagly und ihr Züricher Kollege Marcel Zentner ermittelt, indem sie Studien zu gesellschaftlichen Einflüssen auf die Partnerwahl auswerteten. Partnerpräferenzen von Frauen und Männern reagierten mit unvermuteter Schnelligkeit auf Fortschritte in der Gleichstellung. „In der heutigen Umwelt, in der oft beide Eltern für ein befriedigendes Auskommen arbeiten müssen, suchen Männer gebildete Frauen mit guten Gehaltsaussichten“, zeigt sich Eagly überzeugt. Intelligenz und Karrierechancen, sollten man demnach meinen, seien für Frauen heute auf dem Heiratsmarkt mindestens ebenso wichtig wie physische Attraktivität.

Dem widerspricht eine aktuelle Studie von drei US-Ökonomen und -Ökonominnen. Diese deutet darauf hin, dass die traditionelle Rolle der Frau weiterhin einem durchschlagenden Erfolg politischer Maßnahmen zur Gleichstellung entgegenwirkt. Selbst hochqualifizierte Frauen scheuen sich offenbar aus Rücksicht auf die Erwartungshaltung potenzieller Lebenspartner, Ehrgeiz zu zeigen und Karrierechancen zu ergreifen. Sie scheinen immer noch zu fürchten, dass sie auf Männer weniger attraktiv wirken, wenn sie zu ehrgeizig erscheinen. Beruflicher Ehrgeiz scheint weiterhin nur Männer als Ernährer attraktiv zu machen, während er Frauen als angehende Rabenmütter abzustempeln scheint oder das Selbstwertgefühl der potentiellen Lebenspartner in Gefahr bringt.

Manipulierte Fragebögen

Leonardo Bursztyn, Amanda Pallais und Thomas Fujiwara untersuchen in der Studie „Acting Wife‘: Marriage Market Incentives and Labor Market“ auf raffinierte Weise, wie Frauen, die für Führungspositionen in Unternehmen infrage kommen, die Auswirkungen ihrer beruflichen Ambitionen auf dem Heiratsmarkt einschätzen.

In Zusammenarbeit mit dem Karriereberatungszentrum der Universität manipulierten sie Fragebögen für MBA-Masterstudentinnen und – studenten an einer Elite-Hochschule zu Berufspräferenzen und eigenen Charakterzügen. Die Fragebögen dienten für spätere Praktikumszuweisungen. Ein Teil der Studentinnen bekam signalisiert, ihre Antworten würden in Diskussionsgruppen besprochen werden. Dem anderen Teil wurde erläutert, dass nur anonymisierte Angaben in den Diskussionsgruppen verwendet würden. Die gleichen Vergleichsgruppen wurden bei den männlichen Teilnehmern gebildet.

Für die meisten spielte Öffentlichkeit oder Anonymität der Antworten keine Rolle, mit einer Ausnahme: Studentinnen, die sich nicht in einer festen Partnerschaft befanden. Wenn diese einen Fragebogen bekamen, der öffentliche Besprechung der Antworten avisierte, waren die angegebenen Karriereziele deutlich weniger ambitioniert, als wenn sie mit Anonymität rechneten – sie gaben eine weit geringere Toleranz für lange Arbeitszeiten und viele Dienstreisen an und nannten ein geringeres Gehaltsziel. Wenn mit der jeweiligen Probandin vor allem Männer in der Diskussionsgruppe waren, zeigte sich der statistische Effekt besonders stark.

Begleitende Befragungen

Dass hinter dem auffälligen Antwortverhalten der Single-Frauen die Sorge um ihre Aussichten auf dem Heiratsmarkt steht, unterfüttern die Autoren noch durch eigene und fremde Befragungen. Danach gaben zum Beispiel viel mehr nicht liierte Frauen als andere MBA-Studienanfänger an, in ihrem vorherigen Berufsleben auf Forderungen nach Beförderung oder Gehaltsanstieg verzichtet zu haben oder bei Besprechungen defensiv aufgetreten zu sein, um nicht als ehrgeizig wahrgenommen zu werden.

Dass die Aussicht, einen Partner unter den Kommilitonen zu finden, für die Single-Studentinnen eine relevante Überlegung sein dürfte, bestätigt eine Befragung bei Absolventen der Harvard Business School (HBS) aus dem Jahr 2015. Fast ein Drittel der 25- bis 30jährigen Absolventinnen war mit einem HBS-Absolventen verheiratet. Bei den Männern waren es 16 Prozent.

Damit scheint auch im Jahr 2016 noch zu gelten, was die Psychologin Marina Horner schon 1965 mit einem ähnlichen Experiment nachwies. Studentinnen sollten eine Geschichte weitererzählen, die damit begann, dass eine Medizinstudentin Anna in einer wichtigen Klausur besser abschneidet als alle anderen Kursteilnehmer, einschließlich ihres festen Freunds. Die Antworten ließen eine verbreitete Sorge erkennen, dass der eigene berufliche Erfolg die Partnerschaft belasten würde. So prophezeiten die Studentinnen unter anderem eine Trennung des Paares. In weiterer Zukunft sagten sie für Anna zwar beruflichen Erfolg voraus, allerdings von Rückschlägen im Privatleben begleitet. Als das Experiment 1988 von den Soziologen Cheryl Benard und Edit Schlaffer in Österreich wiederholt wurde, kam es zu ähnlichen Ergebnissen. Die Experimente hatten besonders in den USA eine heftige Diskussion über die Angst der Frauen vor beruflichem Erfolg entfacht.

2 Fast 4 Comfort

Bestätigung für die These von hartnäckigen Geschlechterstereotypen, die Frauen ausbremsen, liefert auch eine aktuelle Studie des australisch-japanischen Forscherduos Alison Booth und Eiji Yamamura. Die beiden werteten professionellen Schnellbootrennen aus. Frauen sind dabei in der deutlichen Minderheit. Sie fahren in manchen Wettbewerben in reinen Frauengruppen, in anderen zusammen mit den Männern. Die Forscherinnen fanden, dass Frauen in gemischten Gruppen langsamer und weniger riskant fuhren, als wenn sie nur gegen andere Frauen antraten, während umgekehrt die Männer schneller und riskanter unterwegs waren, wenn eine Frau mit im Wettkampf war. Man braucht sich nur die Fast-and-Furious-Filmreihe anschauen, um das Rollenmodell dahinter zu dechiffrieren. Wenn die Frauen überhaupt einmal mehr als Beifahrerinnen oder Groupies sind, dann ist für die Fahrerin Platz 2 ein Riesenerfolg und jeder (Mann) hinter ihr eine Lachnummer. Offenbar ist das auch an Eliteunis nicht anders, auch nicht 15 Jahre nachdem Hollywood 2Fast, 2Furious gedreht hat.

[15.5.2017]

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